High-Tech-Gentechnik gegen die Natur: Der Kampf um Patente in der Pflanzenzucht
Von Bernhard Gaul
Die CRISPR/Cas-Technologie, auch als Gen-Schere bekannt, wurde 2020 mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet – aus gutem Grund: Die Gen-Schere hat die Gentechnik revolutioniert, indem sie präzise und gezielte Veränderungen im Erbgut von Organismen ermöglicht.
Während diese Technologie ursprünglich als Werkzeug zur Verbesserung von Pflanzen und zur Bekämpfung von Krankheiten gefeiert wurde, zeigt sich in jüngerer Zeit eine aus Sicht ziviler Organisationen besorgniserregende Entwicklung: Die zunehmende Patentierung von Pflanzen, die mittels CRISPR und anderen neuen gentechnischen Verfahren (NGT) modifiziert wurden, gefährdet die konventionelle Pflanzenzucht. Dies führt zu erheblichen rechtlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen für Samen-Züchter und Landwirte, die herkömmliche Züchtungsmethoden verwenden.
EU-Patent auf Züchtungen
Patente auf Pflanzensorten und konventionelle Züchtung sind in Europa grundsätzlich verboten, um die genetische Vielfalt und den Zugang zu Saatgut zu sichern. Allerdings existiert eine Ausnahme für gentechnische Verfahren. Diese Lücke wird zunehmend von großen Agrarkonzernen ausgenutzt, um Patente auf Pflanzen anzumelden, die aus Sicht der NGO eigentlich durch konventionelle Methoden gezüchtet wurden.
Missbrauch der CRISPR/Cas-Technologie
Die neuesten Berichte von Organisationen wie „Keine Patente auf Saatgut!“ wollen un entdeckt haben, wie Unternehmen genetische Merkmale, die in existierenden Pflanzen vorkommen, mithilfe von CRISPR/Cas „neu erfinden“ und diese als technische Erfindungen patentieren lassen.
Diese Patente erstrecken sich oft auch auf konventionell gezüchtete Pflanzen, obwohl dies, so der Vorwurf, gegen europäisches Patentrecht verstößt. So seien bereits Patente auf eine Vielzahl von Pflanzenarten wie Tomaten, Karotten und Mais erteilt worden, die eigentlich durch zufällige, nicht patentierbare Mutationen entstanden sind und nun unter Patentschutz stehen.
Der Vorwurf: Das Europäische Patentamt (EPA) habe in den letzten Jahren mehrere Patente erteilt, die genetische Variationen und zufällig mutierte Pflanzen als technische Erfindungen klassifizieren. Diese Praxis steht im Widerspruch zu früheren Entscheidungen, die konventionelle Züchtung und zufällige Mutagenese (Änderung des genetischen Codes) von der Patentierbarkeit ausschlossen.
Die aktuellen Entscheidungen des EPA würden aber eine schleichende Erweiterung des Patentrechts zeigen, die die Freiheit konventioneller Züchter erheblich einschränkt.
Das habe eine Reihe von rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen.
- Rechtsunsicherheit: Züchter müssen eine Vielzahl von Patenten prüfen und riskieren, gegen bestehende Patente zu verstoßen, selbst wenn sie keine gentechnischen Methoden anwenden.
- Marktkonzentration: Große Agrarunternehmen wie Bayer, BASF und Syngenta dominieren den Markt und schaffen Abhängigkeiten für kleinere Züchter.
- Erschwerte Züchtungsarbeit: Die Entwicklung neuer Pflanzensorten wird behindert, da konventionelle Züchter möglicherweise mehrere Lizenzen erwerben müssen, um rechtlich abgesichert zu sein.
Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, fordern Experten und Organisationen klare rechtliche Regelungen. Die EU müsse sicherstellen, dass Patente ausschließlich auf gentechnische Verfahren beschränkt bleiben und keine konventionellen Züchtungsmethoden umfassen.
Österreich habe bereits erfolgreich sein Patentrecht geändert, um Patente auf natürliche Phänomene wie Kreuzung und Selektion zu verbieten. Eine ähnliche Anpassung der EU-Patentrichtlinie 98/44 sei nun notwendig, um die Vielfalt und Unabhängigkeit der europäischen Pflanzenzüchtung zu bewahren. Denn ohne rechtzeitige und klare gesetzliche Maßnahmen könnte die Zukunft der europäischen Landwirtschaft in den Händen weniger großer Konzerne liegen, so die Kritik, was langfristig die genetische Vielfalt und die Ernährungssicherheit gefährde.