Deutschkurse in Ottakring werden gestürmt
Von Johanna Kreid
Beim Betreten des Gebäudes fühlt man sich unmittelbar in die Schulzeit versetzt: lange Gänge, alte Mauern, gestrichen im Gelb vergangener Zeiten. Allein, die Menschen vor den Klassenzimmern wirken entspannter als dereinst. In der Volkshochschule (VHS) Ottakring gibt es seit 1905 Deutschkurse für Migranten – und auch 2015 haben mehr als 1100 Menschen hier Deutsch gelernt.
Ottakring im Westen Wiens war einst eher verrufen als Bastion der Arbeiter und Ausländer. Dank Yppenplatz und Brunnenmarkt gilt der Bezirk mittlerweile wieder als schick: Bis zum Jahr 2034 soll die Einwohnerzahl Ottakrings um neun Prozent wachsen. Der Migrantenanteil im Bezirk wird von 39 auf über 42 Prozent steigen.
Unweit der Koppstraße, quasi im Ottakringer Herzen, liegt die VHS: Erbaut 1905, war sie das erste Volksbildungshaus Europas. Damals wurden hier Arbeiter aus Böhmen und Mähren unterrichtet. Heute sind es Frauen und Männer aus aller Welt, die sich hier fortbilden. "Die Rahmenbedingungen ändern sich, aber die Aufgaben bleiben", schildert VHS-Direktorin Ilkim Erdost.
Deutsch im Park
Zusätzlich zu den regulären Kursen sprechen VHS-Mitarbeiter Menschen in Parks an und bieten Deutschunterricht: "Selbst im heißen Sommer 2015 haben sich jedes Mal 20, 30 Leute unter einen Sonnenschirm gedrängt und gelernt", schildert Erdost.
Sayed Hameed Hashemyan etwa kam vor drei Jahren aus Afghanistan nach Österreich. Er absolvierte Deutschkurse an der VHS: "Die Lehrer haben sich sehr bemüht. Sie haben nicht nur mit dem Mund, sondern mit Händen und Füßen gesprochen", erzählt er und lacht.
Das Leben in Österreich habe zwei Seiten: "Einerseits bin ich zufrieden, weil ich hier in Sicherheit leben kann." Andererseits hegten andere zuweilen Vorurteile: "Manche sind misstrauisch, wenn man die Sprache noch nicht so gut spricht."
Neben Sprachunterricht bietet die VHS Kurse zur besseren beruflichen Qualifikation: Amina-Svetlana Mušić etwa fiebert ihrer Berufsreifeprüfung im Februar entgegen. Lange war die familiäre Situation schwierig, ihr Mann starb, sie war Alleinerzieherin dreier Kinder. "Doch dann wurden Kräfte für einen Neustart frei", sagt Mušić und lacht. Mittlerweile beschloss sie, auch noch ein Studium anzuhängen.
Ein wenig Sorge bereiten ihr die Vorurteile gegenüber Muslimen: So frage sie sich, ob ihr zukünftiger Arbeitgeber ein Problem damit haben wird, dass sie Kopftuch trägt. Aber auch für sie hat Sprache eine zentrale Integrationsfunktion: "Ich spreche ausgezeichnet Deutsch, da verschwinden viele Vorurteile rasch. Wichtig ist ein freundliches Miteinander."
Dies bestätigt auch die alteingesessene Ottakringerin Monika Urban-Horeth. Die Pensionistin unterstützt zwei junge Flüchtlinge aus Somalia: "Ich gehe die Hausübungen mit ihnen durch, und wir sprechen über das Leben hier in Österreich." Beide seien äußerst wissbegierig, einer ihrer Schützlinge will gar Arzt werden.
Urban-Horeth erlebte aber ebenso, dass Vorurteile gegenüber Immigranten auch im multikulturellen Ottakring weit verbreitet sind: "Da muss ich mich nur im Bekanntenkreis umhören", sagt sie und seufzt. Kommunikation ist auch ihrer Ansicht nach entscheidend für das gute Auskommen: "Wenn keine Berührungspunkte da sind, ist es schwierig. Sobald aber miteinander gesprochen wird, spielt die Herkunft kaum mehr eine Rolle."
Die Nachfrage nach Fortbildung ist also groß, daher sagt auch VHS-Direktorin Erdost: "Ich habe die Hoffnung – und ich muss sie haben –, dass wir in Zukunft noch mehr leistbare Kursplätze anbieten können."
Lesen Sie hier noch Teil eins, Teil zwei und Teil drei der KURIER-Serie "Die Zukunft Wiens".
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