Chronik/Österreich

Vergessenes Gusen wird zum Ort des Gedenkens

Unzählige Namen werden am 4. Mai in Gusen (Bezirk Perg) an eine Mauer projiziert: Es sind die Namen von Menschen, die an diesem Ort grauenhaftes erlebt haben. Es sind die Namen jener, die im ehemaligen Konzentrationslager Gusen ihr Leben ließen.

Wie jedes Jahr gedenkt auch heuer die österreichische Staatsspitze anlässlich des Befreiungstages der Konzentrationslager Mauthausen und Gusen am 5. Mai der zahlreichen Opfer. Dieses Mal jedoch nicht nur in Mauthausen (am 15. Mai), sondern eben auch in Gusen. Denn die Republik hat erst kürzlich Teile des ehemaligen Zweiglagers angekauft.

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Schotterbrecher und Appellplatz

Seit heuer gehören der sogenannte Schotterbrecher, zwei Verwaltungsgebäude der SS, Umfassungs- und Stützmauern sowie der Appellplatz der Republik Österreich. Auf Letzterem werde auch die Gedenkfeier stattfinden, informierte das Innenministerium. „Der Ankauf von großen Teilen des ehemaligen KZ Gusen war ein Meilenstein in der Weiterentwicklung der Gedenkkultur. Die Einbeziehung dieses Orts in das traditionelle Gedenken der Republik in den ersten Maitagen ist dabei ein weiterer Schritt“, betont Innenminister Gerhard Karner (ÖVP).

Neben ihm sollen am 4. Mai Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka sowie Oberösterreichs Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander (beide ÖVP) teilnehmen. Anwesend werden auch Vertreter der Opferländer sein. Vor allem Polen, Franzosen und Luxemburger fielen im ehemaligen KZ Gusen Hitlers Machenschaften zum Opfer.

Enormer Blutzoll

Mehr als 35.000 Menschen wurden dort ermordet, insgesamt 70.000 Gefangene aus fast 30 Nationen waren zwischen 1940 und 1945 inhaftiert. Sie mussten unter Blutzoll eine Stollenanlage errichten, in der die Nazis unter dem Decknamen „Bergkristall“ eine Rüstungsproduktion betrieben.

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Dieses Leid geriet in Österreich nach 1945 jedoch schnell in Vergessenheit. Auf Teilen des Lagergeländes entstand eine Wohnsiedlung, andere wurden gewerblich genutzt. Internationale Überlebendenorganisationen ließen in den 60er Jahren schließlich um den erhalten gebliebenen Krematoriumsofen eine Gedenkstätte errichten. Seit 1997 ist die Republik Österreich für das Memorial Gusen verantwortlich.

In dieses sollen nun auch die neu angekauften Teile integriert werden. Unter Einbindung von internationalen, nationalen und regionalen Interessensgruppen werde deshalb ein Konzept erarbeitet, damit nicht nur am 4. Mai der Gräueltaten auf dem Gelände des ehemaligen KZ Gusen gedacht wird.