Was sich durch eine Abschaffung der Zeitumstellung ändert
Die EU-Kommission will nun dem Ergebnis einer EU-weiten Umfrage folgen und die Zeitumstellung abschaffen. Was sich dadurch für Sie ändern könnte, und wieso sie überhaupt eingeführt wurde. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Könnte ich durch eine Neuregelung länger schlafen?
Nein, der Tag hat weiterhin 24 Stunden. Eine Stunde mehr Schlaf gibt es derzeit theoretisch nur, wenn Ende Oktober die Zeit um 3 Uhr nachts auf 2 Uhr zurückgestellt wird. Dann herrscht wieder die Winterzeit, oder Normalzeit. Immer, wenn Ende März die Uhren auf Sommerzeit gestellt werden, verliert man dafür einmalig eine Stunde.
Ist die Zeitumstellung ungesund? Schließlich ist das wie ein Mini-Jetlag.
Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Zeitumstellung sollten nicht überschätzt werden. "Ein Jetlag nach einem Flug ist mit Sicherheit schwerer zu verkraften", sind sich Schlafmediziner einig. Eine Stunde weniger Schlaf (durch die Umstellung im Frühjahr) macht auch nicht dauerhaft weniger leistungsfähig. Nur wenn man über Wochen oder Monate auf eine Stunde Schlaf verzichtet, wäre es ungesund.
Was wollen die Österreicher?
73 Prozent der EU-Umfrageteilnehmer aus Österreich haben für eine Abschaffung der Zeitumstellung gestimmt. Ganz klar ist aber noch nicht, auf welche Zeit man sich auf EU-Ebene nun einigen will. Sollte man sich an der Winterzeit orientieren, hieße das umgekehrt auch, dass man im Sommer am Abend eine Stunde weniger Sonnenlicht genießen könnte. 36 Prozent der Österreicher wünschen sich daher laut einer aktuellen repräsentativen Spectra-Umfrage das ganze Jahr Sommerzeit, und würden damit in Kauf nehmen, im Winter in Hinkunft bei kompletter Dunkelheit aufzustehen, was hierzulande für die meisten Arbeitnehmer gelten würde. Nur 29 Prozent finden die Winterzeit auf Dauer angenehmer. Vor allem Berufstätige wünschen sich bei der Spectra-Umfrage die Variante "abends länger hell". Die ständige Winterzeit fand bei ihnen den allerwenigsten Anklang, während nicht Arbeitende eher zu dieser Form tendieren. Die KURIER.at-Leser sehen das übrigens genauso. (Siehe Umfrage).
Wer hat an der Uhr gedreht? Oder wieso wurde die Zeitumstellung überhaupt eingeführt?
Paulchen Panther tat das im Zeichentrickfilm. Oder Europa im Zuge des Jom-Kippur-Krieges, den 1973 mehrere arabische Staaten gegen Israel führten. Die Rohölpreise stiegen damals nämlich in bis dahin ungeahnte Höhen. Als politisches Druckmittel drosselte die Organisation der arabischen Erdöl exportierenden Staaten (OAPEC) damals die Fördermengen um etwa fünf Prozent. Genug, damit der Ölpreis um 70 Prozent nach oben schnellte - von etwa drei US-Dollar auf über fünf Dollar pro Barrel. Im weiteren Verlauf sollte der Ölpreis sogar auf 12 Dollar pro Barrel steigen. In Österreich wurden Fahrverbote erlassen, die berühmten schwarz-weißen Pickerl auf der Windschutzscheibe, die Auskunft darüber gaben, wann das betreffende Auto in der Garage bleiben musste, ist älteren Semestern noch heute in Erinnerung.
Um Heizkosten zu sparen, wurde an den Schulen auch eine zusätzliche Ferienwoche im Februar eingeführt, die so genannten Energieferien. Nach Abklingen des “Ölschocks” blieben diese Ferien praktischerweise erhalten - man kennt sie seither als Semesterferien.
Auch die Zeitverschiebung ist ein Relikt aus dieser Zeit. So sollte eine Stunde Tageslicht für Unternehmen und Haushalte gewonnen werden. Frankreich machte damals den Anfang, Österreich beschloss die Einführung erst 1979.
Wobei: Eine eigene Sommerzeit gab es hierzulande bereits im Ersten Weltkrieg. Im Jahr 1916 galt sie für die Monarchie vom 1. Mai bis 30. September, wurde dann aber wieder eingestellt.
Was hat die Zeitumstellung gebracht? Also ökonomisch.
Das Energieinstitut an der Linzer Johannes Kepler Universität hat 2013 für eine Studie die Auswirkungen für das Land Oberösterreich berechnet. Demnach kam es zu rund 9 Millionen Euro Stromkostenersparnis im Jahr. Demgegenüber stand ein erhöhter Treibstoffverbrauch von 3,5 Millionen Euro im Jahr, ausgelöst durch eine höhere Zahl an Freizeitaktivitäten durch längeres Tageslicht. Die Kosten für Heizen und Kühlen erhöhten sich demnach durch die Zeitumstellung um 1,7 Millionen Euro im Jahr. Unterm Strich ergab sich eine Gesamtersparnis an Energiekosten von 3,7 Millionen Euro.
Die nicht-energetischen Spareffekte für OÖ bezifferten die Forscher mit 4,4 Millionen Euro. Erhöhten Kosten im Ausmaß von 46 Millionen Euro durch Schlafstörungen, inklusive daraus resultierender Verkehrsunfälle (0,6 Mio.) und einer reduzierten Leistungsfähigkeit (2,7 Mio.), stünde ein Nutzen von 50 Millionen Euro durch die Zahlungsbereitschaft während der zusätzlichen Tageslicht-Freizeitstunde gegenüber.
Insgesamt brachte die bisher gültige Zeitumstellung im Frühjahr und im Herbst in OÖ also rund 8 Millionen Euro im Jahr, was 0,02 Prozent des oö. Bruttoninlandsprodoktes im Jahr 2010 entsprach. Grob übertragen auf Österreich wären das 60 Millionen Euro im Jahr für ganz Österreich gewesen. Die Einspareffekte sind also mehr als überschaubar.
Was könnte eine Neuregelung ökonomisch bringen?
Laut der Studie der Kepler Uni würde eine ganzjährige Sommerzeit gut das Zehnfache an monetären Effekten generieren. Den Energiehaushalt betreffend wären es 9,2 Millionen Ersparnis im Jahr für Oberösterreich (im Vergleich zu 3,7 Millionen beim derzeitigen Modell). Durch den Wegfall von negativen Auswirkungen auf den Biorhythmus kamen die Forscher vor fünf Jahren auf ein gesamtes Kosteneinsparungspotenzial einer ganzjährigen Sommerzeit von durchschnittlich 85 Millionen Euro im Jahr für OÖ (im Vergleich zu derzeit 8 Millionen). Grob umgerechnet wären das rund 640 Millionen Euro in ganz Österreich gewesen.
Eine Umstellung auf das System einer ganzjährigen Sommerzeit wäre also wohlfahrtsökonomisch das vorteilhafteste System, so das damalige Fazit der Forscher.
Wie natürlich wäre die dauerhafte Sommerzeit?
Kritiker der Sommerzeit sagen, dass es sich um eine "künstliche Zeit" handle. Der Begriff "Zeit" ist an sich eine menschliche Setzung, orientiert sich aber an jenem natürlichen Zeitraum, in dem sich die Erde einmal um die eigene Achse dreht. Zwölf Uhr mittags oder "High Noon" ist demnach annähernd zu dem Zeitpunkt, an dem sich die Sonne von der Erde aus gesehen an ihrem höchsten Punkt befindet. Durch die verschiedenen Zeitzonen des Planeten wird dies annähernd erreicht. Die Sommerzeit (oder englisch "Daylight Saving Time") verschiebt diesen Zeitpunkt um mindestens eine Stunde nach hinten. Der Mittag der Sonne – die "wahre Ortszeit" – stimmt mit 13 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit nur ungefähr entlang des Längengrades 15 Grad östlicher Länge überein. Dieser verläuft entlang der deutsch-polnischen Grenze, durch Tschechien, Österreich (z.b. im steirischen Leoben), Slowenien und Italien. Allerdings gilt die gesetzliche mitteleuropäische Sommerzeit bis etwa 9 Grad westlich von Greenwich - an der spanischen Atlantikküste. Und dort ist der Abstand zwischen "12 Uhr Mittag" und der wahren Sonnenzeit am höchsten: Sonnenhöchststand ist im spanischen Fisterra am 1. August erst um 14:40 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ) – was eine Verschiebung um rund 2 Stunden und 40 Minuten bedeutet (mehr zum Thema hier).
Spanien würde bei einer Neuregelung übrigens wohl kaum die Sommerzeit beibehalten - denn sonst würde die Sonne in Madrid im Winter erst gegen 9.30 Uhr aufgehen.