Chronik/Steiermark

"Hitlers Exekutive": Die Grazer Polizei und ihre Rolle im Holocaust

Parkring 4, direkt neben dem Grazer Stadtpark. Dort hat die Landespolizeidirektion Steiermark ihr Ämtergebäude, Grazerinnen und Grazer, die einen neuen Pass brauchen oder einen Führerschein, kennen diese Adresse.

"Dort geht man so oft vorbei", überlegt auch Uni-Professorin Barbara Stelzl-Marx, Leiterin des Ludwig Boltzmann Institutes für Kriegsfolgenforschung. "Ohne zu wissen, dass das ein Ort des Schreckens war mit Abertausenden Opfern."

Im NS-Regime gehörte das Gebäude am Parkring 4 der Gestapo

Zwei Jahre lang forschte ein Historiker-Team um Stelzl-Marx an der Aufarbeitung eines "dunklen Themas", wie es die Grazer Professorin nennt: Die Rolle der österreichischen Polizei im Nationalsozialismus sei bis dahin in der Forschung unterrepräsentiert gewesen.

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) machte den Wissenschafterinnen und Wissenschaftern den Weg frei zu Akten, die bis dahin verborgen in Kellern des Ministeriums oder der Landespolizeidirektionen lagerten.

Aus der Fülle an Akten und Forschungsergebnissen wurde zweierlei: Eine umfassende wissenschaftliche Publikation mit mehr als 800 Seiten und einem Gewicht von drei Kilogramm ("Exekutive der Gewalt"), die die Polizei und ihr Auftreten im faschistischen Ständestaat und während des NS-Regimes nachzeichnet. Und ebenso der Frage nachgeht, was aus den Polizisten nach Kriegsende wurde.

Welche Rolle spielte die Polizei im Holocaust?

Zudem wurde eine Ausstellung gestaltet: "Hitlers Exekutive" ist ab Mittwoch im GrazMuseum zu sehen, Mitte März 2025 zieht die Schau weiter nach Klagenfurt. Kuratorin Martina Zerovnik legt den Fokus  auf die Periode zwischen 1938 und 1945 und arbeitet mit Biografien von Beamten sowie Fragen, die in den Ausstellungsräumen gestellt werden: Welche Rolle spielte die Polizei im Holocaust? Wie wurden Verbrechen der Polizei bestraft?

Und: Wo ist die Grenze des Gehorsams, wie viel Polizeigewalt ist erlaubt? "Diese Frage können wir aber auch heute stellen", betont Zerovnik. "Demokratie heißt, auch den Handlungsspielraum der Polizei hinterfragen zu dürfen."

Welchen Anteil hatte also die Exekutive an NS-Verbrechen? Einen großen, wie Barbara Stelzl-Marx analysiert:  "Die Polizei war Teil der totalitären Diktatur. Sie war nicht nur ein Rädchen der Gewalt und der Tötungen, sondern ein Rad."

Zurück in den Dienst

Aus den österreichweiten Forschungen ist bekannt, dass ein Drittel der Polizisten Mitglieder der NSDAP, der SA oder der SS waren. In den ersten zwei, drei Jahren nach Kriegsende wurde jene, die als "belastet" eingestuft wurden, vom Dienst suspendiert.

Doch die Entnazifizierung in Österreich war bekanntermaßen zahnlos: Bereits 1949 bekamen als "Mitläufer" eingestufte das Wahlrecht wieder, ab 1957 galt eine umfassende NS-Amnestie - wer bis dahin schon nicht wieder im (öffentlichen) Dienst war, konnte spätestens jetzt zurückkehren. Das galt auch im Bereich der Exekutive.

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Nachgewiesen ist, dass auch Grazer Polizisten im Kriegsverlauf an die Front und in die besetzten Gebiete abkommandiert wurden. Schon zuvor war die Ordnungspolizei für die Bewachung der Grazer Jüdinnen und Juden zuständig, die erst zur Emigration gezwungen und später in Vernichtungslager deportiert wurden.

Plötzlich im totalitären Regime

 "Es geht auch um die Frage des persönlichen Handlungsspielraums", betont Stelzl-Marx. "Ein ganz normaler Polizist befindet sich plötzlich im totalitären Regime und ist an Massenerschießungen in Gallizien beteiligt. Wie geht man persönlich mit so etwas um?"

Mittels Biografien einzelner Betroffener versucht das Team aber, der Vielschichtigkeit des Themas gerecht zu werden. Darunter befindet sich ein bekannter Name - Gustav Schwarzenegger, Arnolds Vater.

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Der Schauspieler und Ex-Gouverneur beauftragte bereits 1990 das Simon Wiesenthal Center, um den Kriegseinsatz seines Vaters prüfen zu lassen, der seit März 1938 Gendarm in Deutschfeistritz bei Graz war.

Mit September 1939 wurde Gustav Schwarzenegger aber als Feldgendarm eingesetzt: Er war beim Überfall auf Polen dabei, ebenso am Feldzug gegen die Sowjetunion 1941. Nach einer Erkrankung kehrte er 1944 nach Deutschfeistritz zurück: Die Forschung fand keine Verbrechen, an denen Gustav Schwarzenegger beteiligt gewesen wäre. Er wurde bereits nach Kriegsende als "unbelastet"  eingestuft und blieb in der österreichischen Gendarmerie.