Chronik/Wien

Meidling: Wo die Bobos picken bleiben

Die altfadrischen Häferl will jeder haben, sagt Frau Sladek. Die mit dem Goldrand. Und die mit den Namen drauf. Auf Lager hat sie Susanne Sladek aber nicht mehr. „Es ist ja nicht mehr so wie früher“, sagt sie. „Als es nur Josefs und Annas gab. Heute gibt’s auch einen Miroslav und eine Güley.“

Und so, wie sich eben die Population in Meidling verändert hat, hat sich auch die Nachfrage nach den Namenshäferln im Geschirr-Geschäft von Susanne Sladek verändert.

Die Namenshäferl gibt’s deshalb einfach auf Bestellung – mit jedem gewünschten Namen. Seit 35 Jahren steht Susanne Sladek im gleichnamigen Geschirrgeschäft in der Reschgasse im 12. Bezirk.

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Sie hat es von ihren Eltern übernommen und die wiederum von den Eltern ihres Vaters. Kurzum: Den Sladek in der Reschgasse gibt es gefühlt seit immer, konkret seit 1869.

Es ist einer der ältesten Familienbetriebe Meidlings und eines der besten Geschirr- und Küchenfachgeschäfte in Wien.

Kein Klumpert

Billigware wird man dort nicht finden. „Wir haben keine Pfanne, die 15 Euro kostet. Einfach, weil das ein Klumpert ist“, sagt Susanne Sladek. Was geht, kommt aus Österreich. Das Emaille-Geschirr von Riess, die Keramik von Gmundner. Auch Lilienporzellan gibt’s zu kaufen.

Wer Aufsätze für Spritzbeutel braucht, kann zwischen (ungefähr) 50 verschiedenen wählen, es gibt Bialetti-Kaffeemaschinen, Keksausstecher, Einmachgläser, Steinmörser, Schmalztöpfe, Rumtöpfe und Menagereindln. Nur nennt man die heutzutage nicht mehr so.

„Das heißt jetzt Dichtungsdose“, sagt Frau Sladek.

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Ihr Geschäft liegt quasi auf der Einzugsschneise zu jenem Ort in Meidling, den man auch über die Bezirksgrenze hinaus kennt: den Meidlinger Markt.

Vor zehn Jahren noch sorgenvoll beäugt, hat er sich zuletzt gemausert. Es vergeht praktisch kaum ein Monat, an dem nicht ein neuer Stand aufsperrt. Im Sommer waren es zwei Feinkostläden, jetzt folgt ein Käsestand. Seit Dezember 2019 kann Meidling sogar mit Wiens erstem Haubenlokal auf einem Markt aufwarten: der „Wirtschaft am Markt“.

Über Rosaliagasse und Reschgasse ist man vom Meidlinger Markt schnell auf der Meidlinger Hauptstraße.

Die MeiHau (das sagt man wirklich so) ist die wichtigste Einkaufsstraße im Bezirk – und seit 2015 eine Fußgängerzone. Viele alte Spezialgeschäfte – wie den Meidlinger Knopfkönig – gibt es dort nicht mehr.

In den vergangenen Jahren haben dort vor allem Lebensmittelgeschäfte, Gold- und Handyshops Einzug gehalten.

Sieben Gehminuten von der MeiHau entfernt liegt das Weinhaus von Roman Pfandler. 2018 hat er das ehemalige Weinhaus Pitzl übernommen – und alles was ging, im Originalzustand erhalten. Die Schank, die Wandvertäfelungen, de Vitrine aus den den 60er-Jahren.

Das historische Foto zeigt Schloss Hetzendorf um 1900. Heute ist es Sitz der gleichnamigen Modeschule - und in Nicht-Corona-Zeiten beliebte Hochzeitslocation

Seliges Schwipserl

Das Weinhaus Pfandler („Zu den seligen Affen“), ist – wenn man so will – der Hipster-Heurige Meidlings. Auch wenn Roman Pfandler viel Wert auf die Feststellung legt, dass das Publikum in seinem Lokal gut gemischt ist. Sogar ein paar alte Stammgäste vom Pitzl halten ihm Treue.

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Beim Pfandler gibt es herrliche Heurigen-Jause: Knacker in Essig und Öl, überbackenes Brot mit Geselchtem, manchmal Gulasch und ab sofort jeden Donnerstag warmen Leberkäse. Dazu gibt’s – natürlich – Wein.

Einen Affen haben, das bedeutet schließlich „ein kleines Schwipserl zu haben“, sagt Roman Pfandler.

Immer wieder trifft er jetzt auch Bekannte in seinem Grätzel, die früher im 5., 6., 7. Bezirk gewohnt haben. Meidling ist beliebt geworden – bei Jungfamilien.

In Meidling sind Mieten nämlich noch leistbar.

Der Bezirk
Zwischen 1890 und 1892 wurde Meidling als zwölfter Bezirk neu geschaffen. Die Bezirksgrenze an der Grünbergstraße (zu Hietzing) gibt es erst seit 1959

Die Mannschaft
Was die Vienna für Döbling und der Sportklub für Hernals ist, ist die Viktoria für Meidling. Präsident des Fußballvereins ist Alkbottle-Sänger Roman Gregory,  Trainer ist Toni Polster

Das Theater
Bis zur U6 Tscherttegasse dauert es lang.  Das Werk-X nahm sich das zu Herzen und nennt sich  deshalb „das Theater am Arsch der Welt“