Chronik/Welt

Hochwasser: 15.000 Menschen in Kroatien bedroht

Im Osten Kroatiens sind etwa 15.000 Menschen vom Hochwasser bedroht, viele von ihnen haben ihre Häuser verlassen müssen. Am Wochenende starb ein Mann, zwei Menschen gelten als vermisst. Die Hochwassergefahr sei noch nicht gebannt, sagte Ivica Plisic, Generaldirektor der Wasserwirtschaftsbehörde "Hrvatske Vode". Evakuierungen sind noch im Gange.

Dutzende Tote, Milliardenschäden, kein Strom: Ein Ende der Hochwasserkatastrophe auf dem Balkan ist nicht in Sicht. Bisher kamen mehr als 40 Menschen ums Leben. Weit über eine Million Einwohner der armen Länder in Südosteuropa sind von den Überschwemmungen betroffen. 95.000 Haushalte müssen ohne Strom auskommen. Die Zahl der Todesopfer ist auf mindestens 44 gestiegen. Im serbischen Obrenovac nahe Belgrad wurden nach Angaben von Ministerpräsident Aleksandar Vucic am Sonntag zwölf Leichen entdeckt, damit stieg die Zahl der Toten in dem Land auf 16. In Bosnien-Herzegowina starben nach Behördenangaben bisher mindestens 27 Menschen in den Fluten, in Kroatien einer. Hunderttausende sind ohne Strom. Seit mehr als 120 Jahren hat es in den betroffenen Gebieten keine derartig ergiebigen Regengüsse gegeben. "Unsere Städte sind zu Flüssen geworden", sagte der serbische Botschafter in Österreich, Pero Jankovic, zur APA. "Das können wir alleine nicht schaffen."

In Österreich hingegen hat sich der umfassende Hochwasserschutz dieses Jahr bewährt: Die Fluten zogen sich am Samstag zurück. Kaum ein Ort im niederösterreichischen Alpenvorland blieb allerdings verschont. Experten warnen vor neuen Murenabgängen (mehr dazu hier).

Bundesheer-Hubschrauber im Dauereinsatz

Vier österreichische Bundesheer-Hubschrauber haben in den vergangenen Tagen in 160 Einsätzen mehr als 800 Personen evakuiert. Drei Alouette 3 und ein Black Hawk haben laut Verteidigungsministerium am Sonntag seit Tagesanbruch in Maglaj, Tuzla und Zenica Schwangere, Dialyse-Patienten und vom Hochwasser eingeschlossen Frauen, Männer und Kinder ausgeflogen. Ein Ende des Einsatzes ist derzeit nicht absehbar.

Die Österreichische Wasserrettung entsendete Spezialteams aus Tirol, Salzburg, Kärnten und Wien. Evakuierungseinsätze werden mit einheimischen Guides abgewickelt, um den Ablauf der Einsätze zu erleichtern und beschleunigen. Bis Dienstag werde man vorraussichtlich im Einsatz sein, hieß es Sonntagabend.

Warnung vor weggespülten Landminen

Hochwasser und Schlammlawinen haben vermutlich auch Landminen weggespült. Das Minenaktionszentrum MAC warnte die Bevölkerung, dass die Sprengkörper aus dem Krieg in den 90er-Jahren Hunderte Kilometer unter anderem bis zum Schwarzen Meer geschwemmt werden könnten. Aus dem Krieg zwischen Serben, Kroaten und Muslimen liegen noch rund 120 000 Landminen in Bosnien-Herzegowina. Immer wieder kommt es zu tödlichen Unfällen. Die Gegenden um die Städte Doboj und Olovo, die jetzt besonders hart vom Hochwasser betroffen sind, sind noch stark vermint.

Schutzdämme überspült

Kritisch blieb es im Norden Bosniens, wo 10.000 Menschen aus ihren überfluteten Häusern in der Stadt Bijeljina gerettet werden sollten. Im Norden des Landes stieg in der Nacht auf Sonntag der Wasserstand der Save an der Grenze zu Kroatien, überspülte vielfach bereits die Schutzdämme. Insgesamt sei mit 1,2 Millionen Einwohnern ein Drittel der Bevölkerung dieses armen Balkanlandes von den Überflutungen in Mitleidenschaft gezogen, berichteten dortige Medien.

Erdrutsche drohen

Etliche Regionen Bosniens und Serbiens werden nun von Erdrutschen bedroht. Alleine in der weiterhin unter Wasser stehender Ortschaft Gracanica im Nordosten Bosniens wurden 300 Gefahrenstellen ausgemacht, in Westserbien waren die Gebiete um die Städte Bajina Basa, Valjevo und Pozega am stärksten bedroht.

Die Schäden allein in Serbien werden auf eine Milliarde Euro geschätzt. Serbiens Regierungschef Aleksandar Vucic bestätigte die Verhaftung von Geschäftsleuten, die die Notlage der Menschen ausgenutzt und die Preise für Mineralwasser und Lebensmittel um ein Vielfaches angehoben hätten. Zeitungen in Serbien kritisierten, dass die Meteorologen nicht rechtzeitig vor den Unwettern gewarnt hätten. Freiwillige, die von der Regierung in Belgrad an die Brennpunkte geschickt worden waren, klagten über die schlechte Organisation ihres Einsatzes.

Kurz in Kontakt mit Vucic

ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz ist mit dem serbischen Premierminister Aleksandar Vucic in Kontakt getreten, um den Bedarf Serbiens an Hilfsgütern in Zusammenhang mit der Hochwasserkatastrophe zu erheben. Vucic hatte wegen der Überschwemmungen einen Besuch in Wien und Niederösterreich, der am Sonntag und Montag stattfinden hätte sollen, abgesagt.

Kurz sicherte dem serbischen Premier wie auch dem ebenfalls schwer von den Fluten getroffenen Bosnien Österreichs Mitgefühl und Unterstützung zu. Der Außenminister sprach von einer "dramatischen Situation in Serbien und Bosnien". Die Koordination zwischen dem Innen-, dem Außen- und dem Verteidigungsministerium sei angelaufen, um die Hilfe möglichst effizient zu gestalten. Dem Außenministerium zufolge koordiniert das Innenministerium die österreichischen Maßnahmen, während die EU den Einsatz der verschiedenen Länder aufeinander abstimmt.

Hilfsaktionen in Wien

Auch in sozialen Netzwerken gab es Aufforderungen zur Hilfe. Unter dem Titel "Hilfsaktion für Flutopfer in Bosnien- und Herzegowina" haben sich auf Facebook mehr als 41000 Menschen gemeldet. Mehrere Organisationen sammeln am Samstag und Sonntag Sachspenden (Decken, Hygieneartikel, Trinkwasser etc.) beim Arbeiter-Samariterbund Landesverband Wien (15., Pillergasse 24).

Nach den starken Regenfällen der vergangenen Tage hatte sich Samstagmittag die Hochwassersituation in Niederösterreich entspannt. Die Pegelstände der über die Ufer getretenen Flüsse gingen langsam wieder zurück. Eine endgültige Entwarnung gab es am Samstag allerdings noch nicht. 1000 Feuerwehrleute, fast 300 Bundesheersoldaten und Hunderte freiwillige Helfer waren in den stark betroffenen Unwettergebieten in den Bezirken Lilienfeld, Amstetten, St. Pölten, Scheibbs und Neunkirchen mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Auch in Oberösterreich und der Steiermark mussten Keller ausgepumpt, Sturmschäden beseitigt und vermurte Straßen befreit werden.

Tonnenweise Schlamm

Hochbetrieb herrschte vor allem entlang des Pielach- und Traisentals in NÖ. In St. Veit an der Gölsen, Schrambach und Kleinzell, Bezirk Lilienfeld, halfen zwei Katastrophenhilfsdienstzüge des nö. Landesfeuerwehrverbandes den örtlichen Einsatzkräften beim Beseitigen der Schäden. Neben Auspumparbeiten mussten tonnenweise Schlamm und Unrat entsorgt werden. Auch in den Bezirken Neunkirchen und St. Pölten blieb der Katastrophenalarm am Samstag aufrecht. 287 Soldaten unterstützten die Straßenmeistereien, um überflutete Straßen befahrbar zu machen.

Überschwemmungen nach Dauerregen

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Kurze Aufregung herrschte, als ein Geländewagen im St. Pöltner Ortsteil Unterradlberg von einem überschwemmten Uferweg unter der Traisenbrücke in den Fluss getrieben wurde. Zum Glück konnte sich der 60-jährige Lenker noch selbst aus dem Fahrzeug befreien. Er kam mit leichter Unterkühlung ins Spital St. Pölten.

Bauern atmen auf

Die bisherige Wetterbilanz der ersten vier Monate 2014 spricht von extremer Trockenheit. Das heurige Jahr war – bis vor dem Starkregen-Ereignis der vergangenen Tage – in Nord- und Ostösterreich das Niederschlag ärmste seit mehr als 60 Jahren. Zudem liegt der zweit wärmste Winter und der zweit wärmste März seit Beginn der Wetteraufzeichnungen hinter uns.

Vor allem Most- und Weinviertel, das Nordburgenland, Teile des Wiener Beckens und Teile Oberösterreichs waren von der Trockenperiode betroffen. „Das Niederschlagsdefizit beträgt in diesen Regionen etwa 50 Prozent gegenüber dem langjährigen Durchschnitt“, erklärt Holger Starke, Meteorologe der Österreichischen Hagelversicherung.

Zwar bedeutet der starke Regen für die Landwirtschaft vorerst Entspannung, aber die lange Trockenheit hinterließ bereits ihre Spuren. Denn durch den verfrühten Vegetationsbeginn besteht zusätzlich das Risiko, dass Blüten durch einen plötzlichen Kaltlufteinbruch innerhalb von Minuten abfrieren.

Diese Sorgen braucht die Landwirtschaft in der kommenden Woche nicht zu haben. Denn das Wetter taumelt von einem Extrem in das andere. Heute Sonntag klingt der Regen am Nachmittag fast überall ab. Höchsttemperaturen: 20 Grad. Montag setzt sich überall die Sonne durch. Im Südwesten kann es noch vereinzelt regnen. Gewitter sind möglich. Das Thermometer klettert auf 23 Grad. Dienstag verwöhnt bundesweit die Sonne bei 27 Grad. Gleiches gilt für Mittwoch bei maximal 29 Grad. Meteorologe Martin Puchegger vom Wetterdienst Ubimet: „Und es kann den ersten 30iger geben.“

Besonders stark betroffen vom Hochwasser sind Bosnien und Serbien. Die Zahl der Toten stieg hier am Samstag Abend auf 30. Wenn Sie sich an einer Hilfsaktion beteiligen wollen, so können Sie das hier tun (siehe auch "Hilfe").

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