Chronik/Wien

Liebesdienste für die neue Mahü

Darf ich dich umarmen?", fragt Hanna Schwarz. Die Passantin schaut zuerst irritiert, lässt sich dann aber fest drücken. "Für die neue Mariahilfer Straße", erklärt Schwarz und drückt der jungen Frau noch gelbe Primeln in die Hand. Dazu tönte Robbie Williams "She’s The One" über die Straße.

Blumen, Liebeslieder und herzliche Umarmungen sind gerade am Valentinstag keine Seltenheit. Doch die Mitglieder der Initiative "Autofreie Straße" erweisen diese Liebesdienste am Freitag nicht ihren Partnern oder Lebensgefährten – sondern der neuen Mariahilfer Straße.

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Rund 30 Freiwillige versammeln sich dazu Freitagnachmittag auf der Höhe der Neubaugasse. Mit Kartons auf denen "Free Hugs" steht, spazieren Aktivisten über die Einkaufsstraße und bieten Fremden eine Umarmung an. Andere verteilen bunte Primeln. Viele Passanten beobachten die Verteilaktion skeptisch, die Blumen nehmen sie dann doch gerne an. Und mehrere Besucher lassen sich sogar umarmen.

Für Hanna Schwarz von der Initiative "Autofreie Stadt" sind Fußgängerzonen jedenfalls Teil einer zukunftsorientierten Verkehrspolitik. "Eine Mariahilfer Straße ohne Autos steigert die Lebensqualität", ist die 29-Jährige überzeugt. Schwarz ist auch der Meinung, dass die Bürgerbefragung, die kommende Woche anläuft, pro Fußgängerzone ausgehen wird.

Häupl glaubt an Fuzo

Ähnlich sieht das Wiens Bürgermeister Michael Häupl. "Ich glaube, dass die Menschen den Vorschlag der SPÖ gutheißen werden", erklärt Häupl am Rande eines Hintergrundgesprächs. Dieser Vorschlag lautet: Fußgängerzone ja, aber mit Querungen und ohne Radfahrer. Seit Donnerstag hängen im sechsten und siebten Bezirk knapp 100 Plakate, die diese Variante propagieren.

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"Ich halte die Flaniermeile für eine gute Sache", sagt Wiens Bürgermeister. Die Unternehmer werde man davon auch noch überzeugen. Ebenso wie es damals mit derKärntner Straßewar. "Da hat es auch geheißen, die Roten richten die Stadt zugrunde", erzählt Häupl. Und jetzt würde dort kein Unternehmer mehr für einen Rückbau stimmen, ist er überzeugt.

Dass laut aktueller Umfrage der Wirtschaftskammer 70 Prozent der Unternehmer gegen die neuen Maßnahmen sind, irritiert Häupl nicht. "Bei der Kärntner Straße waren es damals sogar 80 Prozent." Auch die Aufregung um die Busroute des 13A kann der Bürgermeister nicht nachvollziehen. In seiner Straße würden ein Bus und zwei Straßenbahnen fahren. "Und auch meine Kinder haben das immer toll gefunden."

Kommenden Montag werden die ersten der knapp 49.000 Fragebögen im 6. und 7. Bezirk verschickt.

Ab 17. Februar werden die ersten Fragebögen verschickt. Zweieinhalb Wochen haben die Bürger dann Zeit, zu entscheiden – ob das Projekt Mariahilfer Straße fortgesetzt wird oder nicht. Der KURIER hat die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wer darf an der Bürgerbefragung teilnehmen?
Alle Bewohner des sechsten und siebenten Bezirks, die bis zum 7. März das 16. Lebensjahr vollendet haben. Dazu zählen auch knapp 7000 EU-Bürger. Geschäftsleute, die nicht im Bezirk hauptgemeldet sind, dürfen dagegen nicht mitstimmen.

Wann beginnt die Bürgerbefragung?
Die Fragebögen werden, aufgeteilt auf mehrere Tranchen, zwischen 17. und 21. Februar an die Teilnahmeberechtigten verschickt. Schon ab 27. Jänner wurden die ersten Infofolder an die Haushalte geschickt, die den Ablauf der Umfrage erklären sollen.

Wie lange können sich die Bürger mit ihrer Antwort Zeit lassen?
Die Fragebögen müssen bis spätestens 7. März, 10 Uhr retourniert werden. Wer ganz sichergehen will, kann seine Karte auch persönlich in den Amtshäusern im sechsten und siebenten Bezirk abgeben.

Gibt es weitere Möglichkeiten, den Fragebogen abzugeben?
Ja. Im gesamten Befragungszeitraum werden an zehn frequentierten Stellen der Bezirke Mariahilf und Neubau Infotürme mit Postkästen für die Abgabe der Fragebögen aufgebaut.

Wie viel gibt die Stadt für die Befragung aus?
Die Befragung wird aus formalen Gründen von den Bezirken betrieben, ausgeführt wird sie vom Presse- und Informationsdienst der Stadt (MA 53). Jeder Bezirk hat dafür ein Budget von 283.000 Euro beschlossen, insgesamt sind das 566.000 Euro.

Warum ist die Befragung zur Mariahilfer Straße um so vieles teurer als die Pickerlfrage in den VP-Bezirken?
Neben der Abwicklung informiert die Stadt auch mit Inseraten über die Vorgangsweise der Bürgerbefragung.

Wie viel gibt die Stadt also insgesamt aus?
Zu den 566.000 Euro für die Durchführung der Befragung kommen weitere 850.000 Euro, die das Büro der Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) für eine breite Werbekampagne einsetzt. Dabei sollen den Bürgern die Vorzüge einer Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße präsentiert werden. Insgesamt werden also mehr als 1,4 Millionen Euro in die Umfrage investiert. Zum Vergleich: Die Volksbefragung im Frühjahr 2013 hat die Stadt 7 Millionen Euro gekostet, 4,4 Millionen davon entfielen auf die Infokampagne. Allerdings konnten damals die Bürger aller 23 Bezirke abstimmen.

Ist das Ergebnis der Befragung bindend?
Rein rechtlich ist das nicht der Fall. Rot und Grün versichern allerdings mehrfach, das Ergebnis der Befragung umzusetzen. Dies war auch bei der Wien-weiten Volksbefragung 2013 der Fall.

Wie sieht der weitere Fahrplan aus?
Stimmen die Bürger gegen eine Verkehrsberuhigung, werden die bisherigen Maßnahmen wieder rückgängig gemacht.

Bei einem Ja zur Mariahilfer Straße neu starten im April 2014 die Bauarbeiten zur Umgestaltung. Sie umfassen unter anderem eine Pflasterung der gesamten Verkehrsfläche zwischen Kaiserstraße und Museumsplatz. Auch neue Beleuchtungsanlagen, Sitz- und Spielmöglichkeiten sollen installiert werden. Der Umbau soll in zwei Etappen zu jeweils sieben Monaten erfolgen. Das Projekt wäre somit im Herbst 2015 fertig. Die Baukosten liegen bei rund 25 Millionen Euro.