Chronik/Wien

Kopf unter Polizeibus bei Klimademo: Schuldspruch für Polizisten

Die Bilder und Videos gingen durch alle heimischen Medien: Zwei Polizisten knien auf einem Demonstranten. Der Kopf des Demonstranten liegt unter einem Polizeibus - und plötzlich fährt der Bus an.

Der Demonstrant ist Anselm Schindler. Die Bilder stammen von der Klimademo im Jahr 2019 in Wien.

Dass seine Festnahme rechtswidrig war, wurde schon vor langer Zeit bestätigt. Doch am Dienstag ging es um jenen Polizisten, der Schindler (vertreten von Anwalt Clemens Lahner) damals zu Boden brachte und festnahm. Denn was der Polizist damals schilderte, geht sich einfach nicht aus.

Die Amtshandlung wurde fast lückenlos von anderen Personen mitgefilmt. Und die Bilder zeichnen ein völlig anderes Bild als die Aktennotiz und eine Aussage von Polizist D. Das fiel auch schon einer Richterin im Verwaltungsgericht auf. Sie erstattete Anzeige wegen Falschaussage.

"Nicht schuldig"

Jetzt sitzt Polizist D. als Angeklagter im Landesgericht für Strafsachen in Wien. Ihm wird Missbrauch der Amtsgewalt und falsche Beweisaussage vorgeworfen. "Nicht schuldig", sagt er. Und wird dann sehr häufig die Worte "verzerrte Wahrnehmung" in den Mund nehmen.

Polizist D. erinnert sich an den Tag der Demo zurück: "Es war heiß, wir waren schon seit Stunden unterwegs und hatten keine Verschnaufpause." Schließlich blockierten Klimademonstranten den Bereich bei der Urania. Die Blockade musste aufgelöst werden. "Es war eine Stress-Situation."

Anselm Schindler war kein Teil dieser Blockade. Er stand ein wenig abseits auf einem Gehsteig. "Wir hatten den Auftrag, den Gehsteig zu räumen", sagt Polizist D. (auch darüber gibt es unterschiedliche Angaben, Anm.) Also sei er zu den Personen dort hingegangen und habe gesagt: "Das ist eh eine gute Sache. Aber für heute ist es genug."

D. sagt, er habe den Eindruck gehabt, dass die Personen nicht gehen wollten. Also habe er gesagt: "Wenn Sie nicht gehen, muss ich Sie festnehmen." Daraufhin soll sich Schindler laut den Aussagen von D. aggressiv verhalten haben, vor dem Gesicht des Polizisten herumgefuchtelt haben.

Zu Boden geworfen

Allein: All das findet sich nicht auf den zahlreichen Videoaufnahmen. Da ist zu sehen, wie D. mit Schindler in Ruhe plaudert. Irgendwann dreht sich Schindler ab, will weggehen. Er hat seine Hände in den Hosentaschen. Dann wird er von D. gepackt und zu Boden geworfen. Ein zweiter Kollege eilt hinzu. wenig später liegt Schindler mit seinem Kopf unter dem Polizeibus.

"Sie kennen die Videos. Ihnen ist schon bewusst, dass die nicht mit Ihren Erinnerungen überein stimmen", fragt auch Richterin Anna Marchart nach.

"Natürlich", antwortet der Angeklagte.

Richterin: "Rückblickend gesehen: Ist die Festnahme korrekt abgelaufen?"

Angeklagter: "Auf den Videos fehlt etwas."

Schilderung passt nicht zusammen

Damit hat er Recht. Ganze vier Sekunden dieser Amtshandlung fehlen tatsächlich. Doch in diesen vier Sekunden soll Schindler gefuchtelt, geschimpft und sich passiv gewehrt haben. Und D. hat in diesen vier Sekunden laut eigenen Angaben auch noch mit Konsequenzen gedroht.

"Das kann so nicht passiert sein", sagt der Staatsanwalt. "Allein das Aufzählen hat länger gedauert."

"Es tut mir leid, es ist blöd gelaufen", sagt Polizist D. und bringt wieder die "veränderte Wahrnehmung" ins Spiel.

Sein Anwalt formuliert es so: "Er ist ein ruhiger, unbescholtener und bisher unauffälliger Beamter. Er erzählt nur, welchen Eindruck die Situation damals auf ihn machte." Dass er deshalb vor Gericht steht, kann der Polizist nicht so recht nachvollziehen: "Wenn man die Anklageschrift liest, kommt man sich vor wie ein Schwerverbrecher."

Urteil: Zwölf Monate bedingte Haft; nicht rechtskräftig. Der Verteidiger des Polizisten meldete Berufung an.