Wie die Glaubensgemeinschaften die Corona-Krise meistern
Leere Kirchen, Synagogen und Moscheen. Viele Gläubige, denen das Geld an allen Ecken und Enden fehlt. Die Corona-Krise erfasst auch Österreichs Religionsgemeinschaften. Um die Seelsorge aufrechterhalten zu können, werden diese nun kreativ.
In Zeiten von „social distancing“ und Ausgangssperren sind Messbesuche nicht mehr erlaubt. Daher setzen die Glaubensgemeinschaften auf virtuelle Kommunikation. Besser gesagt: Sie gehen online.
Die Katholische Kirche lässt ihre Schäfchen per Livestream die Messe mitfeiern (alle Angebote auf www.katholisch.at). Das kommt gut an: Die Erzdiözese Wien etwa verzeichnete im März um 70 Prozent mehr Zugriffe auf ihre Homepage als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die Sammlung der Livestreams aus den Pfarren wurde mehr als 37.500-mal aufgerufen, heißt es. Besonders beliebt sei etwa der Livestream aus der Andreaskapelle. Dort feiern Kardinal Schönborn oder Weihbischof Stephan Turnovszky die Morgenmesse. Im Schnitt sind zwischen Montag und Samstag 1.000 Menschen via Youtube dabei.
„Kirche für zu Hause“
Der Kanal der Erzdiözese führte vor der Krise eher ein Schattendasein. Nun konnte er die Zugriffe vertausendfachen. 164.586 Aufrufe gab es in den vergangenen 28 Tagen. 155.586 mehr als gewöhnlich. Und auch das Bedürfnis, die Messe daheim zu feiern, stieg an. Entsprechende Unterlagen auf der Homepage www.netzwerk-gottesdienst.at haben Gläubige seit deren Bestehen 17.000-mal aufgerufen.
Zu Ostern gibt es eine besondere Aktion. Auf den Kirchenbänken im Stephansdom wurden Fotos von Gläubigen aufgeklebt, damit sie zumindest in dieser Form „dabei“ sein können. Die Ostermesse wird gestreamt.
Unter dem Hashtag „Coronatime – Kirche für zu Hause“ hat die Evangelische Kirche ihr digitales Angebot aufgerüstet. Von Gottesdiensten im Livestream, Kindergottesdiensten auf Youtube bis hin zu Bastel-Videos reicht das Angebot. Sogar Kirchenmusik kann auf den Homepages der Pfarren gelauscht werden. Das beliebteste Angebot ist das tägliche Mittagsgebet auf Youtube: „Wir sind jetzt bei rund 33.000 Zugriffen. Und das bei österreichweit 300.000 Mitgliedern“, berichtet Lars Müller-Marienburg, Superintendent der Diözese Niederösterreich.
Verzicht auf Kirchenbeitrag
An anderen Fronten ist die Lage nicht so rosig. Denn in der Krise haben viele Menschen weniger Geld zur Verfügung. Sowohl die Katholische als auch die Evangelische Kirche verzichten daher in Härtefällen auf das Einheben der Kirchenbeiträge.
Während das Kardinal Christoph Schönborn schon vergangene Woche bekannt gab, informierte der evangelische Bischof Michael Chalupka erst kürzlich seine Gläubigen. „Alle Menschen mit wirtschaftlichen Sorgen werden in einem Schreiben aufgerufen, sich zu melden“, erklärt Walter Gösele vom Wirtschaftlichen Kirchenrat. Sie können die bereits ausgeschickten Vorschreibungen vorerst „zur Seite legen“.
Auch Schönborn hält fest: „In unserem Umfeld sind viele Menschen in schwere wirtschaftliche Bedrängnisse geraten.“ Daher soll in Einzelfällen der Kirchenbeitrag nachgelassen werden. Zudem kündigt der Kardinal für Mieten und Elternbeiträge in Härtefällen Lösungen an.
Unter Druck
Allerdings sind die Glaubensgemeinschaften finanziell unter Druck. Steigende Ausgaben würden sinkenden Erlösen gegenüberstehen, so Schönborn. Dennoch weitete die Kirche ihr soziales Angebot zuletzt aus. Zudem stellt sie eine Million Euro für den Caritas-Nothilfefonds zur Verfügung.
Auch in der Evangelischen Kirche betont man, in der Krise auf die Beiträge angewiesen zu sein. Denn diese würden hauptsächlich in Menschen und Gemeinden investiert, die nun anderen helfen.
Studenten kaufen für Senioren ein
Aber auch kleinere Religionsgemeinschaften setzen auf Online-Angebote: Bei der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) gibt’s auf Facebook zwei Mal täglich Gebete mit Oberkantor Shmuel Barzilai (Infos auf www.ikg-wien.at). Für Menschen, die aktuell das Pessach-Fest feiern, wird auf diesem Wege ein eigener Leitfaden angeboten.
In punkto Nächstenliebe startete die IKG zwei Hilfsprojekte. Zum einen den Corona-Krisenfonds: Um finanziell in die Bredouille geratenen Gemeindemitgliedern Geld für Lebensmittel, Medikamente und Miete zur Verfügung stellen zu können, wurde eine Million Euro bereitgestellt. Zum anderen etablierte man in Kooperation mit der Jüdischen Hochschülerschaft ein Einkaufsservice: Einmal pro Woche erledigen die Studenten für Gemeindemitglieder, die 65 Jahre oder älter sind, Besorgungen.
Finanziell angespannt ist die Lage bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ). Wie berichtet, steht ein Drittel der bundesweit 350 Moscheegemeinden vor der Pleite, weil die Spenden bei den Freitagsgebeten wegfallen. Das seelsorgerische Angebot will man dennoch aufrechterhalten. Auf www.netzwerk-islam.at können die Gläubigen hochgeladene Predigten und diverse Kursangebote abrufen.