Chronik/Welt

Hoeneß bald im Gefängnis

Uli Hoeneß, bisher erfolgreichster Sportfunktionär Deutschlands, ist schon demnächst Häftling. Entgegen der Ankündigung seiner Anwälte direkt nach der Verurteilung zu drei Jahren und sechs Monaten Haft, verzichtet er auf eine strafaufschiebende Revision gegen das Urteil des Münchner Gerichts.

Es hatte ihn am Vortag der Hinterziehung von 27,2 Millionen Euro Steuern über ein Schweizer Geheimkonto schuldig erkannt. Zugleich trat Hoeneß von allen Ämtern zurück.

Wann er in die Strafvollzugsanstalt Landsberg am Lech einzieht, hängt vom Platz dort ab. Ob er eine Einzelzelle bekommt, ist offen, aber wahrscheinlich. Anton Bachl, Berufsvertreter aller Gefängniswärter, beschrieb leicht hämisch die Bedingungen: "Es gibt keinen Promi-Bonus. Jeder muss arbeiten. Hoeneß ist ja Wurstfabrikant: Er kann also in der Küche oder beim Anstaltsmetzger arbeiten." Handy-Nutzung gibt es nicht, TV in der Zelle schon, aber ohne Satelliten für FC-Bayern-Spiele.

Laut Gerichtssprecherin Andrea Tietz hat Hoeneß nach sechs Monaten die Chance auf Freigang mit Tagesfreizeit. Frühestens nach der Hälfte der Strafe, also 21 Monaten, könnte er auf Bewährung frei sein. "Aber so weit sind wir noch nicht", so Tietz. Offen ist auch, ob der Staatsanwalt, der fünf Jahre Haft forderte, gegen das wegen des Geständnisses mildere Urteil Revision einlegt.

Der Fall Hoeneß war auch am Freitag das dominierende Thema in der deutschen Öffentlichkeit. Alle Medien beschäftigten sich mit Steuergerechtigkeit und fanden sie überwiegend durch den Richter wiederhergestellt.

Fragen nach Kapital

Zunehmend kommen aber Fragen, woher Hoeneß’ Kapital für seine millionenschweren Spekulationen stammte. Der jahrzehntelang allmächtige Bayern-Boss bewegte über den Verein viele Millionen Euro auch von Sponsoren und Sport-Ausrüstern.

Das tun künftig zwei Vorstandsmitglieder: Adidas-Chef Herbert Hainer als neuer Aufsichtsratsvorsitzender und Karl Hopfner, der bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 2. Mai vom Vize zum FC-Bayern-Präsidenten avancieren soll.

Kanzlerin Merkel ließ ihren Sprecher "Respekt" für Hoeneß’ Erklärung zollen, das tat auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer. Die SPD will nun Schweizer Banken zu mehr Transparenz zwingen und die strafmildernde Selbstanzeige für Steuersünder abschaffen.

Der gefallene Bayern-Papst im Porträt

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"In Österreich kann man mit einer Steuer-Selbstanzeige besser davon kommen als in Deutschland, wenn man es richtig macht", sagt der Wiener Steuerberater Thomas Keppert zum KURIER. Der Finanzexperte vertritt unter anderem den früheren Finanzminister Karl-Heinz Grasser im anhängigen Steuer-Strafverfahren.

So führt in Deutschland eine Selbstanzeige nur dann zur Straffreiheit, wenn die hinterzogene Steuer vollständig und umfassend offenlegt wurde, bevor die Finanzbehörden davon Wind bekommen. Da Uli Hoeneß nicht alles auf den Tisch gelegt hatte, wurde seine Selbstbezichtigung nicht anerkannt. "Bei uns in Österreich ist das nicht so", sagt Keppert. "Wenn sie zehn Millionen Euro hinterzogene Steuer gegenüber der Finanz offenlegen, aber in Wahrheit sind es 15 Millionen Euro, so gilt für die zehn Millionen die Straffreiheit, nur für die restlichen fünf Millionen Euro werden sie bestraft."

Sollten die Behörden von diesen fünf Millionen Euro hinterzogener Steuer aber noch nichts wissen, kann man hierzulande sogar eine zweite strafbefreiende Selbstanzeige einbringen. So kommt man nochmals mit einem blauen Auge davon. "Da gibt es nur einen Steuer-Aufschlag von zehn Prozent", sagt der gerichtlich beeidete Sachverständige. Aber was die Strafe in Sachen Steuerhinterziehung betrifft, fasst man hierzulande mehr aus.

Keppert: "Bei uns wird neben einer Gefängnisstrafe auch eine hohe Geldstrafe verhängt."

Nach Gesprächen...

...mit meiner Familie habe ich mich entschlossen, das Urteil des Landgerichts München II in meiner Steuerangelegenheit anzunehmen.

Ich habe...

... meine Anwälte beauftragt, nicht dagegen in Revision zu gehen. Das entspricht meinem Verständnis von Anstand, Haltung und persönlicher Verantwortung. Steuerhinterziehung war der Fehler meines Lebens. Den Konsequenzen dieses Fehlers stelle ich mich.

Außerdem...

... lege ich mit sofortiger Wirkung die Ämter des Präsidenten des FC Bayern München e.V. und des Aufsichtsratsvorsitzenden der FC Bayern München AG nieder. Ich möchte damit Schaden von meinem Verein abwenden. Der FC Bayern München ist mein Lebenswerk und er wird es immer bleiben.

Ich werde...

... diesem großartigen Verein und seinen Menschen auf andere Weise verbunden bleiben, so lange ich lebe. Meinen persönlichen Freunden und den Anhängern des FC Bayern München danke ich von Herzen für ihre Unterstützung.

Am vierten Tag des vom Richter zügig geführten Prozesses erging Donnerstagmittag das Urteil des Münchner Wirtschaftssenats: Drei Jahre und sechs Monate Gefängnis für den Präsidenten von Europas erfolgreichstem Fußballklub. Uli Hoeneß, der auf ein Schlusswort nach dem Plädoyer seines Verteidigers verzichtet hatte, nahm das Urteil im Gerichtssaal weitgehend unbewegt auf.

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Der Sportmanager, der weit über den Fußball hinaus als moralisches Vorbild galt, muss aber nicht sofort in Haft, sondern bleibt gegen eine Kaution von fünf Millionen Euro auf freiem Fuß, bis die von der Verteidigung eingelegte Revision am Bundesgerichtshof entschieden ist. Das Verfahren dürfte etwa ein Jahr dauern. Vor dem BGH sei der Vorgang um "die nicht ideale Selbstanzeige besser darstellbar als vor diesem Gericht", sagte der Verteidiger danach. In der Folge könnte es aber auch zu einem neuen Prozess vor dem Münchner Landgericht kommen.

In der Urteilsbegründung sah das Gericht die entscheidende Frage, ob die Selbstanzeige von Hoeneß strafmindernd wirkte, als klar entschieden an: Dieser Milderungsgrund sei nicht gegeben. Sie war das Hauptargument der Verteidigung gewesen, in ihrem Plädoyer Freispruch oder maximal eine bedingte Haftstrafe zu fordern. Sie hatte die Selbstanzeige zwar auch als unvollständig, aber trotzdem als wirksam bezeichnet, auch wegen des umfassenden Geständnisses des Angeklagten am Beginn der Verhandlung.

Selbstanzeigen-Streit

Der Staatsanwalt hatte die Selbstanzeige von Anfang an als unwirksam bezeichnet, weil sie von Hoeneß in den 14 Monaten seither mehrfach nachgebessert worden war. Der Staatsanwalt hatte deshalb fünfeinhalb Jahre Haft gefordert.

Wegen des Geständnisses und der Lebensleistung von Hoeneß wurde dieses Strafmaß vom Gericht auf das geringere Maß reduziert. Es warf Hoeneß in der Urteilsbegründung aber vor, die Jahre seit 2009, seit er die jahrelangen Spekulationen über sein Schweizer Nummernkonto beendet hatte, nicht genutzt zu haben, um die Unterlagen für eine wirksame Selbstanzeige zusammenzustellen.

Sollte es bei der Strafe bleiben, muss Hoeneß mit einem echten Gefängnisaufenthalt von etwa einem halben Jahr rechnen. Danach winken ihm Freigang und später Erlass von einem Drittel bis zur Hälfte der Strafe.

Dazu kommen die Vermögensverluste: Die Steuernachzahlung und die Strafzinsen werden auf 30 Millionen Euro geschätzt. Hoeneß muss sie aus dem versteuerten Privatvermögen leisten, die Spekulationsgewinne in der Schweiz sind verspielt.

Bilder: Zitate zur Steueraffäre

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Reaktionen

Die meisten von den Medien befragten Strafrechtsexperten lobten das Strafmaß als angemessen. Einige kritisierten allerdings, dass der Medienrummel und die Verletzung von Hoeneß’ Privatsphäre nicht ausreichend als Milderungsgrund anerkannt worden seien.

Der Aufsichtsrat des FC Bayern trat direkt nach dem Urteil zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, er konnte sich aber am Donnerstag nicht durchringen, Hoeneß, wie vielfach gefordert, von seinen Funktionen zu entbinden (siehe weiter unten).

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Vor dem Münchner Gericht hatten sich zum Urteilsspruch hunderte Schaulustige eingefunden, der größere Teil Fans des FC Bayern. Sie gaben sich überwiegend enttäuscht von der unbedingten Gefängnisstrafe, einige protestierten kurz mit Plakaten und Sprechchören. Andere Schaulustige zeigten sich mit der Strafe einverstanden oder sogar unzufrieden wegen der Höhe der hinterzogenen Steuern.

Die politischen Reaktionen waren angesichts der Prominenz des Verurteilten und des politischen Dauerbrenners Steuerhinterziehung ausnahmslos positiv. SPD-Finanzsprecher Joachim Poß, der Hoeneß’ Tat früh als "Oberschichtenkriminalität" gegeißelt hatte, sagte, er sei "froh, dass es keinen Prominentenbonus gegeben" habe. Der Widerstand der SPD gegen das von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geplante Steuerabkommen mit der Schweiz habe sich als richtig herausgestellt, es hätte Hoeneß sonst unentdeckt gelassen und ihm geholfen, bis zu 20 Millionen Euro an Steuernachzahlungen zu sparen.

Das sah auch Grünen-Chef Anton Hochreiter so: "Es gab weder einen Promi-Bonus noch einen Promi-Malus. Das ist gut."

Hoeneß’ Vorstandskollege beim FC Frankfurt, Heribert Bruchhagen bedauerte ihn als einer der wenigen Prominenten: "Mir tut es unendlich leid für Uli. Ich bin sehr erschrocken über die Vorstellung, dass Uli für seinen Fehler so heftig büßen muss." Hoeneß-Biograf Günter Klein sagte: "Er wird nicht mehr der Alte sein. Jetzt geht es um die Existenz."

4: Gerade einmal vier Verhandlungstage brauchte das Landgericht München II für einen der größten Steuerprozesse Deutschlands, in dem es auch um Grundsatzfragen einer wirksamen Selbstanzeige ging.

7: Sieben einzelne Fälle standen in der Anklageschrift, wegen dieser sieben Fälle verurteilte das Landgericht Hoeneß zu einer Strafe von

3 Jahre, 6 Monate: Urteil des Landgerichts München II

5 Jahre, 6 Monate: Gefordertes Strafmaß der Staatsanwaltschaft

3,5 Millionen Euro: Steuerschuld, die Hoeneß laut Anklageschrift verschwiegen hatte

5,5 Millionen Euro: Verlustvorträge, die Hoeneß laut Anklage zu Unrecht in Deutschland geltend gemacht hatte

10,8 Millionen Euro: Der von den Steuerfahndern ermittelte Jahresverdienst von Hoeneß im Jahr 2008

15 Millionen Euro: Die zusätzliche Steuerschuld, die Hoeneß' Verteidigung zu Beginn des Prozesses einräumte

18 Millionen Euro: Summe, die Hoeneß einmal an einem Tag verzockt haben soll

18,5 Millionen Euro: Summe der Steuerschuld aus der Anklageschrift und dem Geständnis von Hoeneß

20 Millionen D-Mark: Gesamtsumme, die Hoeneß vom damaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfuss bekam und die den Grundstock für die Spekulationsgeschäfte legten

27,2 Millionen Euro: Steuerschuld nach Angaben der Steuerfahndung im für Hoeneß günstigsten Fall. Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht akzeptierten diese Summe.

Etwa 130 Millionen Euro: Gewinne aus den Spekulationsgeschäften

155 Millionen Euro: Höchststand auf dem Schweizer Spekulationskonto

5 Jahre: Höchstmaß bei Steuerhinterziehung

10 Jahre: Höchstmaß bei Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall, den die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer sah