Hitze: Wo der Rekord fallen könnte
Die Spannung steigt quasi mit der Hitze um die Wette: Am kommenden Wochenende könnte es in Österreich erstmals über 40 Grad heiß werden. Die Chancen dafür stehen etwa 50:50, gewagte Prognosen sind für seriöse Meteorologen natürlich tabu. Dennoch gibt es Orte und Regionen, die sich als möglicher neuer Rekordhalter anbieten. Dellach im Drautal, wo am 27. Juli 1983 die immer noch aktuelle Bestmarke von 39,7 Grad erzielt wurde, ist übrigens nicht unter den Favoriten.
Geht es nach den Experten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), dann könnte Waidhofen an der Ybbs (NÖ) ein Kandidat sein, liegt die Stadt doch in einem der "klassischen Föhntäler". Die Mostviertel-Metropole hält auch den bisherigen Rekord für 2013 mit 38,6 Grad (20. Juni). Überhaupt ist man sich unter den Vorhersagern durchaus einig, dass - sollte er denn fallen - der Rekord östlich der Linie Linz-Klagenfurt gebrochen wird.
Im Wiener Becken oder im Seewinkel beim Neusiedlersee, aber auch in der Inneren Stadt in Wien, wo jede Menge Beton, Stein und Asphalt dafür sorgen, dass die Temperaturen mit Sicherheit sehr hoch klettern, könnte es geschehen, dass die Messstationen der ZAMG noch nie erreichte Werte anzeigen. "In der Bundeshauptstadt könnte der Allzeitrekord von 38,9 Grad aus dem Jahr 1950 zumindest erreicht werden", sagt UBIMET-Meteorologe Lars Lowinski. "In Waidhofen an der Ybbs, im Industrieviertel oder an der March sind sogar 40 Grad wahrscheinlich".
Für Dellach im Drautal, seit exakt 30 Jahren Rekordhalter, scheint es schwierig zu werden bzw. bleibt einzig die Hoffnung, dass die Hitze-Bestmarke nicht geknackt wird. Obwohl gestern, Donnerstag, mit 34,6 Grad noch bundesweiter Spitzenreiter, rechnen die Meteorologen nicht damit, dass Kärnten oder die Südsteiermark beim 40er-Contest ein Wörtchen mitzureden haben werden. Dabei werden sogar dort rund 38 Grad erwartet.
Die Zutaten für die derzeitigen Backofentemperaturen: Zum einen staubtrockene Böden, die sich aufgrund des mangelnden Regens stark aufheizen können, zum anderen eine heiße Luftströmung, die aus Nordafrika nach Europa zieht.
Weiterer Ausblick
Ab Montagabend zeigt sich dann ein etwas anderes Bild: Die heiße Luftmasse mit einem Windsprung von Süd auf West überall ausgeräumt, vielerorts geht dieser Luftmassenwechsel mit teils heftigen Gewittern einher. Im Laufe des Dienstag ziehen noch Wolken und ein paar Schauer durch, jedoch kann sich im Westen wieder vermehrt die Sonne behaupten. Ab Mittwoch stellt sich erneut sommerliches Wetter mit viel Sonne und im Vergleich zum Wochenende moderat wirkenden Temperaturen um 30°C ein.
Die Hitzewelle erreicht am Wochenende ihren Höhepunkt. Rettungsdienste, wie der Arbeiter Samariter Bund, stellen daher mehr Fahrzeuge zur Verfügung. Die Einsatzzentralen rechnen mit bis zu einem Viertel mehr Notrufen. Vor allem in den Städten. Denn jeder weitere Hitzetag schwächt empfindliche, kranke und ältere Menschen (Tipps gegen die Hitze siehe Seite 23).
Koordinierte Einsatzpläne betreffend Hitzeperioden gibt es bei den Blaulichtorganisationen und Spitälern keine. Hunderte Freiwillige Feuerwehren stehen allerdings wegen der Trockenheit in erhöhter Einsatzbereitschaft. Schon eine kleine Glasscherbe kann durch Lichtbrechung ganze Felder in Brand setzen. Und am Sonntag könnte ein Allzeit-Rekord fallen. „Reden wir über 40 Grad, dann stellt sich die Frage, ob dahinter ein Ruf- oder ein Fragezeichen steht“, möchte sich Peter Pilati vom Wetterdienst Ubimet (noch) nicht festlegen.
Tatsächlich aber sind 40 Grad am Sonntag oder Montag (nur im Osten) möglich. Denn zu den aufgeheizten Böden gesellt sich eine südliche Föhnströmung dazu. „Favoriten sind für mich der Seewinkel und das südliche Mostviertel“, sagt Pilati. Der Hitzerekord wurde mit 39,7 Grad am 27. Juli 1983 in Dellach im Drautal (Kärnten) gemessen. 30 Jahre später könnte diese Marke fallen. „Durchaus möglich“, bestätigt auch Meteorologe Alexander Orlik von der Hohen Warte. Womit die Staus am Wochenende (Hungaroring/F 1) zur Herausforderung werden.
Der Direktor der Zentralanstalt für Meteorologie (ZAMG), Michael Staudinger, fordert für solche Situationen einen Notfallplan.
Hundstage-Strategie
„Denn 2003 fielen der Hitzeperiode rund 600 Österreicher zum Opfer. Frankreich und andere Länder haben Hundstagepläne. Sie sollen Hitzetote verhindern“, erklärt Staudinger. Freiwillige ziehen von Haus zu Haus und bringen gefährdete Menschen an kühle Plätze – wie Kirchen oder Supermärkte. In Österreich gibt es einen Hitze-Notfallplan noch nicht.
„Wir arbeiten in der Steiermark und Kärnten bereits an ähnlichen Modellen. Die ZAMG informiert Landes-Sanitätsdirektionen und warnt Altersheime inklusive Spitäler.“ Nachsatz des Wetter-Profis: „Klimaszenarien der Zukunft sind in vielen Details noch nicht bekannt. Längere und häufigere Hitzeperioden sind aber wahrscheinlich.“
Kopfschmerz, Benommenheit, Übelkeit: Wer sich ohne Kopfbedeckung derzeit länger in der Sonne aufhält, muss mit einem Sonnenstich rechnen – der oft nicht gleich bemerkt wird. „Der Sonnenstich ist eine Reaktion der Hirnhäute auf die massive Wärmeeinstrahlung“, sagt Chefarzt Wolfgang Schreiber vom Österreichischen Roten Kreuz. Ausschlaggebend sei in erster Linie die Wärme und nicht, wie früher angenommen, die UV-Strahlung. Aus seiner Erfahrung steige bereits ab Werten von rund 32 Grad das Risiko deutlich an.
Während beim Sonnenstich der Kopf erhitzt ist, ist es beim Hitzekollaps und beim Hitzschlag der ganze Körper: „In Extremfällen kann sich der Körper auf bis zu 40 Grad erwärmen – wenn man nicht die Möglichkeit hat, in den Schatten zu gehen bzw. „man in extremer Unvernunft in der Mittagshitze ein intensives Lauftraining absolviert“.
Ältere Menschen haben ein größeres Risiko, weil sie weniger schwitzen und dadurch Wärme weniger gut abführen können. „Sie können die Haut befeuchten und so den Körper kühlen.“
Erhöhter Oberkörper
Aber auch Jüngere sind häufig betroffen: „Etwa ein Drittel unserer Patienten sind junge Menschen, die ihre Leistungsfähigkeit bei dieser Hitze überschätzen und zu wenig trinken“, sagt Reinhard Hundsmüller, Bundesgeschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASBÖ).
Bei den Erste-Hilfe-Tipps ist das früher verbreitete Hochlagern der Beine in den Leitlinien „heute weitgehend zurückgenommen worden“, sagt Schreiber: „Es gibt keine gesicherten Hinweise, dass dies einen Vorteil bringt.“ Anders sei es bei einem erhöhten Oberkörper, besonders beim Sonnenstich: „Hier wissen wir aus der Intensivmedizin, dass dies etwa bei einer Hirnhautentzündung oder einem Schädel-Hirn-Trauma den Abstrom des Blutes aus dem Gehirn und damit insgesamt die Blutzirkulation verbessert. Wahrscheinlich gilt dies auch für mildere Erkrankungsformen wie den Sonnenstich.“ Wobei ansprechbare Personen so gelagert werden sollten, wie es für sie am angenehmsten ist.
Auf einen wenig beachteten Aspekt beim Thema Tierschutz verweist der Verein „Pfotenhilfe“: „Aquarien und Volieren dürfen auf keinen Fall in der Sonne stehen.“ Das Auto darf als Hitzefalle nicht unterschätzt werden.
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