Buslenker wollen Fuzo Ketten anlegen
Leopold Wurm hat Kabelbinder und eine Plastikkette mitgebracht. Binnen einer Minute hat der Betriebsrat der Wiener Linien seine Absperrkette zwischen zwei blauen Pollern montiert. „So einfach ginge das“, sagt Wurm. Doch die Stadt wolle von seiner Idee nichts wissen.
Seit Wochen findet ein Tauziehen um die Mariahilfer Straße statt. Auf der einen Seite Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne), die gerne eine Fußgängerzone ohne Einschränkungen hätte, auf der anderen Seite die Buschauffeure des 13 A, die massive Sicherheitsbedenken äußern.
„Wir bekommen null Rückendeckung von der Stadt“, sagt Wurm. Also schritt er selbst zur Tat. „Entlang der Straße stehen ohnehin bereits blaue Poller. Warum diese nicht dazu nutzen, die Fußgängerzone von der Busspur zu trennen?“ Damit könnten Fußgänger nicht so leicht auf die Busspur geraten. „Gerade die Kreuzungen sind am gefährlichsten“, sagt Wurm. „Viele unterschätzen den toten Winkel bei einem Bus.“ Wie zum Beweis läuft eine junge Frau vor dem Bus bei Rot über die Kreuzung an der Kirchengasse.
Ketten statt Urlaub
Wurm wäre sogar bereit, selbst in die Tasche zu greifen „Wenn der Stadt die Ketten zu teuer sind, kaufe ich sie“, sagt Wurm. „Ich habe bereits mit meiner Frau geredet, dann verzichten wir halt auf den Urlaub. Das ist es mir wert.“ Dass so die ganze Idee einer Fußgängerzone ad absurdum geführt wird, verneint Wurm nicht. „Aber wissen Sie, was wirklich absurd ist? Mit dem Bus durch eine Fußgängerzone zu fahren.“
Im Büro der Verkehrsstadträtin kennt man die Bedenken. Allerdings habe man sehr wohl Absperrungen geplant, betont ein Sprecher Vassilakous. An den Kreuzungsecken werde es Sitzgelegenheiten und Radbügel geben. Die ersten Bänke wurden am Freitag aufgestellt. Entlang der Busspur gebe es sowieso Schanigärten, U-Bahn-Abgänge oder eine Citybike-Anlage als Barriere.
„Wir sind überzeugt, dass diese Maßnahmen ausreichen“, sagt der Sprecher. Man werde aber bei Problemen sofort reagieren.
KURIER-Stadtgespräch: Die Fuzo Mariahilfer Straße im Praxistest. Wir diskutieren weiter: Am Fr., 23. 8. um 12.30 Uhr vor der Mariahilfer Kirche. Am Podium: Thomas Blimlinger (Bezirksvorsteher Neubau), Renate Kaufmann (BV Mariahilf),
Langsam nimmt die Mariahilfer Straße Neu Gestalt an: Anfang der Woche wurde bereits ein Großteil der Bodenmarkierungen in der Einkaufsmeile entfernt, seit Freitagvormittag gibt es die ersten neuen Sitzgelegenheiten für die verkehrsberuhigte Zone. Die vorerst noch drei Sitzgruppen wurden eigens für die Mariahilfer Straße entworfen. Weitere kommen in den nächsten Tagen dazu.
Und so sieht der weitere Fahrplan bis zum Start des Probebetriebs am kommenden Freitag aus: Zwischen Mittwoch, 20 Uhr, und Freitag, 6 Uhr, wird die Mariahilfer Straße komplett für den Verkehr gesperrt. Das ist wegen der Anbringung der neuen Bodenmarkierungen nötig. Unter anderem wird die Busspur für den 13A rot eingefärbt.
Ab Freitag ist der Bereich zwischen Kirchen- und Andreasgasse eine Fußgängerzone. Hier ist kein Pkw-Verkehr mehr erlaubt. Warenlieferungen bleiben allerdings bis 13 Uhr möglich, Taxis dürfen auf der Busspur fahren, um Fahrgäste abzuholen bzw. aussteigen zu lassen. Radfahren im Schritttempo ist erlaubt. Dies wird auch von der Polizei kontrolliert. Auf der Busspur gilt Tempo 20.
Die beiden äußeren Abschnitte der Mariahilfer Straße werden zu Begegnungszonen umgewandelt. Dort teilen sich Fußgänger, Radler und Autofahrer die Fahrbahn. Alle Verkehrsteilnehmer dürfen maximal mit 20 km/h unterwegs sein.
Auch in den umliegenden Straßen gibt es zahlreiche Änderungen in der Verkehrsführung (siehe Grafik).
Wie lange der Probebetrieb dauert, ist offen. Im Büro von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou spricht man von mehreren Monaten und will sich erst anhand der Erfahrungen aus der Praxis konkreter festlegen. Geht es nach Neubaus Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger (Grüne) soll die Testphase bis Anfang 2014 dauern, damit der Weihnachtsverkehr noch berücksichtigt werden kann. Nach dem Probebetrieb ist eine Bürgerbefragung geplant. Der tatsächliche Umbau soll im Herbst 2014 starten.
In Wien sind offenbar immer mehr Radler unterwegs: Die Radzählstellen verzeichneten im zweiten Quartal eine Steigerung um 5,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahlen seien erfreulich, sagte Wiens Radbeauftragter Martin Blum: „Obwohl das Wetter durch Regen und Kälte lange schlecht war , gab es eine Steigerung.“
Positiv für die Radler sieht Blum die bevorstehende Verkehrsberuhigung auf der Mariahilfer Straße – auch weil in der künftigen Fußgängerzone geradelt werden darf. Er könne sich daher vorstellen, zu Lieferzeiten und in den Nachtstunden Radfahren auch am Graben und in der Kärntner Straße zu erlauben.
Kritik kommt von der ÖVP: Eine Radfahrerlaubnis für die Kärntner Straße und den Graben sei „völlig jenseitig“, sagte VP-Chef Manfred Juraczka. Er kritisierte auch die von Blum genannten Zahlen: „Die offiziellen Zahlen weisen für das zweite Quartal einen Rückgang an Werktagen um 1,1 Prozent auf.“
„Man habe sich eben die gesamte Woche angesehen“, kontert Blum. Zudem wurden in der Statistik des Radbeauftragten nicht alle Messstandorte einbezogen. Durch Bauarbeiten gesperrte Messstellen wurden ebenso aus der Statistik gestrichen wie Stellen, die nach dem Hochwasser ebenfalls nicht befahrbar waren.