Chronik/Welt

Ganze Landstriche von Polen bis Rumänien unter Wasser, mehrere Tote

Dramatische Lage auch in den Hochwassergebieten in Polen, Tschechien und Rumänien: Sintflutartiger Regen hat am Wochenende ganze Landstriche unter Wasser gesetzt, mindestens sieben Menschen kamen bis Sonntag in den Fluten ums Leben. Auch in Ungarn starke Unwetter und Überschwemmungen. 

In Tschechien wurden inzwischen zwei weitere Tote bestätigt. Damit liegt die Zahl der bestätigten Todesfälle nun bei drei, mindestens sieben weitere Menschen gelten als vermisst. Regierungschef Petr Fiala sprach schon von einem Jahrhunderthochwasser an vielen Flüssen im Osten des Landes. In der drittgrößten Stadt Ostrava, wo Oder und andere Flüsse zusammenfließen, ist die Lage kritisch. Bewohner wurden teilweise mit Schlauchbooten und Hubschraubern in Sicherheit gebracht. Katastrophenhelfer versuchten, die Bruchstellen in den Deichen mit Steinen aufzufüllen. Die Bergbau- und Industriestadt knapp 280 Kilometer östlich von Prag hat rund 285.000 Einwohner. Ein Kraftwerk musste abgeschaltet werden.

In Litovel an der March (Morava) waren nach Einschätzung der Behörden rund 80 Prozent des Stadtgebiets überflutet. Seit Ende vergangener Woche sind in den östlichen Sudeten bis zu 500 Liter pro Quadratmeter Regen gefallen. In Bergen im Norden des Landes sind es 300 bis 400 Liter, in anderen Gebieten Tschechiens bis zu 200 Liter pro Quadratmeter gewesen.

Die Regierung in Prag schloss den Einsatz der Armee. Es sei geplant, dass bis zu 2.000 Soldaten mit entsprechender Technik die zivilen Behörden bis Ende Oktober unterstützen, teilte die tschechische Verteidigungsministerin Jana Cernochova auf X mit. Armeehubschrauber sollen Menschen in den am stärksten betroffenen Regionen im Nordosten Tschechiens mit Trinkwasser und Lebensmitteln versorgen. Soldaten sollen zudem bei den Aufräumarbeiten nach der Flut helfen.

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Dramatische Lage in Polen

Polen rief den Katastrophenzustand für seine Hochwassergebiete aus. Der polnische Regierungschef Donald Tusk hat für die Hochwasseropfer im Südwesten des Landes die Bereitstellung von Hilfsgeldern in Höhe von einer Milliarde Zloty (rund 240 Millionen Euro) angekündigt. Es werde auch Hilfen für den Wiederaufbau zerstörter Häuser geben, sagte er am Montag bei der Sitzung des Krisenstabs in Breslau (Wroclaw). Geschädigte könnten ab sofort Anträge bei den Gemeindeverwaltungen stellen, so Tusk. Tusk sagte, er werde noch am Montag mit seinen Amtskollegen in Österreich, Tschechien und der Slowakei sprechen, um sich gemeinsam um EU-Finanzmittel zur Bewältigung der Hochwasserschäden zu bemühen.

In der Kleinstadt Paczkow im Südwesten Polens kündigte unterdessen der Bürgermeister nach dem Riss in der Staumauer eines Stausees die sofortige Evakuierung der tiefer gelegenen Ortsteile an. "Niemand kann garantieren, dass sich der Schaden nicht verschlimmert", warnte er in einem Aufruf in sozialen Medien. Er rief alle Bewohner, die evakuiert werden müssen, auf, sich zu melden, und bat diejenigen, deren Häuser und Wohnungen noch nicht vom Wasser erreicht wurden, sich in sichere Gebiete der Stadt zu begeben. Nachdem ein Aufruf, die Gebäude freiwillig zu verlassen, nicht befolgt worden sei, habe er sich nun zur Zwangsevakuierung entschlossen, sagte Bürgermeister Artur Rolka im polnischen Fernsehen. Der betroffene Stausee wurde oberhalb von Paczkow an der Glatzer Neiße, einem Zufluss der Oder, errichtet.

"Wir gehen unter": Polen berät über Katastrophenzustand

Im Südwesten Polens hat das Hochwasser des Flusses Biala die Wälle und Dämme in den Städten Glucholazy und Ladek Zdroj überflutet. "Wir gehen unter", sagte der Bürgermeister von Glucholazy und rief die Bewohner auf, sich in Sicherheit zu bringen. Tausende Menschen mussten am Wochenende evakuiert werden. Das Untergeschoss des örtlichen Krankenhauses wurde einem Krankenpfleger zufolge überflutet. 

Die Behörden riefen die Armee zu Hilfe. Der Zugverkehr zwischen Polen und Tschechien wurde eingestellt.

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Der Katastrophenzustand in Polen, wo es vier der bestätigten Todesopfer gab, gilt für einen Zeitraum von 30 Tagen für Teile der Woiwodschaften Niederschlesien, Schlesien und Oppeln. Er gibt den Behörden mehr Befugnisse, Anordnungen zu erlassen, da die bürgerlichen Freiheiten und Rechte vorübergehend eingeschränkt werden. Beispielsweise können die Behörden leichter anordnen, dass bestimmte Orte, Gebiete oder Einrichtungen evakuiert werden müssen. Sie können auch verbieten, dass sich Bürger an bestimmten Orten aufhalten.

Trinkwasser benötigt

Anhaltende Regenfälle hatten im Südwesten Polens an der Grenze zu Tschechien zum Hochwasser geführt. In der niederschlesischen Kleinstadt Klodzko standen ganze Straßenzüge unter Wasser, hier gab es auch ein Todesopfer. Das Dorf Glucholazy in der Region Oppeln wurde von Wassermassen verwüstet. In der Kleinstadt Nysa in der Region Oppeln drang das Wasser auf der Glatzer Neiße in das örtliche Kreiskrankenhaus ein. Die Klinik wurde mittlerweile komplett evakuiert, wie der nationale Gesundheitsdienst NFZ mitteilte.

Der Bürgermeister von Klodzko, Michal Piszko, sagte, dass sich die Lage zwar entspanne, aber weiter Hilfe benötigt werde. "Wir brauchen dringend Trinkwasser und haltbare Lebensmittel, da wir eine Anlaufstelle für Flutopfer eingerichtet haben, die aus den betroffenen Gebieten evakuiert wurden", sagte er dem Radiosender RMF FM. Die Kinder würden voraussichtlich bis Ende der Woche nicht in die Schule gehen und derzeit sei die Hälfte der Stadt ohne Strom. Die polnische Bildungsministerin Barbara Nowacka teilte mit, dass etwa 420 Schulen in vier Provinzen geschlossen wurden.

Flutwelle in Niederschlesien vorausgesagt

Die Stadt Breslau (Wroclaw) in Niederschlesien bereitete sich indes auf eine Flutwelle vor. Bürgermeister Jacek Sutryk rief Hochwasseralarm für die Stadt an der Oder aus. Zu den damit verbundenen Sicherheitsmaßnahmen gehörten die Überwachung der Deiche rund um die Uhr, die Kontrolle und der Schutz von Kanälen sowie die Schließung von Deichübergängen, sagte Sutryk.

Voraussichtlich wird die Flutwelle Breslau am Mittwoch erreichen. Die bisherigen Prognosen, wonach Breslau nicht so stark betroffen seien werde, seien korrigiert worden, sagte der Bürgermeister. Voraussichtlich werde die Flut aber nicht so hoch wie beim Oderhochwasser 1997. Damals wurde ein Drittel der Stadt überflutet.

Mindestens sechs Tote in Rumänien

In Rumänien, wo am Wochenende Dörfer und Städte überflutet wurden, kamen über das Wochenende im Karatenland sechs Menschen ums Leben. Am Montag sei das siebente Opfer im ostrumänischen Dorf Grivita nahe der Stadt Galati gefunden worden, berichtete die rumänische Nachrichtenagentur Mediafax unter Berufung auf den Katastrophenschutz. Rund 6.000 Bauernhäuser wurden vom Hochwasser erfasst, viele liegen in abgelegenen Dörfern. Menschen kletterten auf Hausdächer, um nicht von den Fluten mitgerissen zu werden. Hunderte Feuerwehrleute waren im Einsatz. Der Bürgermeister der Stadt Slobozia Conachi, Emil Dragomir, sagte zum Fernsehsender Digi24: "Wenn Sie hier wären, würden Sie sofort weinen. Die Menschen sind verzweifelt, ihr gesamtes Lebenswerk ist zerstört. Manche haben nur noch die Kleidung, die sie am Leib tragen."

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Evakuierung in Ostrava angeordnet

In ganz Tschechien wurde am Montag mit weiterem Regen gerechnet, der im Süden auch intensiv ausfallen kann.  In Jesenik mussten die Einsatzkräfte Hunderte Menschen mit Booten und Hubschraubern aus den Fluten retten. Nach dem Abfluss der Wassermassen drohten vielerorts Erdrutsche.

Wegen akuter Überflutungsgefahr wurden mittlerweile in Ostrava, der drittgrößten Stadt Tschechiens, die Evakuierungen ausgeweitet. "In mehreren Stadtteilen ist es offensichtlich zu Deichbrüchen gekommen", sagte Umweltminister Petr Hladik nach einer Krisensitzung. Die Bewohner wurden teilweise mit Schlauchbooten in Sicherheit gebracht. Durch die Risse sollen Schätzungen zufolge rund 100 Kubikmeter Wasser pro Sekunde strömen. Es soll versucht werden, die Lücken mit Steinen aufzufüllen.

Ostrava mit rund 285.000 Einwohnern liegt am Zusammenfluss mehrerer Flüsse, darunter der Oder und der Opava.

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Hochwasserwarnstufe in Dresden

In Dresden wurde am Sonntagabend die zweite Hochwasserwarnstufe ausgerufen. Dort ist der Wasserspiegel der Elbe schon mehr als viermal so hoch wie der dortige Normalstand von 1,42 Metern, im Tagesverlauf wurde mit einem Überschreiten der Sechs-Meter-Marke gerechnet. Bei der Jahrhundertflut 2002 waren es 9,40 Meter.

Die Aufräumarbeiten an der teilweise eingestürzten Carolabrücke in Dresden waren am Samstagabend vorläufig abgeschlossen worden. In der Nacht zum Mittwoch war der C-Brückenteil der Carolabrücke, auf dem normalerweise die Straßenbahn verkehrt, auf einer Länge von etwa hundert Metern in die Elbe gestürzt. Die genaue Ursache ist noch unklar. Seit Freitag wurden die Uferbereiche unterhalb der Brücke beräumt. Der Brückenteil, der in die Elbe gestürzt ist, soll hingegen zunächst dort verbleiben.

An der Lausitzer Neiße bei Görlitz und bei Passau begannen die Pegel am Sonntag wieder zu sinken.

In Deutschland richtet sich der bange Blick auf Tschechien und die Elbe. Wassermassen aus dem Nachbarland erreichen mit Zeitverzögerung Deutschland. 

Orban-Auftritt in Straßburg verschoben 

Auch Ungarn ist derzeit von starken Unwettern und Überschwemmungen betroffen. Ministerpräsident Viktor Orban dürfte diese Woche daher doch nicht wie geplant vor den Abgeordneten des EU-Parlaments in Straßburg reden. "Aufgrund der extremen Wetterbedingungen und der anhaltenden Überschwemmungen in Ungarn habe ich alle meine internationalen Verpflichtungen verschoben", schrieb der ungarische Regierungschef am Montag auf der Onlineplattform X.

Am Mittwoch hätte der mit der EU oft über Kreuz liegende Rechtspolitiker das Programm der rotierenden sechsmonatigen Ratspräsidentschaft Ungarns vorstellen sollen. Unter EU-Beobachten erwarteten viele, dass es hierbei zu einem Schlagabtausch zwischen Orban und Teilen des EU-Parlaments kommen würde. Orban stand immer wieder in der Kritik wegen seiner Politik, die als freundlich gegenüber dem russischen Autokraten Wladimir Putin gewertet wird.