82-Jähriger von Mitwirkung am Selbstmord in Wien freigesprochen
Weil er im vergangenen Mai einem kranken, bettlägerigen Mann, mit dem er seit 40 Jahren befreundet war, den Freitod möglich gemacht haben soll, hat sich ein 82-jähriger Pensionist wegen Mitwirkung am Selbstmord am Wiener Landesgericht für Strafsachen verantworten müssen. Er wurde am Mittwoch freigesprochen - "im Zweifel", wie die Richterin mehrfach betonte. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab.
Die Anklage hatte dem Pensionisten vorgeworfen, auf Wunsch seines Freundes einen Schlosser in dessen Wohnung geholt zu haben. Der Handwerker benötigte sechs Stunden, um einen Tresor zu öffnen, in dem ein Revolver lag. Den soll der Angeklagte dann dem Freund überreicht haben, der damit seinem Leben ein Ende setzte, nachdem der Schlosser und der 82-Jährige die Wohnung verlassen hatten, nahm der Staatsanwalt an.
"Nix angegriffen"
Der Angeklagte stellte das in Abrede und behauptete, der Freund wäre zuletzt gar nicht lebensmüde gewesen und hätte sich darauf gefreut, im Sommer wieder im Garten sitzen zu können. Mit dem Schlosser sei er deshalb gekommen, weil der 83-Jährige seine Schusswaffen - mehrere Gewehre und zwei Revolver - verkaufen wollte. Die Faustfeuerwaffen wären im Tresor gelegen, der passende Schlüssel sei unauffindbar gewesen. Nachdem der Tresor aufgemacht war, habe er dort Bargeld wahrgenommen. Er habe "nix angegriffen", sagte der Angeklagte.
Fest steht, dass sich der 83-Jährige kurz, nachdem sein Freund die Wohnung verlassen hatte, mit einem der beiden Revolver im Bett liegend erschossen hat. Seiner Tochter, die ihn täglich - teilweise sogar mehrmals - besucht hatte, und zwei 24-Stunden-Pflegerinnen zufolge konnte der Mann nach einem Sturz, bei dem er sich drei Wirbel gebrochen hatte, sein Bett nicht mehr verlassen und sich ohne fremde Hilfe nicht ein Mal mehr aufrichten.
Freispruch im Zweifel
Im Spital waren dem schwerkranken Mann zwar noch "Stehversuche" geglückt - allerdings nur mithilfe einer elektrischen Aufstehhilfe und der Unterstützung von drei Personen, wie Gerichtsmediziner Nikolaus Klupp ausführte. "Alleine war es ihm nicht möglich, selbstständig aufzustehen", betonte Klupp. Es habe eine "objektive Bettlägrigkeit" vorgelegen. Auf die Frage, ob sich der Zustand des 83-Jährigen bis zu seinem Ableben wieder gebessert haben könnte, so dass es ihm gelang, ohne fremde Hilfe vom Bett an den nahe gelegenen Tresor zu kommen, meinte der Sachverständige sinngemäß, dies sei mit der für ein Strafverfahren nötigen Sicherheit nicht auszuschließen.
Darauf stützte der Schöffensenat am Ende den Freispruch. Der 83-Jährige habe sich "in einer Situation befunden, in der er nicht mehr leben wollte", meinte die vorsitzende Richterin. Er habe "zweifelsfrei" sein Leben beenden wollen. Es sei - ungeachtet der Aussagen der Pflegerinnen - nicht auszuschließen, dass der Mann "mit letzter Willenskraft irgendwie an die Waffe gelangt ist".