Chronik/Wien

Brisanter Rechnungshofbericht: Wo es bei der Wiener Rettung krankt

Mangelnde Planung, intransparente Abrechnungen und eine verbesserungswürdige notärztliche Versorgung: Dieses Bild zeichnen die Prüfer des Rechnungshofs (RH) in einem bisher unveröffentlichten Rohbericht zum Wiener Rettungswesen. Unter die Lupe genommen haben sie die Jahre 2013 bis 2018.

Das Ergebnis: Eine lange Liste an beunruhigenden Kritikpunkten, die dem KURIER vorliegt. Ein Auszug.

Längere Wartezeiten

In Wien waren zum Zeitpunkt der Prüfung die städtische Wiener Berufsrettung und neun Rettungsdienste privater Organisationen (zum Beispiel Arbeiter-Samariter-Bund) tätig. Die Stadt Wien habe es verabsäumt, zentral zu planen, welche Leistungen von diesen Diensten wo benötigt werden, schreiben die Prüfer.

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Ein Nachweis dafür: „Die Anzahl der Wien eingesetzten Fahrzeuge war nicht bekannt.“ Weiterer Beleg: ein privater Rettungsdienst eröffnete seinen Stützpunkt nur einer Kilometer von einer Einsatzstelle der Berufsrettung entfernt.

Ein Vergleich von Wien mit München verdeutlicht diese „fehlende Bedarfsplanung“: Wien hatte im Prüfzeitraum 22 Rettungs- und – seit einer Zusammenlegung von Standorten im Jahr 2017 – fünf Notarztstützpunkte. Das etwas kleinere München verfügte über 37 Rettungs- und zwölf Notarztstandorte. „Der Versorgungsbereich pro Einsatzstelle bzw. Notarztstandort war in Wien doppelt bzw. fast dreimal so groß wie in München“, heißt es im Bericht.

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Die Reduktion der Wiener Notarztstandorte schlägt sich laut RH in den Wartezeiten nieder. Dauerte es im Jahr 2016 noch rund acht Minuten, bis der Arzt eintraf, waren es 2018 bereits 10,5 Minuten.

Unnötige, teure Transporte

Rückt ein Rettungsdienst aus, bezahlt das an sich die Krankenkasse. Unter welchen Bedingungen, war mit der Wiener Gebietskrankenkasse allerdings nicht eindeutig geregelt. Klare Kriterien fehlten laut RH insbesondere für den Fall, dass die Rettung die Patienten am Einsatzort ließ. Den Transport ins Spital konnte sie dagegen jedenfalls in Rechnung stellen.

Für den RH ist das ein Anreiz, Patienten auch ohne medizinische Notwendigkeit ins Krankenhaus zu bringen.

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Dazu kommt: Beglich die Krankenkasse den Einsatz nicht, erhielten die Patienten die Rechnung. Im Jahr 2018 bezahlten sie für einen Transport 698 Euro – das ist laut RH siebenmal so viel, wie die Krankenkassen berappen mussten. Eine nachvollziehbare Kalkulation dafür fehle.

Einsätze ohne Auftrag

Gemäß ihres gesetzlichen Versorgungsauftrags muss sich die Wiener Berufsrettung auf dringende Einsätze beschränken. Daran hielt sie sich aber nicht, kritisieren die Prüfer: Zwei Drittel der Einsätze im Jahr 2018 waren – gemessen am Schweregrad der Verletzungen – nicht dringend.

Lange Krankenstände

Im Schnitt dauert ein Krankenstand in der Gesundheitsbranche 14,7 Tage. Bei der Berufsrettung waren es 37 Tage. Der RH fordert daher ein „systematisches Krankenstandsmanagement“.

Die Berufsrettung wollte sich am Sonntag nicht zu der Kritik äußern. Empört zeigte sich die Wiener ÖVP: „Der RH macht in seinem Bericht die chaotischen Zustände im Wiener Rettungssystem deutlich“, sagte Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec.

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Es fehlt schlicht an einer ordentlichen Planung für die Zusammenarbeit zwischen den Rettungsorganisationen. Die Folgen sind längere Wartezeiten auf Notarztwagen, was den Tod bedeuten kann.“