Chronik/Österreich

Viel Amore für Folklore: Regionalfeste in Wien boomen

Es gibt zwei Termine – abgesehen von der Wiener Wiesn und dem Neustifter Kirtag – an denen der Wiener der Meinung zu sein scheint, sich in die Tracht werfen zu müssen: zum Steiermark-Frühling und zum Waldviertel Pur.

Letzteres findet kommende Woche wieder auf dem Rathausplatz (16. bis 18. Mai) statt. Montag bis Mittwoch wird Am Hof das Burgenland-Kul(t)inarium abgehalten.

Zweck der Veranstaltungen ist eindeutig, für die Regionen zu werben – trotzdem reisen so manche Waldviertler für das Fest in Wien eigens mit dem Bus an. Und für viele in Wien lebende Waldviertler ist der Termin Jahr für Jahr ein Fixpunkt im Kalender. Warum eigentlich?

„Wenn ich schon zu einer der zahlreichen Open-Air- Veranstaltungen auf dem Rathausplatz gehe, dann zumindest zu der, die das leiwandste Publikum und das beste Blunzngröstl hat“, sagt Harald Pabisch, in Wien lebender Waidhofner und Waldviertel-Pur-Stammgast.

Auch abgesehen von den Veranstaltungen sind die Menschen aus den Bundesländern in Wien in Communities vertreten: Die Kärntner haben einen Chor, die Oberösterreicher eine Bar (siehe Bericht unten), die Vorarlberger ihr Funkenfest mit Käsknöpfle-Essen und alle Bundesländer haben auch irgendwo in Wien ein Lokal, in dem sie Essen aus der Heimat serviert bekommen (siehe Ende des Textes).

W4-Clubbing

Nur bei Niederösterreich tritt nicht das Bundesland als eigene Gemeinschaft auf – das machen die Regionen schon selbst. Am präsentesten ist wohl das Waldviertel: Neben dem jährlichen Schmankerlfest gibt’s auch seit 25 Jahren das Woodman, ein Clubbing von Waldviertlern für Waldviertler.

Zwei bis drei Mal im Jahr findet es statt. Das Woodman hat schon die Arena gefüllt, das WUK, die Hofstallungen im Museumsquartier, das Palais Eschenbach, aktuell gastiert es im Platzhirsch. Wie kann es sein, dass ein Event mit einer doch recht spezifischen Zielgruppe (Waldviertler in Wien im Alter zwischen 18 und 25 Jahren, Anm.) seit 25 Jahren funktioniert? „Das ist eine gute Frage“, sagt Thomas Mang, ein Zwettler, der seit vielen Jahren in Wien lebt und seit zehn Jahren das Woodman veranstaltet.

„Vielleicht schafft es ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das in der Großstadt Sicherheit bringt. Auf’s Woodman kannst du alleine gehen und wirst trotzdem Leute treffen, die du kennst. Du kriegst das, mit dem du aufgewachsen bist“, sagt Mang – Freunde genauso wie Zwettler Bier.

„Lebensgefühl“

Dass sich aus den Bundesländern Zugezogene in Wien auch in ihren Ursprungs-Communities bewegen, hängt laut Christoph Reinprecht, Soziologe an der Uni Wien, mit dem Bedürfnis zusammen, sich zusammenzutun. „Man bekommt das Gefühl einer Gemeinschaft im großen, städtischen Raum.“

Während die Landeshauptleute vor 30 Jahren den Weggezogenen etwa mit Studentenwohnhäusern wie dem Haus Oberösterreich „Halt und Orientierung“ geben wollten, stehe nun anderes im Mittelpunkt: „Es geht weniger um Identität, als um Lebensgefühl“, sagt Reinprecht. Der Soziologe spricht von einer „hybriden Identität“, die mit der Globalisierung zusammenhängt: Die Welt, in der wir leben, ist komplex und abstrakt geworden. „Eine Antwort darauf ist das Verstärken einer lokalen, regionalen Identität“ – auch beim Essen.

Dazu komme auch, dass der Begriff Heimat jüngst an Popularität zugelegt hat. Alexander Van der Bellen bedruckte im Präsidentschaftswahlkampf 2016 seine Wahlplakate damit, aktuell tut es ihm der künftige Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) gleich. „Heimat wird hier nicht als völkischer, nationalistischer Begriff verstanden, sondern betrifft eher das Bedürfnis nach regionaler, lokaler Zugehörigkeit.“

Das erklärt, warum das Regionale auch bei den Wienern großen Anklang findet: Dass sich manche bei Festen gerne Lederhose oder Dirndl anziehen, sei „ein spielerisches Zeichen der Zugehörigkeit“, sagt Reinprecht.

Türkei-Fest

Übrigens sei die Gruppenbildung von Menschen aus den Bundesländern und von Migranten „identisch: Die Unterschiede sind nur graduell“, sagt Reinprecht. Während aber Feste von Steirern und Waldviertlern sehr wohl ihren Platz vor dem Wiener Rathaus gefunden haben, hätte es ein Türkei-Fest gleichwohl schwerer: „Dabei könnte man das gleich aufziehen“, scherzt Reinprecht. Die Türkei würde sich als Tourismusland präsentieren – statt Knödel gebe es Lahmacun und statt Blasmusik würde man eben Tarkan hören.

Regional essen in Wien

Niederösterreich
Wald/4ler Stub’n. 5., Wiedner Hauptstraße 89
Vorarlberg
Tonstube. 6., Laimgrubengasse 5
Steiermark
Zur Steirischen Jagastub’n. 1., Landesgerichtsstraße 12
Burgenland
Burgenland ist überall. 11., Guglgasse 11
Kärnten
Schrittesser. 1., Reichsratsstraße 11
Salzburg
Stiegl-Ambulanz; 9., Alser Straße 4
Tirol
Tiroler Alm; 13., Auhofstraße 186a/b