Brot und Spiele auf der Donauinsel
27 Grad und leichte Bewölkung. Für die Veranstalter das ideale Wetter. Und so besuchen bereits am frühen Freitagnachmittag Hunderte Menschen das Donauinselfest, noch ehe es richtig begonnen hat.
Für den offiziellen Auftakt fehlen noch die Spitzen der Wiener SPÖ, die seit 1983 das europaweit größte Gratis-Festival organisiert. In dem kleinen Container auf der Arbeitsweltinsel werden noch rasch die letzten roten Ballons mit Luft gefüllt. Kurz vor halb vier Uhr dann der Auftritt der roten Granden: Zuerst das obligatorische Pressefoto von Bürgermeister Michael Ludwig und seien Stadträten, dann der Rundgang zwischen den Zelten und Ständen.
Stets ist Ludwig von zwei Mitarbeitern in rotem T-Shirt mit roten SPÖ-Ballons flankiert. Auch beim Stopp bei den Wiener Gärtnern, wo er Majoran und Schnittlauch einsetzt und von seinem eigenen Kleingarten erzählt.
Am Ende der Runde muss Ludwig auch noch Blut lassen. Er lässt sich seine Cholesterinwerte testen. Der Moment, in dem ihn die Nadel pikst, ist die einzige, in der er kurz nicht lächelt.
Kosten und Nutzen
Ob sich all das lohnt? Fast so alt wie das Donauinselfest ist die SPÖ-interne Diskussion über die Kosten-Nutzen-Rechnung. Vor allem angesichts der gewaltigen Dimensionen, die das Fest in den vergangenen Jahren angenommen hat, und der damit verbundenen enormen Kosten: Bei rund vier Millionen Euro lagen zuletzt die Mittel, die jedes Jahr in das Inselfest investiert werden.
Immer wieder werden parteiintern Stimmen laut, die hinterfragen, ob sich eine solche kostspielige Form der Eigenwerbung für die Partei rentiert. Ob den Besuchern überhaupt bewusst ist, wem sie dieses unvergleichlich breite Unterhaltungsangebot zum Nulltarif zu verdanken haben. Ob sie – überspitzt formuliert – sich zwar gratis Mando Diao anhören, dann aber trotzdem die FPÖ wählen.
Vielleicht hat auch deshalb Harry Kopietz, SPÖ-Urgestein und Inselfest-Mastermind der ersten Stunde, vor einigen Jahren laut über eine Eintrittsgebühr nachgedacht. Natürlich auch vor dem banalen Hintergrund, dass die Gagenforderungen für herzeigbare Live-Acts ins Unermessliche klettern.
Die Diskussion wurde rasch wieder abgewürgt, das grundsätzliche Dilemma des roten Veranstalters bleibt aber bestehen: Wie bewerbe ich auf der Insel die SPÖ, ohne den Besuchern zu sehr auf die Nerven zu gehen?
Subtile Botschaften
Angesichts dieser schwierigen Gratwanderung verzichtet auch die neue Führung der Wiener SPÖ unter Michael Ludwig auf eine grundlegende Neuausrichtung des Donauinselfests. Vielmehr versucht man, mit ein paar kleinen, aber gezielten Änderungen den Besuchern neben Musik, Essen und Trinken auf möglichst subtile Weise sozialdemokratische Werte und Inhalte zu verkaufen.
Zum Beispiel das Thema Gleichberechtigung: Dieses Jahr gibt es erstmals eine Bühne, auf der ausschließlich Künstlerinnen auftreten.
Weiters – so das Kalkül der roten Strategen – bietet das Donauinselfest die Gelegenheit, den aktuellen Slogan der Wiener SPÖ nicht nur auf Plakate zu schreiben, sondern spürbar zu machen: Das Motto „Zusammen sind wir Wien“, passt auch für das Mega-Fest, bei dem sich ein einziges Mal im Jahr Tausende Wiener aus allen Bezirken und sozialen Schichten treffen, um gemeinsam zu feiern. Bei einem kostenlosen kulturellen Angebot der Spitzenklasse – was wiederum dem roten Dogma des freien Zugangs zu sozialen Leistungen für alle Wiener entspricht.
Josef Kalina, PR-Unternehmer und einst selbst im Inselfest-Organisationsteam tätig, rät ebenfalls davon ab, die Werbung in eigener Sache stärker in den Vordergrund zu rücken. „Die Besucher würden sich vereinnahmt fühlen.“
Vorstellen kann er sich aber, dass die SPÖ noch stärker das Wir-Gefühl der Besucher aktiviert. Etwa mit Aktionen, bei denen gemeinsam ein Statement zu Themen wie Klimawandel gesetzt wird. „Die Besucher hätten dann am Heimweg das Gefühl, nicht nur Spaß gehabt zu haben, sondern an einer Veranstaltung mit einer Botschaft teilgenommen zu haben.“
Von solchen Visionen zurück zur Gegenwart: Viel eher als die Grenze des Sinnvollen wird bei der roten Eigenwerbung am Inselfest die Grenze des moralisch Schicklichen erreicht. Zuletzt wurde dies durch die Kritik des Rechnungshofs offenkundig, der jenen Verein untersuchte, der das Fest organisiert. Er bekommt allein für 2019 1,8 Millionen Euro an Fördergeldern der Stadt. Knapp 1,5 Millionen davon sind für das Donauinselfest selbst vorgesehen. Geld, das auch für Parteiwerbung verwendet wird, wie die Prüfer kritisieren.
Weiters bemängeln sie, dass nicht immer nachvollziehbar ist, wofür die Steuergelder eingesetzt werden. Ein Befund, der jedoch auch für das ÖVP-Stadtfest und die grüne Wienwoche gilt.
Neuaufstellung
Parteimanagerin Barbara Novak hat auf die Kritik des Rechnungshofs reagiert: Der Verein Wiener Kulturservice und die Agentur, die das Donauinselfest betreut, werden neu aufgestellt.
Ob dieses unangenehme Kapitel damit abgeschlossen ist, ist ungewiss. Plant
doch die FPÖ eine U-Kommission, in der SPÖ-nahe Vereine, die Fördermittel erhalten, durchleuchtet werden sollen.
Kommt sie tatsächlich, wird die U-Kommission bis zur Wien-Wahl im Herbst 2020 heranreichen. Im schlimmsten Fall könnte dann das Donauinselfest für Werbung sorgen, auf die die SPÖ lieber verzichtet hätte.