Mit VR-Kletterwand im Weltall bouldern oder den Stephansdom besteigen
Eine von Wissenschaftern der Technischen Universität (TU) Wien entwickelte Endlos-Kletterwand ermöglicht es in Kombination mit einer Virtual Reality(VR)-Brille, in vom Computer simulierten Welten zu klettern. Auf dem 3,5 Meter hohen und drei Meter breiten VR-Klettersystem "Vreeclimber" soll man virtuell das Matterhorn oder den Turm des Wiener Stephansdoms besteigen, im Weltall bouldern oder jüngere Kletterer ein Piratenschiff entern können.
Bereits vor einigen Jahren hat Horst Eidenberger vom Forschungsbereich Information und Software Engineering der TU den "Jumpcube" entwickelt, der mithilfe eines Seilsystems, VR-Brille, Ventilatoren und hochauflösenden Bildern einen virtuellen Fallschirmsprung etwa über Wien ermöglichte. Nun holt Eidenberger mit seinem Team die virtuelle Welt in die Kletterhalle.
Kletterer bleibt auf gleicher Höhe
Die aus Stahl und Holz konstruierte Endlos-Kletterwand verfügt über 238 Klettergriffe, die sich mit einer Geschwindigkeit von bis zu 4,78 Metern pro Minute bewegen. Während der mit einem Seil gesicherte Kletterer in der virtuellen Realität nach oben steigt, rollt die Wand nach unten und hält ihn so ungefähr in der gleichen Höhe. Die Wand kann auch in drei Stufen um bis zu 20 Grad geneigt werden, um Überhänge zu simulieren.
"Wir haben alle Klettergriffe dreidimensional gescannt und nach ihrer Montage von der Wand einen digitalen Zwilling erstellt", erklärte Eidenberger. Je nach virtueller Umgebung bzw. Kletterroute sind alle Griffe oder nur jene einer bestimmten Kletterroute in der VR-Brille in Kombination mit der simulierten Welt zu sehen.
Mit Klettband werden an Händen und Füßen des Kletterers sogenannte "Tracker" befestigt, die ihre Lage und Position in der Wand aufgrund eines von der VR-Hardware erzeugten Gitters aus Infrarot-Licht berechnen können. So kann der Kletterer seine virtuellen Hände und Füße in der VR-Brille sehen.
Studenten entwerfen virtuelle Welten
Studenten der Medieninformatik, die in ihrem Studium ein VR-Modul absolvieren müssen, entwerfen und programmieren virtuelle Welten für die Kletterwand. Beim APA-Lokalaugenschein an der TU Wien liefen ein virtuelles Weltraum-Szenario und ein Piratenschiff auf dem dafür benötigten PC aus dem High-End-Consumerbereich, an weiteren Kletter-Szenarien wie einem Vulkan, dem Matterhorn, dem Mond oder dem Stephansdom wird derzeit noch gearbeitet.
"Vreeclimber" sei aber nicht nur ein Studentenprojekt, sondern soll auch helfen, Forschungsfragen zu klären. Eidenberger hofft etwa auf Fortschritte dabei, die Lage einzelner Finger in der virtuellen Welt nachzuvollziehen - was speziell für das Klettern, aber auch für viele andere VR-Anwendungen interessant wäre. "Das Fingertracking in der VR klappt derzeit noch nicht sehr gut", so der Informatiker.
Simulatorkrankheit
Zudem arbeiten die Experten daran, wie man die sogenannte "Simulatorkrankheit" vermeiden oder abmildern könnte - ein Übelkeitsgefühl, das nach Aufenthalten in VR-Simulatoren oder virtuellen Realitäten auftreten kann. So versuchen die Wissenschafter dies etwa durch haptische Einflüsse wie Wind, Gischt, Kälte und Wärme, durch das Verknüpfen der audiovisuellen Reize mit Gerüchen, aber auch durch das Einstreuen visueller Reize in größerer (virtueller) Entfernung, die Optimierung von Bewegungsabläufen und durch die körperliche Anstrengung auf der Kletterwand abzumildern.
Für den Betrieb der Wand sind zwei Personen notwendig, den Aufbau des 700 Kilo schweren Konstrukts kann Eidenberger zufolge eine Person in 2,5 Stunden bewerkstelligen. Ausprobieren kann man "Vreeclimber" erstmals voraussichtlich beim Wiener Forschungsfest vom 9. bis 11. September im Rathaus.