LGBTQIA+-Studie: So tolerant sind die Österreicherinnen und Österreicher
Von Anya Antonius
Die gute Nachricht zuerst: Die Österreicherinnen und Österreicher halten sich selbst für sehr tolerant gegenüber ihren Mitmenschen. Die schlechte Nachricht: Sie halten andere Österreicherinnen und Österreicher gar nicht für tolerant.
Das sich das insgesamt nicht ganz ausgehen kann, ist das erstaunlichste Ergebnis der repräsentativen Marketagent-Studie, die Nivea Österreich im Vorfeld des Pride Month in Auftrag gegeben hat. Zentrale Frage: "Wie tolerant ist Österreich?"
76 Prozent der 2.580 befragten Teilnehmer zwischen 18 und 75 Jahren sagen von sich selbst, dass sie im Allgemeinen sehr tolerant sind. Gleichzeitig sagen das aber nur 22 Prozent über ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger. "Diese Diskrepanz ist für Marktforscherinnen nichts Neues", sagt Thomas Schwabl, Geschäftsführer von marketagent, bei der Präsentation der Studie am Dienstag. "Aber in dieser Deutlichkeit ist er schon bemerkenswert".
Auf die LGBTQIA+ Community bezogen, sieht das Ergebnis ganz ähnlich aus. Hier halten sich 62 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher für sehr tolerant, 29 Prozent sagen dasselbe über die österreichische Gesellschaft. Ein Ergebnis, das Alvaro Alonso, General Manager Eastern Europe Beiersdorf, Niveas Mutterkonzern, enttäuschend findet - vor allem die 18 Prozent, die sich selbst als gar nicht tolerant gegenüber der queeren Community bezeichnen.
Die überwiegend positive Selbsteinschätzung wertet er aber auch als guten Ausgangspunkt.
Toleranz vs. Akzeptanz
Auch die Frage, ob "Toleranz" in diesem Zusammenhang überhaupt das richtige Wort ist, wird in der Präsentation diskutiert. Sie werde immer aus einer Position der Überlegenheit gegeben, sagt Alonso. Besser wäre das Wort Akzeptanz, meint auch Katharina Kacerovsky-Strobl, Geschäftsführerin Stonewall GmbH/Veranstalterin VIENNA PRIDE. Denn: "Akzeptanz führt zu Inklusion".
Das zeigt die Studie jedenfalls deutlich: Frauen sind (auch) in Österreich signifikant toleranter als Männer, wenn es um die sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität ihrer Mitmenschen geht. Die Gleichberechtigung und Rechte von LGBTQIA+ Personen zu befürworten, sagen etwa 45 Prozent der Frauen über sich - bei den Männern sind es nur knapp 30 Prozent.
Ähnlich sieht es bei der Aussage aus "Meiner Ansicht nach gibt es nicht mehr als 2 Geschlechter": 41 Prozent der Männer stimmen dem zu, aber nur rund 28 Prozent der Frauen. Wo sich Männer und Frauen recht einig sind (knapp 6 bzw. Prozent), ist, dass sie keine weitere Aufklärung oder Information zum Thema brauchen. Verständlich, denn wer sich für so tolerant hält, sieht wohl auch keinen besonderen Handlungsbedarf.
"Blöde Witze am Gang"
Rund 60 Prozent der Befragten, die selbst zur queeren Community gehören, geben an, schon einmal aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität diskriminiert worden zu sein. Knapp 58 Prozent der nicht betroffenen ist derlei, ihren Angaben zufolge, aber noch nie aufgefallen - weder im öffentlichen Raum, noch im privaten und beruflichen Umfeld.
Die Diskriminierung am Arbeitsplatz äußert sich, der Studie zufolge, eher selten in drastischen Maßnahmen wie ungerechtfertigten Entlassungen oder Benachteiligungen bei der Entlohnung. Die häufigsten Nennungen der befragten queeren Personen betreffen den Umgang miteinander (37 Prozent) und die mündliche Kommunikation (knapp 37 Prozent).
"Das passiert fast beiläufig, etwa in Form von blöden Witzen am Gang, und fällt vielen nicht auf - auch das ist Teil des Problems", sagt Schwabl. Wenig überraschend also, dass bei der Diskriminierung am Arbeitsplatz nur 9 Prozent der LGBTQIA+ Personen dem Statement "Aus meiner Sicht braucht es keine Maßnahmen" zustimmen können - im Vergleich zu 21 Prozent aller Befragten.
Doch es gibt auch Grund zur Hoffnung. So erzählt Kacerovsky-Strobl, wie schwierig es noch vor wenigen Jahren war, Partner und Sponsoren für die jährliche Regenbogenparade zu finden. Heute sei das anders, wie die Kooperation mit einem Traditionsunternehmen wie Nivea zeige. "Es ist noch ein langer Prozess", sagt Alonso. "Aber wir können nicht einfach warten."