Chronik/Wien

58-Jähriger starb in Schubhaft: Keiner ist schuld

„Klient hat mehrere Verbände auf den Füßen, dazwischen offene Stellen und ziemlich starke Verfärbungen. Liegt mit dem Rücken zu mir im Bett, gelbe Flecken auf dem Bettlaken deuten darauf hin, dass er ins Bett uriniert hat. Auf dem Tisch befinden sich mehrere Becher mit Tee/Kaffee (?) und ein Teller mit etwas eingetrocknetem Essen, außerdem sein Schubhaftbescheid.“

Die Zeilen, die ein Rechtsberater der Diakonie im vergangenen Juni notiert hat, beschrieben die Situation eines 58-jährigen Schubhäftlings, der im Polizeianhaltezentrum (PAZ) Rossauer Lände untergebracht war. Der Mann aus Ungarn starb in der darauffolgenden Nacht.

Plötzlicher Herztod

Fast ein Jahr später hat die Staatsanwaltschaft Wien die Ermittlungen in der Sache eingestellt. Zwei medizinische Gutachten waren eingeholt worden. Daraus ergab sich, dass der 58-jährige Herr M. eines natürlichen Todes gestorben ist. Und, dass er trotzdem haftfähig gewesen ist. „Eine stationäre Behandlung hätte den plötzlichen Herztod des Mannes nicht verhindert“, sagt Nina Bussek, Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

Guckloch

Der Mann sei sehr krank gewesen. Seine Situation habe sich äußerst rasch verschlechtert. Er war in einer Einzelzelle untergebracht, halbstündlich wurden laut Polizei Sichtkontrollen durch das Guckloch der Zellentür durchgeführt – da hätten sich keine Auffälligkeiten gezeigt. Als ein Beamter am 12. Juni 2019 um 7 Uhr in der Früh die Zelle betrat, atmete Herr M. nicht mehr.

Ein Amtsarzt hatte kurz zuvor noch die Haftfähigkeit des Mannes, der über Schmerzen klagte und nicht mehr selbst aus dem Bett aufstehen konnte, bescheinigt. Aus strafrechtlicher Sicht ist also niemand für den Tod des Mannes verantwortlich.

Doch aktuell läuft auch noch ein Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht. Da soll geklärt werden, ob die Schubhaft überhaupt rechtmäßig und der Mann tatsächlich haftfähig war. Rechtsanwalt Clemens Lahner vertritt die Hinterbliebenen des 58-Jährigen. Bei der Diakonie sind das zentrale Fragen. „Da muss genau hingeschaut werden“, sagt Sprecherin Roberta Rastl .