Was die „Überlebensfrage“ der Klimakonferenz ist
Johannes Wahlmüller ist der Grund, warum Leonore Gewessler, Österreichs Klimaministerin, bis heute noch nie bei einer der vergangenen 25 Klimakonferenzen war.
Wahlmüller ist Global2000-Aktivist und -Experte für Klimaschutz und Klimakonferenzen, und als solcher war es der österreichischen Umweltorganisation immer wichtiger, dass er mitfährt, und nicht die Geschäftsführerin. Die hieß bis 2019: Leonore Gewessler.
Heute Abend wird Gewessler aber ihre Premiere bei einer COP, wie die Klimakonferenz im Fachjargon heißt, geben (siehe unten). Für Wahlmüller ist es die bereits zehnte „COP“. Und er ist wieder nicht sonderlich optimistisch, was in der entscheidenden letzten Woche als Ergebnis übrig bleiben wird.
Klimaziele der Staaten „Viele Staaten haben neue, höhere Ziele eingemeldet, doch das sind oft nur vage Zusagen, wo kein Konzept dahinter steht“, erklärt der Experte. Viele würden etwa Klimaneutralität bis 2050 ankündigen, tatsächlich aber die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 noch deutlich erhöhen.
„Die meisten Umweltschutz-Organisationen haben geahnt, dass viele Staaten zwar tolle Versprechen abgeben, aber eigentlich nur, um davon abzulenken, was sie tatsächlich bis 2030 machen werden.“ Das seien also nur Lippenbekenntnisse, es werde „Greenwashing“ betrieben. Gemeint sind damit PR-Methoden, die darauf abzielen, einer Firma oder einem Land in der Öffentlichkeit ein verantwortungsbewusstes, umwelt- und klimafreundliches Image zu verleihen, ohne dass es dafür eine faktische Grundlage gibt. Die EU, die bis 2050 klimaneutral sein will, nimmt Wahlmüller hier aus – „da stehen konkrete Konzepte dahinter“.
Als „Überlebensfrage der COP“ sieht Wahlmüller die Frage der kommenden acht Jahre bis 2030: „Da hat die UNO berechnet, dass wir bei Treibhausgasen ein Plus von 16 Prozent haben werden. Damit die Klimaziele von Paris, etwa das 1,5-°C-Ziel, am Leben bleibt, bräuchten wir aber ein Minus von 50 Prozent. Die Staaten müssten also jetzt ihre Klimapläne überarbeiten.“
Klimafinanzierung „Eigentlich sollten seit 2020 rund 100 Milliarden Dollar jährlich zur Verfügung stehen. Das Ziel wird wohl erst 2023 erreicht. Das andere Problem ist, dass das Geld oft nur in Form von Krediten für Entwicklungsländer fließt, also gar keine echten Hilfsgelder sind.“ Offen sei außerdem, wer Zugriff bekommen soll – und wofür genau. Angedacht waren einerseits Finanzierung für Schutzmaßnahmen (Dämme), andererseits für Fotovoltaik und Windkraft.
Emissionshandel Beim internationalen Handel mit Verschmutzungsrechten müsse gewährleistet werden, dass dieser unterm Strich dem Klima hilft. Das sei derzeit alles andere als gesichert.
Wahlmüller sieht auch die meisten der angekündigten Initiativen kritisch, etwa zum Abholzungsstopp bis 2030 oder der Methan-Reduktion um ein Drittel: „Deshalb geht’s jetzt ums Kleingedruckte.“