Studie: Hunde können Schmerzen beim Menschen lindern
Von Hedwig Derka
Hund oder Mensch – das war an der Humboldt-Universität zu Berlin die Frage: Zunächst wurde Eiswasser in ein kleines Aquarium gefüllt und mittels Kühlbox auf konstant drei Grad gehalten. Gleichzeitig bekamen 74 Frauen im Alter von 18 bis 55 Jahren Elektroden ins Gesicht geklebt; diese sollten die Muskelanspannung beim Zähnezusammenbeißen aufzeichnen. Auch die Herzfrequenz sowie die Hautleitfähigkeit – beides Indikatoren für Stress – wurden mittels Sensoren objektiv erfasst.
Ein Fragebogen schließlich erhob das subjektive Schmerzempfinden der Probandinnen und ihre Einstellung zu Tieren. Dann tauchten die Versuchspersonen eine Hand möglichst lang ins Aquarium – einmal begleitet von einer Freundin, einmal im Beisein ihres Vierbeiners, einmal ohne jede Unterstützung. In einem weiteren Experiment absolvierten 50 Frauen den etablierten „Cold-Pressor-Test“ mit fremdem Hund an ihrer Seite.
Der Hundeeffekt
„Es zeigte sich ganz klar, dass Hunde die Schmerzwahrnehmung und -bewältigung am stärksten beeinflussen“, fasst Studien-Erstautorin Heidi Mauersberger die Daten zusammen. Die Forscherin am Institut für Psychologie führt den positiven Effekt darauf zurück, dass die Haustiere „hervorragende soziale Unterstützer sind, da ihre bloße Anwesenheit im Gegensatz zu Menschen bedingungslosen Trost, Erleichterung und vorurteilsfreie Hingabe signalisiert“. Hundefans würden wohl von blinder Liebe sprechen.
„Die aktuellen Ergebnisse aus Deutschland überraschen nicht“, sagt Karl Weissenbacher von der Vetmeduni Wien. Der Leiter der Prüf- und Koordinierungsstelle Therapiebegleithunde am Messerli Forschungsinstitut hebt aber hervor, dass die Studie den Hundeeffekt auf handfeste Schmerzen überprüft hat – und das abgesichert durch technische Hilfsmittel. Ob Körper oder Geist – für ihn steht nicht nur im Vorfeld des Welthundetages am 10. Oktober das Wohl der Vierbeiner im Vordergrund.
Hunde als professionelle Co-Therapeuten haben Tradition; ihr gezielter Einsatz geht in die 1960er-Jahre zurück. „Der Hund ist Mittler. Der Therapeut bestimmt das Setting“, betont Weissenbacher und erinnert sich an tierische Pioniere, die in den 1990er-Jahren auf der Herzstation eines Wiener Spitals als Blutdrucksenker auftraten. Mittlerweile haben sich Therapiebegleithunde in verschiedensten Bereichen etabliert. Vom Kindergarten bis ins Altersheim.
Bemühen für den Hund
Dem Fellfreund zuliebe legen sich Patienten mehr ins Zeug. Körperbehinderte strengen sich grob- und feinmotorisch an, Demente lassen sich besser zum Mitmachen animieren. Bewegung hält fit. Sozial Isolierte knüpfen über den flauschigen Begleiter eher Kontakte. Prüfungskandidaten schneiden weniger genervt erfolgreicher ab. Berufssoldaten beginnen, ihre Traumata zu verarbeiten. Auch Post-Covid-Patienten profitieren nachgewiesen bei der Rehabilitation.
„Es gibt diverse Studien über die positive Wirkung von Hunden auf die Gesundheit des Menschen“, sagt Weissenbacher: „Wir haben untersucht, was die Arbeitstiere brauchen.“ Österreich sei absoluter Vorreiter, was deren Einsatz betrifft. So dürfen die speziell ausgebildeten und geprüften Hunde hierzulande nur zwei Mal pro Woche je 45 Minuten co-therapieren. Während früher manch Vierbeiner überlastet war, nimmt heute keiner mehr Reißaus.
Potenzial nutzen
„Wir wissen, dass Assistenzhunde weniger gestresst sind als Familienhunde“, sagt der Veterinärmediziner. Zum einen sind die Vierbeiner gut geschult und wissen genau, was zu tun ist, zum anderen haben ihre Besitzer in der Regel einen sehr klar strukturierten Tagesablauf ohne gröbere Stresssituationen. Genauso motiviert sind Therapiehunde, die auf freiwilliger Basis mithelfen.
Dieses Potenzial will auch Heidi Mauersberger nützen: „Selbst fremde Hunde lindern Schmerzen. Nebenwirkungsfrei. Sie könnten künftig vermehrt in therapeutischen Kontexten eingesetzt werden, sei es in Krankenhäusern, bei Operationen oder in der täglichen Bewältigung von chronischen Leiden.“