Solarstrom lässt in Tirol Netze krachen: 3 Milliarden Euro für Ausbau
Von Christian Willim
Eine Fahrt ins Tiroler Bergsteigerdorf Schmirn ist wie eine Zeitreise. In dem idyllisch in einem Seitenarm des Wipptals gelegenen Ort wird der sanfte Tourismus gelebt. Da passt es ins Bild, dass auch die Energieinfrastruktur wie aus der Zeit gefallen wirkt, die Stromleitungen noch über Holzmasten aus den 1950er-Jahren führen.
Auf etlichen Häusern sind freilich bereits Photovoltaikanlagen installiert. Die machen eine technische Zeitenwende notwendig. Am Straßenrand wird Freitagmittag gerade eine neue Trafostation von einem Tieflader gehoben und an ihren vorgesehenen Platz gehievt.
Solche neuen Ortsnetzstationen braucht es in ganz Tirol. Bisher musste der Strom nur zu den Häusern fließen. Aber durch den in der Energiekrise ausglösten Boom beim PV-Ausbau, der auch ein wichtiger Beitrag zur Energiewende ist, müssen die Netze auch darauf ausgelegt sein, von den privaten Erzeugern eingespeisten Strom aufzunehmen.
„Es ist so, als müsste man alle Landesstraßen von Einbahn auf Gegenverkehr umrüsten“, bemüht Thomas Rieder, Geschäftsführer der Landesnetzgesellschaft Tinetz einen Vergleich, der die Herausforderung der Umrüstung vor Augen führen soll. Zeitenwende ist angesagt.
Drei Milliarden Euro will die Tinetz bis 2040 in den Ausbau des Energieversorgungssystems stecken. Was die großen Stromautobahnen betrifft, sieht man sich in Tirol relativ gut aufgestellt, wenn auch hier weiter ausgebaut werden muss.
Aber ein starker Fokus muss eben auf regionale Netze gelegt werden, um mit dem PV-Boom oder aber etwa auch mit dem Ausbau der E-Ladeinfrastruktur Schritt halten zu können. „Überall und in allen 4.300 Ortsnetzen gleichzeitig geht leider nicht“, räumt Rieder ein.
Am Limit angelangt
Im Klartext heißt das, dass es zwischenzeitlich auch Netzgebiete geben wird, in welchen die Kapazitäten bis zur Umsetzung der Netzerweiterung vorübergehend ausgeschöpft sind. Energielandesrat Josef Geisler (ÖVP) rät der Bevölkerung, „dass sie mehr auf Eigenversorgung gehen und nicht zu viel ausbauen sollte“.
Wer mehr Strom produziert, als er benötigt, dem rät der LH-Stellvertreter zur Investition in einen Speicher. Diese werden eben aufgrund der enger werdenden Netzkapazitäten inzwischen vom Land gefördert.
Man habe es mit einem in ganz Europa virulenten Problem zu tun. Mit den erneuerbaren Energien „produzieren wir Strom zu einer Zeit, wo wir ihn am wenigsten brauchen", so Geisler. Das Einspeisen bringt mit der Beruhigung auf den Strommärkten inzwischen wiederum weniger Ertrag. "Die Goldgräberstimmung ist vorbei.“
4.300 Trafostationen gibt es in ganz Tirol. „Bei 303 davon kann man derzeit nicht zusätzlich einspeisen“, so Tinetz-Geschäftsführer Thomas Trattler. Man habe die Ausbauquote aber bereits verdreifacht, installiert inzwischen 150 Anlagen pro Jahr.
Allein in Schmirn werden aktuell vier neue installiert. Zusätzlich werden die Stromleitungen unter die Erde verlegt. Damit sind dann auch die Holzmasten Geschichte.