Chronik/Wien

Rund 1.000 Menschen versammelten sich zu Gedenkfeier in Wien

Obwohl sich an diesem Montagabend mehr als 1.000 Menschen am Wiener Ballhausplatz zusammengefunden haben, war es um kurz nach 18 Uhr sehr leise. Nur eine Drohne schwirrte über den Köpfen der Menschen und durchbrach die Stille. 

Zum ersten Jahrestag des Hamas-Terrorangriffs organisierte die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) gemeinsam mit etwa 30 weiteren Institutionen und Vereinen eine Gedenkfeier. Laut Veranstalter wurden rund 4.000 Personen erwartet, so groß wie das Lichtermeer im vergangenen Jahr fiel die Kundgebung heuer aber nicht aus. 

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Ein Abend der Trauer und Hoffnung

„Letztes Jahr war mehr“, sagte etwa auch eine Frau im Vorbeigehen am Montagabend. Zu Beginn der Veranstaltung wurden kleine Österreich- und Israelflaggen ausgeteilt, bevor der Wiener Jüdische Chor ein Lied anstimmte - ein musikalischer Einstieg in einen Abend, der für Tausende Trauer und Hoffnung zugleich bedeutet.

Im Zusammenhang mit der Gedenkfeier wurden durch die Landespolizeidirektion und den Verfassungsschutz im Vorfeld Sicherheitsvorkehrungen getroffen, gab das Innenministerium bekannt. Nicht nur Polizisten mischten sich unter die Teilnehmer, auch Securities der IKG sorgen in zivil an diesem Abend für die Sicherheit der Teilnehmer. 

"Wir danken der Polizei, dem Bundesheer und dem Verfassungsschutz. Sie machen jüdisches Leben in Österreich erst möglich", sagte Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Dennoch habe die Israelitische Kultusgemeinde zusätzlich auch eigene Sicherheitsmaßnahmen getroffen. 

Auf der Bühne zu Wort kamen an diesem Abend Überlebende, Angehörige und Politiker. Geladen waren unter anderem Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sowie Andreas Babler (SPÖ). Auch die Botschafter von Israel und Deutschland waren vor Ort.

"Horror steckt uns in den Knochen"

"Der Horror des 7. Oktober steckt uns noch immer in den Knochen. Dem Staat Israel werden Grausamkeiten unterstellt.
Auch österreichische Jüdinnen und Juden werden attackiert, die Zahl antisemitischer Vorfälle in Österreich hat sich verfünffacht", sagte der Präsident der IKG.

Karoline Edtstadler nam als Vertretung für Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) an der Gedenkfeier teil. "Es gibt keine Rechtfertigung und kein Verständnis für so ein Verbrechen. Die Auswirkungen haben wir bis in unsere Gesellschaft gespürt. Vor diesem Hintergrund möchte ich sagen, dass das Selbstverteidigungsrecht Israels außer Zweifel steht", betonte die Verfassungsministerin.

Werner Kogler ergänzte, dass das Zusammenkommen an diesem Tag ein wichtiges Zeichen setze. "Die Hisbollah und die Hamas halten ihre eigene Bevölkerung für ihre totalitären Machtanspruch als Geiseln", so Kogler. Antisemitismus betreffe nicht nur Jüdinnen und Juden, sondern unsere ganze Gesellschaft. 

"Kippa tragen kann gefährlich sein"

"Besonders wenn man bedenkt, dass Kinder zum Beispiel nicht mehr alleine in die Schule gehen können oder die Kippa in der Öffentlichkeit zu tragen gefährlich sein kann", sagte der Vizekanzler.

Zum Anlass des Jahrestags wurde am Montag auch das Parlament in den Farben der israelischen Flagge bestrahlt. Beendet wurde die Veranstaltung am Ballhausplatz mit einem Lichtermeer

Neben der Gedenkfeier am Ballhausplatz fanden heute Abend mehrere Veranstaltungen statt. 

Schauplatzwechsel zum Graben: Hier fand heute eine Mahnwache für die Opfer auf palästinensischer Seite statt. Am Boden wurden dutzende Kerzen aufgestellt, auf einem Zettel Papier stand "Für alle Unbekannten Märtyrer".

Namen der Toten wurden vorgelesen

Statt der angemeldeten zehn bis 20 Personen versammelten sich hier etwa 100 Teilnehmer, die meisten von ihnen mit Palästina-Flaggen in der Hand. Die Teilnehmer lasen Namen von Menschen vor, die in den letzten zwölf Monaten gestorben sind. Begonnen haben sie mit den toten Kindern. 

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Auch am Karlsplatz fand am Montagabend eine Kundgebung zum Thema "Genug“ – 1 Jahr Krieg in Israel-Palästina" statt, erwartet wurden etwa 100 bis 500 Personen. Der Abend verlief ruhig, bei der Polizei lagen gegen kurz vor 21 Uhr keine Angaben über Ausschreitungen vor. "Es ist alles ruhig", hieß es auf KURIER-Anfrage.

Polizei untersagte Kundgebung

Eine andere Kundgebung hat die Wiener Polizei am Montag hingegen untersagt.

Die Organisatoren - Students of the Palestinian Cause in Austria (SPC Austria) - werfen der Polizei "einen kalkulierten Akt der Repression" vor. Die Polizei begründete das Verbot der Veranstaltung auf Anfrage der APA mit einer möglichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

Seitens der Polizei heißt es, dass die Wiener Polizei am Jahrestag mit ausreichend Personal im Einsatz sei, "um die gesetzlichen Aufgaben erfüllen (...), aber vor allem die Versammlungsfreiheit gewährleisten zu können." Bei der untersagten Versammlung müsse jedoch nach "derzeitigen polizeilichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden (...), dass die Versammlung (...) die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden würde", so eine Sprecherin gegenüber der APA. 

Geplante Veranstaltungen finden statt

Weitere für den Montag angemeldete Veranstaltungen seien davon nicht betroffen und könnten wie geplant stattfinden. In einem Statement anlässlich der Absage erheben die Organisatoren schwere Vorwürfe gegen die Behörden. Die Polizei kriminalisiere "als bewaffnete Hand des Staates (...) andauernd jede Form des Widerstandes" und "fabriziert grundlose Anschuldigungen des Terrorismus", heißt es im Kommentar zu einem Instagram-Post. 

Dabei wird auch der Staat Österreich frontal angegriffen. "Der Feind ist vor unserer Haustür, und hier wird er am besten bekämpft - jeder Schlag gegen den Staat Österreich vergrößert den Riss in der eisernen Kuppel der zionistischen Kolonie." Zudem wird in dem Post ein Slogan verwendet, der nach einem Erlass des Justizministeriums vom November 2023 als "Aufforderung zu terroristischen Straftaten und Gutheißung terroristischer Straftaten" gewertet wird.

Mehr als 1.200 Tote

Am 7. Oktober 2023 hatten Terroristen der radikal-islamistischen Hamas und anderer Gruppen mehr als 1.200 Menschen in Israel getötet und etwa 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Dies war der Auslöser für den bis heute andauernden Gaza-Krieg.

Bereits seit Tagen finden anlässlich des Jahrestages Demonstrationen pro Israel und pro Palästina statt. Am Montagabend ist in Wien eine große Kundgebung der Israelitischen Kultusgemeinde auf dem Ballhausplatz geplant, um der Opfer des Hamas-Massakers zu gedenken.