Chronik/Welt

Nach Benedikts Beerdigung: Ungewisse Zukunft für Georg Gänswein

Zwei Jahrzehnte hat sich Georg Gänswein Benedikt gewidmet. Nach der Beerdigung des emeritierten Papstes wird über die Zukunft seines Privatsekretärs spekuliert. Auszüge aus einem Buch mit dem Titel "Nient'altro che la verita" (Nichts anderes als die Wahrheit), in dem Gänswein seine Wahrheit über die Manöver darlegt, die während des Pontifikats gegen Benedikt XVI. in Gang gesetzt wurden, sorgen für Diskussionen. Gänsweins Tage im Vatikan könnten gezählt sein.

Vor dem Requiem für Benedikt XVI. beugte sich Gänswein am Donnerstagmorgen über den Sarg auf dem Petersplatz und küsste ihn. Sichtlich mitgenommen nahm der gebürtige Schwarzwälder am Altar an der Trauerzeremonie teil. Für ihn geht viel mehr als ein Lebensabschnitt zu Ende. Der Kirchenrechtler hat eine Vaterfigur und einen Mentor verloren, der seinen Lebenslauf zutiefst geprägt hat.

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In Ungnade gefallen

Gänswein scheut sich jetzt nicht davor, seine Wahrheit in einem Buch zu enthüllen, das bereits vor der Veröffentlichung für einen Eklat sorgt. Denn Gänsweins Stellungnahmen könnten zu weiteren Konflikten mit Franziskus führen. In dem im italienischen Verlag Piemme am 12. Jänner erscheinenden Buch, das Gänswein mit dem Vatikan-Experten Salvatore Gaeta verfasst hat, erklärt er sich "schockiert und sprachlos" über den vom amtierenden Papst Franziskus 2020 ergriffenen Beschluss, ihn vom Posten des Leiters der Präfektur des Päpstlichen Hauses zu entlassen.

Gänswein war in Ungnade gefallen, als Mitte Jänner 2020 ein Buch des traditionalistischen Kardinals Robert Sarah aus Guinea veröffentlicht wurde, das als gemeinsames Werk mit Benedikt gedruckt wurde. Darin verwarfen beide die Forderungen der Amazonassynode und forderten ein standhaftes Festhalten am Zölibat - es sah so aus, als wolle Benedikt kurz vor einer Schlüsselentscheidung im Pontifikat von Franziskus Druck auf seinen Nachfolger ausüben. Nach heftiger Kritik entzog Gänswein dem Kardinal die Erlaubnis, das Buch mit dem Namen Benedikts zu verbreiten.

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Deutlich wurde, dass Franziskus sich ziemlich geärgert haben musste - er beurlaubte kurz danach Gänswein als Präfekten des Päpstlichen Hauses und gab ihm die Anweisung, sich mehr um Benedikt zu kümmern. Die Beurlaubung gilt nach wie vor, die Stelle wurde aber bisher nicht nachbesetzt.

Rätselraten

Nun brodelt die Gerüchteküche. Laut Insidern könnte Gänswein Rom verlassen und ein Leben außerhalb der Vatikan-Mauern verbringen. So könnte er sich in die mittelitalienische Stadt Urbisaglia zurückziehen, wo er sein Titularbistum hat. Gänswein trägt wie alle Bischöfe an der römische Kurie den Bischofstitel, ohne eine Diözese als Ortsbischof zu leiten. Er ist seit 2012 Titularerzbischof der untergegangenen antiken Stadt Urbs Salvia, dem heutigen Urbisaglia in der Adria-Region Marche.

Auch über eine Rückkehr nach Deutschland, wo noch einige Mitglieder seiner Familie leben, wird spekuliert. In Bamberg und Paderborn werden derzeit noch Bischöfe gesucht. Rein dienstrechtlich ist Gänswein übrigens nach wie vor Priester der deutschen Erzdiözese Freiburg, wo er 1984 geweiht wurde. Andere Stimmen aus dem Vatikan halten es dagegen für möglich, dass er in Rom bleiben und an der Kurie eine andere Stelle bekommen könnte. In den Augen mancher wäre das eine bessere Besetzung für den theologieaffinen Kurienerzbischof als ein Bischofsamt in Deutschland.

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ranziskus könnte Gänswein im Vatikan behalten, um nicht zusätzliche Spannungen mit den Konservativen im Vatikan zu nähren, die Benedikt und seinem Privatsekretär nahe standen. Eine Rückkehr zum noch vakanten Posten des Präfekten des Päpstlichen Hauses wird ausgeschlossen, da Gänswein als vatikanischer Protokollchef Franziskus zu nahe stehen würde. Dass der in Riedern am Wald geborene Gänswein in den frühen Ruhestand gehen könnte, gilt als sehr unwahrscheinlich. Mit 66 Jahren ist er zu jung für den erzbischöflichen Ruhestand, denn der tritt in der Regel erst mit 75 Jahren ein.

Eine Zukunft als Apostolischer Nuntius könnte eine passende Lösung für Gänswein sein. Er würde somit weiterhin im Dienst des Vatikans stehen, ohne jedoch in Rom zu verweilen. Für den polyglotten Gänswein wäre ein Posten in Europa oder auf dem amerikanischen Kontinent die ideale Lösung, versichern Vatikan-Experten.

(von Micaela Taroni/APA)