Chronik/Wien

Ein Abschied von Jennifer Scharinger

Um 1.16 Uhr nachts trafen sich am Dienstag die ersten Freunde und Familienmitglieder vor der Brigittakirche in Wien-Brigittenau. Eine Mahnwache war es, die sie bei klirrender Kälte abhielten - im Andenken an die vermisste Jennifer Scharinger und gegen Gewalt an Frauen.

1.16 Uhr - diese Uhrzeit war bewusst gewählt. Genau vor einem Jahr um diese Zeit entstand das letzte Bild der 21-jährigen Jus-Studentin. Es war ein Selfie, das sie gemeinsam mit ihrem damaligen Freund in einer Parkgarage aufgenommen hatte. Wenige Stunden später war die junge Frau verschwunden.

Bis heute fehlt jede Spur von ihr. Dass sie noch lebt, daran glaubt niemand mehr. Jennifers Mutter Brigitta Scharinger lud deshalb zum Abschiednehmen in die Kirche ein. Bei einem Gedenkgottesdienst um 8 Uhr früh kamen diesem Aufruf rund 100 Menschen nach. Verwandte, Freunde, Bekannte gedachten der jungen Frau. Zahlreiche Fotos, Kerzen und Blumen waren beim Kircheneingang drapiert.

Alle Inhalte anzeigen

Freundin Raffaela hat zu diesem besonderen Anlass ein Bild gemalt - und es Brigitta Scharinger geschenkt. "Das trifft sie so gut", sagt die Mutter. Raffaela selbst kam schon zur Mahnwache. So wie weitere Freundinnen. "Wir hatten ja keine Möglichkeit, uns zu verabschieden. Es gab ja kein Begräbnis", sagt eine. Jennifer hätte nicht gewollt, dass es so ein trauriger Abschied wird, sind sich die Freunde einig. "Sie hat jedes Jahr alle Freunde zu Silvester eingeladen. Es hat Kuchen und Sekt gegeben - das ist Jenni. Vielleicht holen wir das nach. Im Sommer, auf der Donauinsel."

Mutter Brigitta Scharinger war die Messe ein Bedürfnis. "Jenni braucht das jetzt. Und wir auch. Wir brauchen Gewissheit und innere Ruhe, damit wieder Frieden bei uns einkehrt." Ihre Tochter sei ein Geschenk gewesen. "Ein Lichtstrahl. Versuchen wir, das weiterzutragen." Pfarrer Wolfgang Seybold hat Jennifers Geschichte selbst sehr betroffen gemacht. "Ihr habt so lange ausgeharrt. Wir wissen noch nicht, wo sie ist." Die Geschichte der jungen Frau und auch die fünf Frauenmorde, die in diesem Jahr bereits passiert sind, würden einem "den Atem nehmen". "Das ist eine absolute Ungerechtigkeit."

Alle Inhalte anzeigen