Toter Ex-Politiker in Tirol: Zwölf Jahre Haft für Angeklagten
Von Christian Willim
Tagelang war der Völser Ex-Vizebürgermeister Walter Kathrein vergangenes Jahr vermisst. Die Leiche des 75-Jährigen wurde schließlich am 6. Dezember in einem desolaten Nebengebäude auf dem Grundstück eines 52-Jährigen gefunden. Der musste sich am Donnerstag am Landesgericht Innsbruck vor Geschworenen in einem Mordprozess verantworten.
Erschütternd waren dabei nicht nur die Details der Tat, die der Angeklagte gestanden hat, sondern auch die Umstände, die den Mann an diesen Punkt seines Lebens geführt hatten. Sie wurden intensiv erörtert, da die Verteidigung das Gutachten von Gerichtspsychiaterin Adelheid Kastner anzweifelte.
Entgegen erster Verdachtsdiagnosen von Polizeiarzt und Psychiatern in Innsbruck und Hall steht für die bekannte Ärztin nämlich fest: „Er hat keine Schizophrenieerkrankung und er hat keine Wahnerkrankung“. Kastner erklärte vor Gericht ausführlich, warum der Angeklagte aus ihrer Sicht bei der Tat zurechnungsfähig war.
Verteidiger Albert Heiss zeigte sich hingegen überzeugt, dass sein Mandant krank ist und deshalb nicht verurteilt werden könne. Er müsse in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen werden, habe vor und nach der Tat Suizidversuche unternommen.
„Eruptiver Ausbruch“
Einig waren er und Kastner sich über die Tragik der Biografie des 52-Jährigen und dass sie bei der Tat eine Rolle gespielt haben dürfte. Das Leben des Mannes sei eine „Aneinanderreihung von Schicksalsschlägen, Mühsal und Einsamkeit“ gewesen, so Kastner. Was sich am 29. November 2023 bei einem Besuch von Kathrein im Haus des Angeklagten ereignet hat, nennt sie einen „eruptiven Ausbruch“.
Man habe zunächst Kaffee getrunken, schilderte der Angeklagte. Dann habe er seinen Besucher gefragt, was der am Wochenende mache, worauf der 75-Jährige verärgert reagiert habe.
Ein Moment, in dem der 52-Jährige womöglich zum Schluss gekommen ist, dass der Ex-Politiker nicht sein Freund sei, so Kastner, sondern andere Interessen verfolgte. Denn der Ex-Politiker soll den Mann zuvor gedrängt haben, Grundstücke zu verkaufen, andernfalls würden sie zurückgewidmet, so der Angeklagte.
Wer Suizid-Gedanken hat, sollte sich an vertraute Menschen wenden. Oft hilft bereits das Sprechen über die Gedanken dabei, sie zumindest vorübergehend auszuräumen. Wer für weitere Hilfsangebote offen ist, kann sich an die Telefonseelsorge wenden: Sie bietet schnelle erste Hilfe an und vermittelt Ärzte, Beratungsstellen oder Kliniken. Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Depressionen betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge in Österreich kostenlos unter der Rufnummer 142.
Das neue österreichische Suizidpräventionsportal www.suizid-praevention.gv.at bietet Informationen zu Hilfsangeboten für drei Zielgruppen: Personen mit Suizidgedanken, Personen, die sich diesbezüglich Sorgen um andere machen, und Personen, die nahestehende Menschen durch Suizid verloren haben. Das Portal ist Teil des österreichischen Suizidpräventionsprogramms SUPRA des Gesundheitsministeriums.
Der war 12 Jahre alt, als sein Vater starb. Schon zuvor legte er sich zu den Schweinen am Hof, um soziale Wärme zu erfahren. Als der Bub 13 war, nahm sich zunächst die Mutter und dann die Schwester das Leben. Von da an sei er „mutterseelenallein in der Welt“ gewesen, erklärt die Gerichtspsychiaterin.
Gleichzeitig erbte er große Liegenschaften, war aber überfordert. In einen normalen Alltag fand der Mann nie. Bekanntschaften hätte er immer wieder als Freundschaften interpretiert und sei dann enttäuscht worden. Kathrein habe vermutlich „den letzten Tropfen in ein Fass geschüttet, das schon voll war.“
Mehrmals zugeschlagen
„Voller Wut habe ich das erstbeste Werkzeug genommen und es ihm auf den Schädel geschlagen“, so der 52-Jährige. Der erste Hieb sei dermaßen fatal gewesen, „dass ich mir gedacht habe, da ist nichts mehr zu machen.“ Deshalb habe er noch zwei, drei Mal zugeschlagen.
Nachdem der Mann geständig war, kamen die Geschworenen schnell zu einer Entscheidung: Der Mann wurde zu zwölf Jahren unbedingter Haft verurteilt. Der Wahrspruch der acht Geschworenen hinsichtlich der Hauptfrage, ob der Angeklagte des Mordes schuldig sei, fiel einstimmig aus.
Das Urteil war vorerst nicht rechtskräftig. Staatsanwaltschaft wie Verteidigung gaben zunächst keine Erklärung ab.