Chronik/Österreich

Von Österreich aus in die ganze Welt: Das SOS-Kinderdorf wird 75

Jedes Kind verdient ein liebevolles Zuhause. Auch nach dem Krieg hatten sich das viele Kinder gewünscht, auch die vielen Kriegswaisen. Für sie  gründete Hermann Gmeiner 1949 das erste SOS-Kinderdorf in Imst in Tirol.  

Ausschlaggebend war die Not der Kriegswaisen. Das Konzept der Kinderdörfer sollte sich von einem herkömmlichen Heim unterschieden: Die Kinder sollten mit einer "Mutter", also einer Betreuerin, und Geschwistern in einer Art Dorfgemeinschaft aufwachsen.

75 Jahre ist das her. Damals war es ein Dorf, mittlerweile gibt es Standorte in 138 Ländern. Laut SOS-Kinderdorf haben seit der Gründung rund 14.500 Kindern in den Dörfern ein Zuhause gefunden.

Herbert Schwarz war einer von ihnen. Der 53-jährige Polizist war erst elf als er mit seinen fünf Geschwistern in das Kinderdorf Moosburg einzog. „Uns gäbe es ohne SOS-Kinderdorf nicht mehr“, sagt er.

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Nach der Scheidung der Eltern war die Mutter mittellos und musste bald ins Gefängnis. Von da an  sollte sich das Leben der Geschwister drastisch ändern: „Es war eigenartig, aber ich hatte das Gefühl, dass es ab jetzt aufwärts geht“, erzählt der Polizist. Vorbei waren die Tage, an denen es nichts zu essen gab. Weihnachten und Geburtstage wurden erstmals gefeiert, in den Urlaub ging es nach Italien. Doch am wichtigsten für den damals Elfjährigen: „Wir konnten alle zusammenbleiben. Wir haben ein Zuhause bekommen.“ Geblieben ist Schwarz im Kinderdorf über ein Jahrzehnt, denn auch als er volljährig und in Ausbildung war, kehrte er immer wieder zurück: „Die Tür war immer offen.“

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Besser zusammen als getrennt

Die Herausforderungen haben sich seit 1949 geändert .  Viele Familien kämpfen mit Arbeitslosigkeit, Krankheit, Armut, oder der Wohnsituation. Das hat Auswirkungen auf die Kinder, denen das Kinderdorf zur Seite steht.

 Armut, oder der Wohnsituation. Das hat Auswirkungen auf die Kinder, denen das Kinderdorf zur Seite steht. „Die Organisation ist  permanent von Weiterentwicklung geprägt, sagt Wien-Leiter Erwin Roßmann. Die traditionellen Dörfer gibt es zwar nach wie vor. Das Angebot inkludiert aber auch neuere, integrativere Formen der Betreuung, wie etwa das sogenannte „Eltern-Kind-Wohnen“ oder „Betreutes Wohnen“ für junge Menschen. „Das Ziel ist nicht, die Eltern und die Kinder zu trennen, im Gegenteil“, sagt Roßmann.

Dem stimmt die 38-jährige Christina (Name von der Redaktion geändert) zu. Sie und ihr zweijähriger Sohn erhalten Unterstützung durch die mobile Familienberatung des SOS-Kinderdorf. „Anfangs hat es gedauert, Vertrauen aufzubauen, aber jetzt weiß ich, dass ich nicht alles allein schaffen muss“, sagt sie. Die Unterstützung reiche von Gesprächen, Ausflügen zum Spielplatz bis hin zu Arztbesuchen. „Uns ist es wichtig zu vermitteln, dass Krisen auch dazugehören können und man Herausforderungen gemeinsam bewältigen kann“, erläutert die Betreuerin Bettina (25).

Mehr als nur ein Dorf

Die Bilanz lässt sich sehen: Rund 1.800 Kinder fanden 2023 in Österreich ein Zuhause,  3.800 weitere Kinder und Familien wurden anderweitig unterstützt. „Deshalb haben wir beispielsweise auch ein Ambulatorium für Kinder- und Jugendpsychiatrie eingerichtet. Das Kinderdorf ist in die Nachbarschaft integriert“, sagt Roßmann zum KURIER. 

Kriege und ihre Auswirkungen auf die Kinder spielen auch heute noch eine Rolle: Jugendliche, die unter schwierigen Bedingungen allein nach Österreich geflüchtet sind, werden von SOS-Kinderdorf an Gastfamilien vermittelt und betreut.
„Wir sind bemüht, in ganz Österreich für unbegleitete Minderjährige ein Zuhause zu schaffen“, so der Wien-Leiter. Das Ziel sei, alle Kinder gleich zu behandeln – unabhängig davon, welche Startbedingungen sie ins Leben hatten.