Schlag gegen Bandidos in Tirol: Riesiger Suchtgifthandel aufgedeckt
Von Christian Willim
Mit einem Schlag gegen die Rockergruppierung Bandidos haben Ermittler "einen jahrelang bestehenden Suchtgifthandel aufgedeckt und beendet", erklärte Tirols Landespolizeidirektor Helmut Tomac am Freitag bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz.
Über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren sollen - bei nahezu wöchentlichen Autofahrten - 150 Kilo Kokain von Italien über den Brenner nach Tirol geschmuggelt und hier verkauft worden sein. Straßenverkaufswert der Drogen: 9 Millionen Euro.
Letztes Jahr im Sommer sind bei der Polizei Hinweise auf die Aktivitäten des Drogenrings eingegangen. "Wir haben daraufhin eine eigene Ermittlungsgruppe aufgestellt", berichtete LKA-Leiterin Katja Tersch.
18 Verhaftungen
Im Fokus stand ein 37-jähriger Österreicher, der als führendes Mitglied der Rockergruppierung Bandidos gilt. Der Mann wurde am 6. März gemeinsam mit einem 43-jährigen Österreicher, ebenfalls ein Bandido, bei einer Drogenfahrt auf der Brennerautobahn bei Schönberg festgenommen. Sie hatten 600 Gramm Kokain dabei.
In der Folge wurden 16 weitere Personen verhaftet, 12 Männer im Alter von 23 bis 59 Jahre und 4 Frauen im Alter von 29 bis 36 Jahren. Vier dieser Verdächtigen gelten als sogenannte "Supporter" der Bandidos.
Die Bandidos haben bereits im vergangenen Sommer in Tirol für Schlagzeilen gesorgt, nachdem sie in der 14.000-Einwohner-Gemeinde Wörgl (Bezirk Kufstein) ein Klublokal eröffnet hatten. Die Rocker würden aber "keine Probleme machen", gab damals Bürgermeister Michael Riedhart gegenüber der Tiroler Tageszeitung zu Protokoll.
Die Realität war ein andere. In dem Klublokal hielten die Hauptbeschuldigten Treffen mit Bandidos-Mitgliedern aus dem In- und Ausland ab. Laut Tersch gab es aber auch "öffentliche Veranstaltungen, um Mitglieder zu werben und die Expansion voranzutreiben."
"Viele haben sich gefürchtet"
Die Räumlichkeiten seien inzwischen bereits wieder geschlossen. Das bestätigt ein KURIER-Lokalaugenschein am frühen Freitagnachmittag. Kurz zuvor sollen zwei Männer mit einem Lkw Mobiliar abgeholt haben, berichtet ein Mann aus der Nachbarschaft, der erzählt: „Viele haben sich gefürchtet, ich nicht.“
Er sei auch selbst schon in dem Klublokal zu Gast gewesen, in dem auch immer wieder Rocker aus der Schweiz oder den Niederlanden gefeiert hätten. Der Treff liegt direkt an der Hauptdurchzugsstraße von Wörgl – ums Eck der Stadtpolizei.
Monatelang abgehört und observiert
Die kriminelle Gruppe wurde über Monate hinweg überwacht, wie Hansjörg Mayr, Sprecher des Staatsanwaltschaft, Innsbruck berichtet. Zunächst seien die Telefone von vier Männern aus der Rockerszene abgehört worden. Letztlich seien 16 Telefonanschlüsse überwacht und 18 Personen obeserviert worden.
Neun Verdächtige sind derzeit in Untersuchungshaft. Sie müssen bei einer Verurteilung mit einer Haftstrafe von bis zu 15 Jahren rechnen.
Die Ermittler gehen davon aus, dass im Überwachungszeitraum 14 Drogenfahrten aus Italien stattgefunden haben. Der Ermittlungserfolg bedeutet für sie aber nicht nur die Unterbindung eines intensiven Suchtgifthandels.
"Es konnte verhindert werden, dass ein offizielles Chapter der Bandidos MC eingerichtet werden konnte", so Tersch. Bis dato habe es sich um ein sogenanntes "Ghost-Chapter" gehandelt, dem noch die offizielle Anerkennung gefehlt habe, wie sie gegenüber dem KURIER beschreibt.
Die Hauptverdächtigen seien Mitglieder bei Chaptern im Ausland gewesen. Dass die Rocker ihre Finger in weiteren Bereichen - etwa Waffenhandel oder Prostitution - hatten, scheint nicht der Fall gewesen zu sein.
Auch gibt es keine Hinweise auf Verbindungen zu jener Bandidos-Gruppe, die im vergangenen Jahr in Ostösterreich aufgeflogen ist. Bei dieser wurden große Mengen an Waffen sichergestellt und Verbindungen in die rechtsextreme Szene nachgewiesen.
Internationaler Drogenhandel
Erst im Jänner konnte die Polizei in Vorarlberg einen bedeutenden Schlag gegen den internationalen Drogenhandel vermelden. Bei einem grenzüberschreitenden in Vorarlberg, der benachbarten Schweiz und in der Steiermark wurden damals zwölf Verdächtige festgenommen. Unter ihnen: Zwei "führende Mitglieder einer in Vorarlberg ansässigen Rockergruppierung", wie es damals hieß.
Dass es sich dabei um Mitglieder der Hells Angels, der Rivalen der Bandidos, handeln soll, wollten auf KURIER-Anfrage weder Landeskriminalamt noch Staatsanwaltschaft bestätigten. Man hielt sich bedeckt.
Der ausgehobenen Drogenring soll in den vergangenen Jahren etwa 100 Kilogramm Kokain und eine halbe Tonne Cannabis gehandelt haben. Das Kokain soll dabei vorwiegend in den Niederlanden und Belgien bezogen und an Abnehmer in Österreich, Deutschland und der Schweiz verkauft worden sein.
Das Cannabis wurde laut den Ermittlern größtenteils aus Spanien importiert, aber zum Teil auch in eigens angelegten Plantagen in der Schweiz und in Österreich von den Tatverdächtigen selbst hergestellt. Bei den Festgenommenen handelte es sich um elf österreichische und einen kroatischen Staatsangehörigen im Alter zwischen 26 und 66 Jahren.
Der großangelegten Polizeiaktion waren jahrelange Ermittlungen des Landeskriminalamtes Vorarlberg und des Bundeskriminalamtes in Wien vorausgegangen.