So will Mikl-Leitner die Polizei reformieren
Jetzt ist die Katze aus dem Sack: 122 kleine Polizeiposten in acht Bundesländern werden geschlossen. 500 Beamte werden auf größere Posten umziehen. Und für Wien gibt es auf Druck von Bürgermeister Michael Häupl noch eine Schonfrist bis Ende Februar.
Dienstag präsentierten Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Sicherheitschef Konrad Kogler die Eckpunkte ihrer Reform. Es soll keine kleinen Polizeiinspektionen mit vier oder fünf Beamten mehr geben. Diese verursachen viel Verwaltungsaufwand. Daher werden 122 Posten geschlossen und etwa 500 freiwerdende Beamte auf die nächstliegenden Posten versetzt. Das ergibt rein rechnerisch 250 Doppelpatrouillen für zusätzliche Streifentätigkeit auf den Straßen.
Dadurch, so Kogler, soll jeder Punkt der besiedelten Gebiete Österreichs in spätestens 30 Minuten erreichbar sein. Derzeit dauert es in vielen Regionen länger. Die Umsetzung beginnt sofort. Es wird Platz für die versetzten Beamten geschaffen, die ersten Mietverträge werden aufgelöst.
Sicherheitspaket
Betroffenen Gemeinden wird ein Sicherheitspaket angeboten. So sollen Polizeibeamte Sprechstunden in Gemeinden abhalten und als mobiles Büro auch Anzeigen entgegen nehmen. Außerdem bleibt das Polizeischild erhalten. Dort kommt dann eine Notruftaste hin. Diese wird in Zeiten des Handys vermutlich selten genutzt werden – nach einer Statistik des „Forum Mobilkommunikation“ (FMK) sind im vergangenen Jahr 3,262.339 Notrufe aus den Mobilfunknetzen getätigt worden.
Aufstiegschancen
Die Polizeigewerkschaft fürchtet, dass es durch die Auflassung von Dienststellen weniger Führungskräfte geben werde und damit die Aufstiegschancen für die Beamten gemindert würden. Dem hält Mikl-Leitner ein neues flexibles Bewertungssystem der Exekutive entgegen. Damit soll es möglich sein, bis 2018 zusätzlich „1200 top ausgebildete Spezialisten“ für die Bereiche Kriminaldienst, Verkehr (Gefahrengut), Fremdenpolizei und Sondereinheiten in den Bezirken zu stationieren. Das sind hochwertige Dienstposten, die ein Ausgleich für die abgeschafften Postenkommandanten sein sollen.
Es fallen zwar die Mietkosten für 122 Gebäude weg, aber eingespart werde nichts, erklärte Mikl-Leitner. Die freiwerdenden Mittel würden als Mehraufwand in den zusätzlichen Streifendienst investiert. Für die vom Finanzminister geforderten 45 Millionen würde man Rücklagen heranziehen.
Mikl-Leitner rechnet mit politischen Widerständen aus den Bundesländern: „Wir wissen, dass hier nicht alle jubeln, dass es Widerstand gibt.“ Sieben von neun Bundesländern scheint sie aber schon im Boot zu haben. Ein Sonderfall ist Kärnten. In diesem Bundesland standen rekordverdächtige 30 Posten zur Disposition.
Kärnten hat aber seine eigene Geschichte. Der damalige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider konnte 2003 bei der ersten Schließungswelle des Innenministers Ernst Strasser sein Bundesland heraushalten. Später verlor Kärnten aber Dienstposten an die damalige Schengen-Außengrenze der Bundesländer Steiermark, Burgenland und Niederösterreich. Die Erkenntnis des stellvertretenden Landespolizeikommandanten Wolfgang Rauchegger: „Wir haben die kleinsten Inspektionen und die größte Dichte.“ In diesen Posten sei es derzeit oft gar nicht möglich, einen durchgehenden Dienstplan zu erstellen.
Daher setzte das Landespolizeikommando 30 Posten auf die Schließungsliste. Zu viel für Landeshauptmann Peter Kaiser. Bei einem letzten Rettungsversuch konnte er noch acht Posten herausverhandeln. Dass jetzt „nur“ 22 Posten geschlossen werden, bezeichnete Landespolizeidirektorin Michaela Kohlweiß als „eine Entscheidung des Innenministeriums“.
Sonderfall Wien
Aufregung herrscht um den zweiten Sonderfall Wien. Die Bundeshauptstadt hätte auch mit dem Gesamtpaket erledigt werden sollen. Nachdem Bürgermeister Michael Häupl aber auf ein umfassendes Sicherheitskonzept und zusätzliche Beamte gepocht hatte, wurde die Lösung für Wien in letzter Minute auf Ende Februar vertagt.
Mehr zur Situation in Wien lesen Sie unter Häupls Nein blockiert die Polizeireform in Wien
Die Reaktionen auf die Schließungen aus den Bundesländern lesen Sie unter
Wenig überraschend sind am Dienstag die politischen Reaktionen auf die Pläne von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zur Schließung von 122 Polizeiinspektionen ausgefallen. Während SPÖ-Sicherheitssprecher Otto Pendl die Pläne Mikl-Leitners begrüßte, kam von FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache heftige Kritik. Die Pläne seien ein "schwerer Anschlag auf die Sicherheit" in Österreich.
Die Schließung der Inspektionen sei "ein geradezu gemeingefährliches Vorgehen von Innenministerin Mikl-Leitner", so Strache. Diese Maßnahmen seien "in Zeiten steigender Kriminalität sowie stark zunehmender Belastungen der Sicherheitswachebeamten völlig unverantwortlich". Der FPÖ-Obmann forderte eine "Aufstockung der Zahl der Exekutivbeamten". Außerdem fehle es der Polizei "immer wieder an geeigneter Ausrüstung" wie "Drogenschnelltester oder spezielle Schutzwesten, die unter der Uniform getragen werden können". Nicht zuletzt forderte Strache eine leistungsgerechte Bezahlung der Polizisten.
Pendl begrüßte die von Mikl-Leitner geäußerte Absicht, mehr Polizei auf die Straße zu bringen. Dies erhöhe "nicht nur das subjektive Sicherheitsgefühl", so der Abgeordnete. "Es ist ein effizienter Beitrag zur Abschreckung von kriminellen Handlungen."
Gleichzeitig seien viele der kleinen heimischen Polizeiinspektionen liebgewonnene selbstverständliche Anlaufstellen für Bürger in Not, konstatierte Pendl. "Um diese auszuräumen, bedarf es zusätzlicher Aufklärungstätigkeit und jedenfalls individueller Sicherheitspakete, die auf die Kriminalitätssituation in den jeweiligen Bezirken und auf die Bedürfnisse der Bevölkerung eingehen."
Aus dem Team Stronach hieß es, das Innenministerium würde "am falschen Platz sparen". Durch die Ostöffnung habe es laut Statistikmehr Einbrüche gegeben, sagte Noch-Parteichef Frank Stronach. Da komme das "Gefüge" ein bisschen "aus dem Gleichgewicht. Der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz wiederum sieht durch die aktuelle Reform eine "drohende Über-Zentralisierung der Polizei". Pilz befürchtet, dass "durch die verkündete Reform die Polizei in weiten Teilen des ländlichen Raumes liquidiert" wird
Die Zusammenlegung von Polizeiinspektionen müsse die Sicherheitsversorgung im Land verbessern und zu einer konsequenten Bekämpfung der Kriminalität führen, reagierte Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP). "Daher erwarten wir jetzt auch die rasche Umsetzung jener Maßnahmen, die dieses Ziel garantieren."
"Erforderlich und entscheidend" sind für den Landeshauptmann mehr Polizeipräsenz auf der Straße, eine deutliche Eindämmung der Kriminalität vor allem entlang der Hauptverkehrsrouten und in Grenznähe, die weitere Intensivierung der erfolgreichen Videoüberwachung entlang der Hauptverkehrswege sowie eine Verstärkung des Personals. In diesem Zusammenhang seien als erster Schritt bereits drei weitere Ausbildungskurse für Niederösterreich in diesem Jahr fix, wobei der erste Lehrgang noch im Frühjahr starten wird, so Pröll.
"Eine moderne Polizei muss effizient arbeiten und dazu gehört auch eine effiziente Verwaltung", meinte der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP). Durch die Schließungen könne man die Verwaltung der Dienststellen zusammenlegen und mehr Polizisten auf die Straße bringen, erklärte Platter. Nun müsse man mit den betroffenen Gemeinden Diskussionen führen und gemeinsam ein gutes Sicherheitspaket ausarbeiten. Die Schließungen von zehn Wachzimmern seien keine Einsparungen, betonte Platter. Auch Vertreter des Landes und der Gemeinden in Salzburg sprachen in einer ersten Reaktion von einem vernünftigen Ergebnis. Keine Misstöne gab es auch in Vorarlberg, wo fünf von 26 Inspektionen geschlossen werden.
In Oberösterreich, wo 21 der insgesamt 140 Polizeidienststellen wegfallen, wird es künftig keinen Posten mehr mit weniger als sieben Beamten geben. Das sei nicht in allen Bundesländern der Fall, betonte Landespolizeidirektor Andreas Pilsl. Man habe einen "gangbaren Weg" gefunden, sagte Pilsl. "Ich habe keinen einzigen Brief eines besorgten Bürgers erhalten." Durch die neue Struktur werde man jährlich geschätzte 400.000 Euro sparen, die wieder investiert werden sollen.
"Oberösterreich ist immer offen für vernünftige Reformen", so LH Josef Pühringer (ÖVP). SPÖ-Chef LH-Stv. Reinhold Entholzer sprach von "sinnvollen Zusammenlegungen", FPÖ-Chef Landesrat Manfred Haimbuchner hingegen von einem "Kahlschlag", der "schlimmer als befürchtet" sei. Die Grünen bezeichneten die Maßnahmen als "schlüssig und umsetzbar".
Im Burgenland stoßen die geplanten Schließungen hingegen auf heftige Kritik. Landeshauptmann Niessl (SPÖ) wünscht sich als Ersatz für Inspektionen eine dauernde Polizeipräsenz in 33 Gemeinden. Sowohl Landeshauptmannstellvertreter Franz Steindl (ÖVP) als auch SP-Klubobmann Christian Illedits sprachen in Aussendungen von einem "Kahlschlag". Beide Parteien haben bereits angekündigt, im Landtag Initiativen starten zu wollen. Im östlichsten Bundesland werden im Zuge der Umstrukturierung elf Polizeiinspektionen geschlossen. Ursprünglich waren 17 gehandelt werden. Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil erklärte, die Zusammenlegungen dürften auch eine Kostenersparnis im sechsstelligen Bereich bringen.
In Kärnten werden 22 Polizeidienststellen geschlossen. Ursprünglich war von 30 Schließungen die Rede gewesen. Dass acht wieder von der Liste gestrichen wurden, war laut Landespolizeidirektorin Michaela Kohlweiß "eine Entscheidung des Innenministeriums". Kohlweiß und ihr Stellvertreter Wolfgang Rauchegger betonten aber, die Reform sei "unumgänglich".
Bei Kärntner Landesregierung, mit Ausnahme der ÖVP, sowie bei der Opposition, sorgten die Pläne der Ministerin für Unmut. Landeshauptmann Peter Kaiser kritisierte am Dienstag nach der Regierungssitzung insbesondere die Vorgehensweise von Mikl-Leitner und schloss Protestmaßnahmen nicht aus.
Grünen-Landesrat Rolf Holub zeigte sich deutlich kampfbereit und sagte dazu: "Ich freue mich auf einen neuen Kampf." Bedeckt hielt sich naturgemäß ÖVP-Landesrat Wolfgang Waldner, dem die "Überraschung" nicht bewusst sei und der dafür plädierte, die Emotionen aus dem Thema herauszunehmen.
Ähnlich die Situation in der Steiermark: Hier werden 23 von 151 Wachzimmer geschlossen. Die Sinnhaftigkeit sei unumstritten, sagte Landespolizeidirektor Josef Klamminger. Von ihm waren sogar 35 Posten ins Auge gefasst worden. Eher schaumgebremst reagierte die steirische Landesspitze auf die Schließungen: "Die Zusammenlegung von 23 Dienststellen ist zur Kenntnis zu nehmen. Wenn die Reform dazu führt, dass mehr Polizistinnen und Polizisten 'auf der Straße sind', dann macht sie Sinn", hieß es in einem Kommunique von Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) und LHStv. Hermann Schützenhöfer (ÖVP).
Die Polizeigewerkschaft ist mit den Plänen der Innenministerin "nicht glücklich". Die Schließung bedeute unter anderem auch, dass es weniger Führungskräfte geben werde und damit auch die Aufstiegschancen für die Belegschaft gemindert würden, betonte deren Vorsitzender Hermann Greylinger. Es werde zwar wohl Schonfristen bei der Entlohnung geben, der Gewerkschafter erwartet aber, dass die Zulagen wohl schrittweise abgebaut werden.
Lob kam hingegen von Rechnungshofpräsident Josef Moser: Derzeit gehe zu viel Geld in die Struktur und zu wenig in den Außendienst, sagte er im APA-Gespräch. "Mit der Reform wird Geld frei für Verbesserungen", so Moser, der sich erhöhte Effizienz mit geringerem Mitteleinsatz erwartet.
Die österreichische Exekutive hat bewegte Jahre hinter sich. In den 14 Jahren des neuen Jahrtausends wird die Polizei in der Bundeshauptstadt zum Beispiel nun zum fünften Mal reformiert, bundesweit ebenfalls bereits einige Male. Nachfolgend ein Überblick über die Strukturanpassungen seit 2001 und ihre Auswirkungen:
2001/2002: Unter heftigem Widerstand der Personalvertretung und der Opposition strukturiert Innenminister Ernst Strasser (ÖVP)) die Wiener Polizei um, nachdem er bereits das noch unter Amtsvorgänger Karl Schlögl (SPÖ) angekündigte Bundeskriminalamt (BK) verwirklicht hat. Aus 23 Polizeikommissariaten werden 14, noch drastischer erwischt es den Kriminaldienst. Dieser wird von den Polizeikommissariaten gelöst. Es gibt ein Kriminalamt mit drei Direktionen, von denen die erste das ehemalige Sicherheitsbüro, die zweite fünf Kriminalkommissariate und die dritte die Assistenzdienste umfasst.
Auch die Personalrochaden sind tiefgreifend und tragen Strasser vielfach den Vorwurf der Umfärbung ein: Vizepolizeipräsidentin wird Michaela Pfeifenberger, heute Michaela Kardeis, Leiter des Kriminalamtes wird Roland Horngacher. Der ehemalige Leiter des Sicherheitsbüros (SB), Maximilian Edelbacher, wird ins Kriminalkommissariat Süd versetzt, Ernst Geiger, Stellvertreter Edelbachers, wird Leiter der Kriminaldirektion 1, wo es bald zu heftigen Konflikten mit Horngacher kommt. Franz Schnabl, Generalinspektor der Sicherheitswache, bleibt zwar zunächst, wird aber mit Jahresbeginn 2003 abgelöst.
Weit weniger aufsehenerregend, aber tiefgreifend sind die Reformen bei den Sondereinheiten und bei der Staatspolizei, aus der das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (heute nur Landesämter für Verfassungsschutz, Anm.) werden. Aus den Sondereinheiten wird das EKO Cobra mit zunächst vier Standorten - heute sind es acht in allen Bundesländern außer dem Burgenland, das von Wiener Neustadt mitbetreut wird. Nur die Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung (WEGA) bleibt als lokale Spezialeinheit für die Bundeshauptstadt auf Dauer erhalten.
2004/2005: Mit der "Team04"-Reform werden die Wachkörper Sicherheitswache, Gendarmerie und Kriminaldienst zusammengelegt. Allerdings bleibt die Behördenstruktur davon unberührt, weil die dafür notwendige Verfassungsmehrheit unter der ÖVP-FPÖ-Koalition nicht zustande kommt. In Wien spitzt sich im Zuge dessen der Konflikt zwischen Horngacher und Geiger zu und mündet zwei Jahre später in der Wiener Polizeiaffäre. Horngacher wird zum Landespolizeikommandanten, Karl Mahrer sein Stellvertreter. Doch im Kriminaldienst übernimmt Ernst Geiger den behördlichen Teil, die kriminalpolizeiliche Abteilung. Polizeipräsident wird schließlich keiner der beiden: Während Geiger als Leiter der Abteilung Ermittlungen, Allgemeine und Organisierte Kriminalität im Bundeskriminalamt im polizeilichen Dienst bleibt, muss Horngacher die Exekutive verlassen.
2008: Wieder ist der Kriminaldienst in Wien an der Reihe. Die vollständige Trennung zwischen Kriminalbeamten und Uniformierten wird rückgängig gemacht, in den Stadtpolizeikommanden und Polizeiinspektionen sitzen künftig auch "Kieberer". Im Landeskriminalamt (LKA) selbst gibt es statt der Kriminaldirektionen einen Bereich Ermittlungen sowie einen Bereich Assistenzdienste und statt der Kriminalkommissariate Außenstellen, so wie bisher fünf und an den selben Standorten. Leiter des LKA wird Josef Kerbl, Überraschungen gibt es teilweise bei der Besetzung der Chefsessel in den Außenstellen.
2012: Die Behördenstruktur wird reformiert. Sicherheitsdirektionen, Bundespolizeidirektionen und Landespolizeikommanden werden in neun Landespolizeidirektionen zusammengelegt.
2014: Im Zuge der Verhandlungen für die erneute Koalition zwischen SPÖ und ÖVP werden Ende 2013 erstmals Gerüchte um die geplante Schließung von Polizeiinspektionen laut. Im Koalitionspakt findet sich dazu nur das Bekenntnis zur Modernisierung der Exekutive, im internen Jargon heißt das Paket "Dienststellenstrukturanpassung". Dahinter verbirgt sich nicht weniger als die Schließung von 122 Polizeiinspektionen, und Wien ist noch gar nicht ausverhandelt. Als Ziel wird genannt, mehr Polizisten in den Außendienst zu bekommen. Das Budget sieht Einsparungen für das Innenministerium von mehr als 38 Millionen Euro bei den Ermessensausgaben vor.