Schmerzhafter Abflug von der Piste
Im Wartezimmer der Sportsclinic Medalp bei Imst in Tirol herrscht am Montagnachmittag Hochbetrieb. Vier Mal ist der Hubschrauber heute schon vor der Privatklinik, einem von drei Standorten im Bundesland, gelandet. Andrea Schell trägt ihren Arm bereits in einer Schlinge. Am ersten Tag ihres Winterurlaubs in Ischgl ist es mit dem Snowboarden schon wieder vorbei. "Ich habe verkantet und bin blöd hingefallen", sagt die Deutsche.
Während Schell noch auf ihre Operation warten muss, liegt ein Einheimischer bereits unter dem Messer von Klinik-Chef Alois Schranz. Der Chirurg hat einen Klassiker nach einem Pistenunfall vor sich: Kreuz- und Seitenbandriss samt zerfranstem Meniskus. Das Patientenaufkommen – über 80 alleine am Sonntag – ist für die Weihnachtszeit ganz normal, erzählt Schranz: "Aber wir haben mehr Knochenbrüche. Und wer über den Pistenrand fällt, ist gar nicht mehr unsere Klientel."
Die schweren Fälle landen in der Universitätsklinik Innsbruck. Die Zahl der Patienten entspricht bislang einem üblichen Dezember. Aber dass die Wintersportler bei Abflügen von den weißen Bändern im Grünen landen, macht sich bemerkbar: "Die Verletzungen sind schwerer. Und wir haben mehr Polytraumata", berichtet Kliniksprecher Johannes Schwamberger. Er sieht zwei Gründe dafür. Durch den knappen Pistenraum komme es öfter zu Kollisionen. "Und außerdem landen die Leute bei Abstürzen von der Piste in Wiesen und Steinen."
Eigenverantwortung
Dass nun wegen fehlender Sturzräume infolge des Schneemangels Liftgesellschaften für schwere Unfälle haften könnten, glaubt Alpenvereinspräsident Andreas Ermacora nicht. Der Innsbrucker befasst sich als Rechtsanwalt mit Alpinrecht. "Generell ist das eine Einzelfallproblematik. Alleine dadurch, weil es keinen Schnee gibt, haften die Betreiber nicht für Unfälle. Das würde meiner Ansicht die Verkehrssicherheitspflicht bei Weitem überschreiten. Ich halte das auch nicht für zumutbar. Die Eigenverantwortung steht an erster Stelle", meint Jurist Ermacora. Eine Absicherung der Pisten auf ganzer Länge, etwa mit Fangzäunen, sei nicht realistisch, betont Ermacora. Von den Betreibern der Skigebiete seien lediglich "atypische Gefahren" zu sichern, etwa Liftstützen, Schneekanonen oder Mulden in der Piste.
Der auf Skirecht spezialisierte Salzburger Anwalt Reinhold Gsöllpointner stellt die Eigenverantwortung der Skifahrer ebenfalls in den Vordergrund. "Es gibt derzeit aber sicher Stellen, die aufgrund des Schneemangels gefährlich geworden sind und zusätzlich gesichert werden müssen." Auch die Einstufungen von Pisten – blau, rot, schwarz für leicht, mittel, schwierig – könnten bei Unfällen zu Haftungen durch die Liftgesellschaften führen. Nämlich dann, wenn aufgrund der Bedingungen zum Beispiel eine blaue Piste eigentlich als rote anzuführen wäre, sagt Gsöllpointner.
Viele Seilbahnunternehmen sind für den Fall einer Haftung für Unfälle – beispielsweise wenn die auf Schneekanonen angebrachten Sicherungspolster verrutschen – versichert, bestätigt Carolina Burger, Pressesprecherin der Uniqa-Versicherung. Den Skifahrern selbst empfiehlt sie naturgemäß eine Unfallversicherung. Diese würde den Abtransport mit einem Hubschrauber auch dann übernehmen, wenn dieser medizinisch nicht unbedingt notwendig gewesen wäre, sagt Burger.
Das für die Jahreszeit viel zu milde Wetter verlängert heuer die Wandersaison. Für zwei deutsche Touristen endete ihre Bergtour bei Ginzling im Zillertal tödlich. Eine 56-jährige Frau und ihr 24-jähriger Sohn dürften am Sonntag auf einem Höhenweg in einer eisigen Rinne ausgerutscht sein. Sie stürzten 500 Meter in die Tiefe und konnten am Montag nur tot geborgen werden. Da im unwegsamen Gelände kein Funkkontakt zu den Einsatzkräften aufgebaut werden konnte, hofften die Angehörigen stundenlang vergeblich auf eine Rettung.
„So etwas gibt es am 28. Dezember eigentlich nie“, sagt Johannes Schwamberger, Sprecher der Uni-Klinik Innsbruck, zu einem anderen für die Jahreszeit alles andere als üblichen Unfall. In das Krankenhaus wurde ein Motorradfahrer eingeliefert, der ein schweres Polytrauma erlitten hat.
In Vorarlberg musste die Seepolizei ausrücken. Die Einsatzkräfte bargen einen 25-Jährigen aus dem Bodensee, der dort mit seinem Gleitschirm gelandet war. Der Bregenzer war bei guten Bedingungen gestartet. Während des Flugs zog jedoch Nebel auf, weswegen der 25-Jährige sich zur Landung entschloss. Dabei verfehlte er aber das Ufer des Bodensees um 300 Meter. Der Bruchpilot konnte stark unterkühlt aber ansonsten unverletzt gerettet werden.
Zumindest eines steht fest: Es wird Schnee geben aus Schneekanonen. Denn ab Mittwoch wird es in ganz Österreich so richtig kalt – das ist genau richtig für die Skigebiete, um die Beschneiungsanlagen laufen zu lassen.
Wer abseits davon auf natürlichen Schnee hofft, wird sich bis ins neue Jahr gedulden müssen. Heute, Dienstag, kommt es von Osten her zunächst zum Kälteeinbruch. Das kann laut Experten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) schon da und dort für ein paar Schneeflocken reichen, aber das dürfte eher ein leichtes Schneegrieseln ohne bleibenden Effekt sein.
Trotz Kälte zwischen null und minus zwei Grad dominiert noch der Sonnenschein. Das soll bis zum Silvestertag übrigens im Großteil des Landes so bleiben, von ein paar Hochnebelfeldern im Tiroler Inntal einmal abgesehen.
Am ersten Tag des neuen Jahres sollten laut ZAMG dann die Wolken überhand nehmen. Die Niederschläge dürften zunehmen, die Schneefallgrenze bleibt im Westen aber bei mehr als 1000 Metern Seehöhe. Je weiter Richtung Osten, desto sonniger dürfte es werden.
Fehlender Niederschlag und bisher ausgebliebener Frost machen den Feuerwehrleuten Kopfzerbrechen: Die Brandgefahr ist derzeit hoch, wie selten im Winter. Schon eine verirrte Silvesterrakete könne einen Waldbrand entfachen, warnen Experten des Wetterdienstes Ubimet. In Kärnten haben einige Bürgermeister Feuerwerke vorsorglich verboten.