Beschwerde gegen geplante Stadtstraßen-Nachtarbeiten eingebracht
Die Geschichte sorgte bereits im September für gehörige Unruhe: Anrainer entlang der geplanten Trasse der Stadtstraße Aspern waren empört, dass die Bauarbeiten entgegen dem ursprünglichen Bescheid auch nachts und am Wochenende erlaubt werden sollten (siehe Link am Ende des Artikels).
Beantragt hatte diese Abänderung des UVP-Bescheids die Straßenbauabteilung der Stadt Wien (MA 28), im November erfolgte dann die Genehmigung des Wunsches durch die Umweltschutzabteilung (MA 22).
Keine aufschiebende Wirkung
Wie die Umweltorganisation Virus am Freitag bekannt gab, hat sie nun Beschwerde gegen diesen UVP-Änderungsbescheid erhoben, widerspreche dieser doch "wesentlichen Teilen" des ursprünglichen UVP-Bescheids. Dadurch verliert der abgeänderte Bescheid seine Rechtskraft, allerdings hat die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zur Folge. Im Änderungsbescheid der MA 22 wurde nämlich dem Wunsch der MA 28 entsprochen, diese aufschiebende Wirkung im Falle einer Beschwerde auszuschließen.
Das sei "besonders skandalös", brauche es für diese Aberkennung der gesetzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung doch sowohl eine begründete Abwägung öffentlicher Interessen als auch Gefahr im Verzug. Beides habe die Behörde jedoch nicht geliefert, so Virus-Sprecher Wolfgang Rehm.
Umplanungen
Das Problem sei, dass nach aktuellen Stadtstraßen-Planungen mehrfach die soeben erst zweigleisig ausgebaute Marchegger Ostbahn und die U2 gequert werden müsse, so Rehm. "Dass man jetzt nach jahrelangem Verfahren draufgekommen ist, dass alles ganz anders gemacht werden müsse als geplant und verspätete Detailuntersuchungen bei der U2 zur Umstellung zwangen, kann nur als miserable Planung der MA 28 bezeichnet werden."
Tatsächlich argumentiert die MA 28 im Antrag, dass der Ausbau der Marchegger Ostbahn "entgegen der ursprünglichen Annahmen" bereits fertiggestellt wurde. Daher sei es notwendig, "die
Gleisführung mittels Hilfsbrücken über die Baugruben des Tunnelbauwerks" zu führen. Diese Arbeiten könnten wegen der dafür notwendigen Gleissperren jedoch nur in der betriebsfreien Zeit durchgeführt werden, daher seien "entgegen den ursprünglichen Annahmen nunmehr Nacht- und Wochenendarbeiten zwingend erforderlich (24 Stunden / 7 Tage)".
Wochenlange U2-Sperre
"In der Öffentlichkeit noch wenig bekannt" sei zudem eine ab Sommer geplante, bis zu neunwöchige Sperre eines Teils der U2. "Das würde bedeuten, dass die momentan mit viel Selbstlob ausgestatte Seestadt neun Wochen von ihrer immer noch einzig nennenswerten ÖV-Verbindung abgeschnitten würde, auch weil in den letzten 15 Jahren die Hausaufgaben in der Donaustadt noch nicht gemacht worden sind und es etwa die Verlängerung der Straßenbahnlinie 25 immer noch nicht gibt", kritisiert Rehm.
Auch für die Errichtung eines "Überführungsbauwerks" im Bereich der Anschlussstelle Seestadt West seien Nacht- und Wochenendarbeiten "zwingend erforderlich", heißt es im Antrag. Für Straßenbauarbeiten in der Hirschstettner Straße, der Quadenstraße, der Hausfeldstraße und der Ostbahnbegleitstraße seien zudem Nachtarbeiten "zwingend erforderlich".
Instanzenzug
Die MA 22 hat nach Ablauf der Rechtsmittelfrist am 7. Jänner zwei Monate Zeit, die Beschwerde durch eine Beschwerdevorentscheidung zu erledigen, ansonsten landet sie beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG).
Rehm fordert jedoch ohnehin, dass sowohl die Beschwerde gegen den Bescheid als auch jene gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung "unverzüglich" zur Eil-Entscheidung an das BVwG weitergeleitet werden. "Wir werden sehen, ob die Wiener Behörden dem Gesetz Genüge tun oder in einer politisch aufgeheizten Stimmung Gesetzesbruch begehen", so der Umweltschützer.
Derzeit sei der abgeänderte Bescheid noch vollstreckbar, wie absehbar und im Verfahren vorgebracht seien aber die in Aussicht genommenen Fenster für Streckensperren ambitioniert gewesen und die erforderliche Vergabe der Bauaufträge noch nicht erfolgt. Hier muss sich die Wiener Stadtregierung jetzt etwas überlegen, am besten im Dialog mit allen, denen zukunftsfähige und klimagerechte Verkehrskonzepte und echter Verkehrsentlastung interessiert sind, so Rehm.
Grüne fordern "Weihnachtsfrieden"
Die Wiener Grünen haben unterdessen am Freitag Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) aufgefordert, einen "Weihnachtsfrieden" für die Stadtstraße und die Lobau auszurufen. Diese Zeit sollte dazu genutzt werden, dass die angedrohten Klagen gegen Klimaaktivisten und Klimaaktivistinnen zurückgezogen und Gespräche auf Augenhöhe gesucht werden. Zudem sollten sich Ludwig und Planungsstadträtin Uli Sima (SPÖ) bei den Betroffenen entschuldigen, so die Parteichefs Judith Pühringer und Peter Kraus.
Mit der Klagsdrohung gegen Klimaaktivisten - darunter auch Minderjährige - NGOs und Wissenschafter sei "ganz klar eine rote Linie überschritten worden", kritisierte Pühringer. Das Vorgehen der Stadt Wien sei "eine gezielte Verunsicherung" von kritischen Stimmen und ein "glatter Anschlag auf die Meinungsfreiheit". "Das ist der 'Menschenrechtsstadt Wien' nicht würdig", so die Parteivorsitzende.
Kraus forderte die Stadt Wien und Bürgermeister Ludwig dazu auf, die Entscheidung des Baustopps für den Lobautunnel zu akzeptieren und aufzuhören, diese mit juristischen Mitteln zu bekämpfen. Mit dem Klimacheck habe sich zudem die Situation der Stadtstraße deutlich verändert. "Wien hat Klimaziele, setzt aber keine geeigneten Klimamaßnahmen. Das ist unterlassene Hilfeleistung gegenüber den kommenden Generationen", so Kraus.
Die Grünen Wien wollen zudem in der Gemeinderatssitzung am Montag eine Dringliche Anfrage mit 55 Fragen an den Bürgermeister stellen. Die Partei will hier unter anderem wissen, ob die anwaltlichen Aufforderungsschreiben im Auftrag der Stadt Wien verfasst wurden, welche Kosten der Stadt Wien bisher dadurch entstanden sind und ob gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen wurde.