Warum Afghanistans Ex-Finanzminister in Washington Taxis fährt
Von Irene Thierjung
"Wenn ich in den nächsten zwei Tage 50 Fahrten schaffe, bekomme ich 95 Dollar Bonus", sagt Khalid Payenda. Der 40-Jährige sitzt am Steuer eines Honda Accord, den er durch die Straßen Washingtons lenkt. Sein Handy hat Payenda immer dabei, denn er arbeitet als Fahrer für Uber und bekommt seine Passagiere über eine App. 150 Dollar verdient er in einer durchschnittlichen Nacht inklusive Trinkgeldern, wie der Afghane der Washington Post erzählte; die Kosten für die Anreise zum Dienstort noch nicht eingerechnet.
Vor einem Jahr sah Payendas Leben noch ganz anders aus. Er war seit Ende 2020 der Finanzminister seines Heimatlandes in der Regierung von Präsident Ashraf Ghani - und damit Herr über ein Budget von sechs Milliarden US-Dollar.
Als die radikal-islamischen Taliban im August 2021 die Macht im Land übernahmen, war Payenda bereits auf dem Weg in sein neues Leben. Eigenen Angaben zufolge hatte er sich mit Ghani überworfen und Angst, aus fadenscheinigen Gründen ins Gefängnis geworfen zu werden.
Kurz vor dem Fall Kabuls setzte sich Payenda in ein Flugzeug in die USA, wo er bereits als Student einige Zeit gelebt hatte. Seine Frau und die vier Kinder waren eine Woche zuvor dorthin gereist. Auch Präsident Ghani setzte sich ins Ausland ab und floh vor den anrückenden Taliban in die Vereinigten Arabischen Emirate - angeblich mit 169 Millionen Dollar aus der Staatskasse.
"Ein Kartenhaus"
Er sei dankbar, den Lebensunterhalt für seine Familie bestreiten zu können, sagt Payenda zur Washington Post. Er fühle sich aber seltsam leer dabei und mitverantwortlich für die Lage in Afghanistan, wo die Taliban eine rigide Diktatur errichteten und eine humanitäre Krise Millionen Menschen hungern lässt.
Politiker wie er hätten dabei versagt, wirkliche Veränderungen herbeizuführen, sagt er, aber auch die USA trügen Schuld: "Alles, was wir errichteten, war ein Kartenhaus, gebaut auf Korruption. Und es fiel zusammen."