Wegen "Hexerei": Maya-Priester bei lebendigem Leib verbrannt
Von Michael Hammerl
Eine Gruppe von mindestens 30 Personen – Erwachsene und Kinder – hat sich um einen 56-jährigen Mann geschart. Er ist gefesselt, wird mit Benzin übergossen und kurz darauf angezündet. Er verbrennt bei lebendigem Leib. Die Menge kreischt, johlt und jagt dem sterbenden Mann hinterher - bis er umfällt.
Geschehen: Am 6. Juni 2020 in Chimay, einem Dorf in Guatemala, Zentralamerika. Beobachter haben den Vorgang mitgefilmt, diverse Aufnahmen kursieren in sozialen Netzwerken. Das Opfer war Domingo Choc Che, ein traditioneller Maya-Priester, der hohes Ansehen genoss. Vier Täter – zwei Männer und zwei Frauen – sind laut Medienberichten mittlerweile wegen mutmaßlichen Mordes verhaftet worden.
Der Hexerei beschuldigt
Das angebliche Motiv erinnert an mittelalterliche Gräuel: Domingo Choc Che soll sich der Hexerei schuldig gemacht haben. UDEFEGUA, eine Menschenrechtsorganisation in Guatemala, sprach von einem „Verbrechen aus Hass und Fanatismus“. Die Zeitung Prensa Comunitaria hat den Vorfall analysiert. In Guatemala brodelt demnach ein Konflikt zwischen evangelikalen Kirchen, also diversen Pfingskirchen – die etwa auch in Brasilien an Bedeutung gewinnen und den Rechtspopulisten Jair Bolsonaro bei der der Präsidentschaftswahl unterstützten – und traditionellen Glaubensrichtungen.
Diese fanatischen Christen stehen in einem Konkurrenzkampf mit den traditionellen Religionen und Praxen – zu denen eben auch der Maya-Glauben und die Maya-Heilkunde zählen. Domingo Choc Che wollte diese Heilkunde am Tag vor seiner Hinrichtung bei einem chronisch Kranken einsetzen. Der Mann starb kurz darauf, der Maya-Priester wurde von einem wütenden Mob für dessen Tod verantwortlich gemacht und gelyncht. Die Maya-Heilkunde legt ihren Fokus vor allem auf Kräuter und Tees, in Verbindung mit traditionellen Ritualen.
"Maya-Leben zählen"
Wie das deutsche Online-Portal amerika21 berichtet, fand am 10. Juni in Guatemala-Stadt wegen der grausamen Tat eine Zeremonie in Anlehnung an die Black-Lives-Matter-Bewegung unter dem Banner „Las Vidas Mayas importan“ statt. Übersetzt: „Maya-Leben zählen“.
Domingo Choc Che war auch in Europa kein Unbekannter. Er arbeitete unter anderem an einem transdisziplinären Projekt über Naturheilkunde an der Universität Zürich. Er gehörte zu einem Interessensverband von Mayapriestern, war Mitarbeiter des Menschenrechtsbüros des Erzbischofs von Guatemala und kooperierte zudem mit der Londoner Universität UCL für ein pharmazeutisches Projekt zu pflanzenbasierter Medizin.