Die lange Spur des Berliner Tiergartenmörders bis nach Österreich
Von Anja Kröll
Es ist ein Dossier, das österreichischen Ermittlern im Jahr 2024 in die Hände fiel und das nach dem historischen Gefangenenaustausch zwischen Russland, Belarus und mehreren westlichen Ländern, darunter auch Deutschland und die USA nun wieder in den Fokus der Geschehnisse rückt.
Dessen Inhalt: Der Berliner Tiergartenmord. Am helllichten Tag im Jahr 2019 wurde um die Mittagszeit ein tschetschenisch stämmiger Putin-Gegner mit drei Kugeln im Kleinen Tiergarten in Berlin-Moabit erschossen.
Die Täter, wohl Handlanger des russischen Präsidenten, wurden verurteilt. Der wohl bekannteste unter ihnen, Wadim Krassikow, ist seit dem Gefangenaustausch wieder frei.
Richtig Morden
Doch warum ein Dossier zum Mord in Berlin aus Österreich? Erstellt soll es Egisto Ott haben. Jener Mann, dem schwerste Spionagetätigkeiten gegen Österreich vorgeworfen werden. Ein ehemaliger BVT-Mitarbeiter, dessen Name auch in der Causa Jan Marsalek auftaucht und der seit Juni, nach einer umstrittenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien, aus der Untersuchungshaft entlassen wurde.
Zur Erinnerung hieß es damals: "Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte nach einer früheren Untersuchungshaft Anfang des Jahres 2021 weitere Straftaten verübt hat. Die Fakten, auf die sich der dringende Tatverdacht bezieht, liegen vor der seinerzeit verhängten Untersuchungshaft."
Ott soll in dem Dossier den Mordanschlag in Berlin genaustens analysiert und in weiterer Folge eine Art „Fehleranalyse und Verbesserungsvorschläge“ für künftige Attentate auf Putin-Kritiker abgegeben haben.
Gegenüber den Ermittlern soll der gebürtige Kärntner dies als „Spielereien“ abgetan haben.
Lebenslange Freiheitsstrafe
Das Berliner Kammergericht hatte Krassikow 2021 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, von der er nun lediglich knapp fünf Jahre absitzen musste. Zudem stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest, was normalerweise eine Haftentlassung nach 15 Jahren nahezu ausschließt.
Laut Urteil hat der Russe am 23. August 2019 in Berlin im Auftrag staatlicher russischer Stellen einen Georgier tschetschenischer Abstammung heimtückisch erschossen, der in Deutschland Schutz gesucht hatte.
Am Freitag zu Mittag bestätigte der Kreml übrigens erstmals offiziell, dass Krassikow ein Geheimdienstmitarbeiter Russlands sei. „Krasikow ist ein Mitglied des FSB“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in Moskau. Gemeint ist damit der Inlandsgeheimdienst.
Anti-Terror-Einheit
Krassikow habe in der auf Anti-Terror-Einsätze spezialisierten „Alpha“-Einheit des FSB gearbeitet. „Interessant ist, dass er, als er bei “Alpha„ diente, mit einigen Mitarbeitern des Wach- und Sicherheitsdienstes des Präsidenten zusammengearbeitet hat“, sagte Peskow russischen Nachrichtenagenturen zufolge. „Natürlich haben sie sich begrüßt gestern, als sie sich gesehen haben“, erklärte er mit Blick auf Krassikow und Kremlchef Wladimir Putin.