Chronik/Österreich

Schlug Mann mit Kopf auf Asphalt: Polizist bekennt sich "nicht schuldig"

Ein Polizist, der am 7. Mai 2023 in Wien-Simmering den Kopf eines damals 19-Jährigen mehrfach auf den Asphaltboden geschlagen hatte, hat sich am Montag wegen Amtsmissbrauchs am Landesgericht verantworten müssen. Der Angeklagte bekannte sich eingangs der Verhandlung "nicht schuldig". Der Verteidiger behauptete, sein Mandant habe "nicht exzessiv" gehandelt, dessen Agieren sei "verhältnismäßig und gerechtfertigt" gewesen.

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Die Staatsanwaltschaft spricht in ihrem Strafantrag dagegen von einem "exzessiven, nicht gerechtfertigten Ausmaß" an Gewalt zur Durchsetzung einer Identitätsfeststellung. Staatsanwältin Anja Oberkofler bekräftigte das vor einem Schöffensenat. Der Angeklagte habe sich auf den von anderen Polizisten bereits zu Boden gebrachten und fixierten jungen Mann gekniet und "aus der Emotion heraus völlig überschießend, exzessiv reagiert", indem er den Kopf des Betroffenen "nicht ein Mal, sondern zwei Mal mit voller Wucht gegen den Asphalt gedonnert hat", wie Oberkofler sagte. 

Die im Ermittlungsverfahren getätigte Behauptung des Angeklagten, er habe das Gleichgewicht verloren, "ist ins Reich der Märchen zu verweisen", sagte die Staatsanwältin.

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Der 19-Jährige habe an der Absperrung eines Mord-Tatorts mit einem Kollegen „gekämpft“, weil dieser ihn nicht zu einem Bankomat durchlassen wollte, sagte der Angeklagte in der Beschuldigteneinvernahme. Er habe „ein kniendes Gerangel“ wahrgenommen: „Für mich war der Eindruck, dass jemand mit Gewalt eine Auseinandersetzung sucht mit der Polizei.“ Ein Kollege habe auch die Festnahme wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt ausgesprochen. Er habe geholfen, den zu Boden gebrachten jungen Mann zu bändigen, was insgesamt vier bereits damit befasste Kollegen nicht geschafft hätten, berichtete der 34-Jährige, der 2015 in den Polizeidienst eingetreten war.

Mann fixiert

Er habe mit seinem Knie den Mann fixiert, dieser habe es geschafft, seine linke Hand zu befreien, behauptete der Beamte. Er habe befürchtet, dieser könnte ihm in die Jacke greifen und an seine Schusswaffe gelangen, gab der Angeklagte zu Protokoll. Beim Versuch, das zu verhindern, habe er „das Übergewicht bekommen“, sei „verrutscht“ und „vorübergefallen“. Zugleich habe sich der junge Mann „aufgebäumt“. Er habe verhindern müssen, „dass er aufkommt“ und sich daher „am Kopf abgestützt“.

"Wüsste nicht, was ich sonst hätte tun sollen"

„Ich wüsste nicht, was ich sonst hätte tun sollen“, führte der Angeklagte aus. Er habe beim Abstützen am Kopf des Betroffenen womöglich „aus Versehen zu stark gedrückt“, beim zweiten bzw. dritten Abstützen aber versucht, den Druck zu reduzieren. Der Mann sei „verbal außer sich“ gewesen. Er habe sich „bemüht, ihm zu helfen“, nachdem er wahrgenommen hatte, dass sich Blutflecken am Asphalt gebildet hatten und der Mann sich verletzt hatte: „Ich habe die Wunde gesäubert und versucht, einen Verband anzulegen.“ Mittlerweile sei aber schon die Rettung zugegen gewesen, die habe die Versorgung übernommen.

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Der 19-Jährige erlitt eine blutende Rissquetschwunde oberhalb des rechten Auges. Ein Puls24-Kameramann filmte die gewalttätigen Szenen mit, der TV-Sender machte das Video öffentlich, das in weiterer Folge viral ging. Ein weiteres, noch aussagekräftigeres Video wurde im Zug der Ermittlungen sichergestellt - ein Angestellter eines Imbiss-Lokals hatte die gewalttätigen Szenen mit seinem Handy gefilmt. Auch die Aufnahmen einer Überwachungskamera wurden sichergestellt. „Film- und Tonaufnahmen sind in letzter Zeit in Verruf geraten. Im gegenständlichen Fall haben sie dazu geführt, dass nicht das Opfer von Polizeigewalt auf der Anklagebank sitzt, sondern ein nach Ansicht der Staatsanwaltschaft gewalttätiger Polizist“, hielt die Staatsanwältin fest.

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Alle drei Videos wurden im Verhandlungssaal abgespielt. Besonders eindrücklich war das Handy-Video, auf dem sogar das Aufschlagen des Kopfes am Asphalt zu hören ist. Zu hören ist auch, wie der 19-Jährige wiederholt lautstark „Was macht ihr? Was macht ihr? Was macht ihr“ schreit. Auch „Was soll das werden?“ und „Was habe ich getan?“ ruft der 19-Jährige.
Zu der verstörenden Amtshandlung war es gekommen, nachdem der 19-Jährige einen abgesperrten Bereich vis-a-vis eines Tötungsdelikt-Tatorts auf der Simmeringer Hauptstraße betreten hatte. Er wollte an einem Bankomaten Geld beheben und sah nicht ein, warum das nicht zulässig sein sollte, nur weil im gegenüberliegenden Geschäft die Spurensicherung im Gange war. In dem Geschäftslokal war zuvor ein 38-Jähriger erschossen worden. Laut Puls24 war die Polizei-Absperrung nicht gut sichtbar.

"Würde ihn als aggressiv bezeichnen"

Zwei Zeuginnen schilderten vor Gericht, dass es eine Absperrung gab. Der 19-Jährige sei von der Polizei auch mehrfach auf diese Absperrung hingewiesen worden und dass er folglich nicht passieren dürfe. Der junge Mann sei darauf „sehr unfreundlich“ geworden, sagte die eine. „Ich würde ihn als aggressiv bezeichnen“, meinte die zweite. Er habe den Polizisten „nachgeschimpft“, worauf man ihn angehalten und zur Ausweisleistung aufgefordert habe.

Er habe keine Absperrung gesehen und von der Polizei wissen wollen, warum er nicht durchdurfte, hielt der 19-Jährige in seiner Zeugenaussage fest: „Ich wollte den Grund wissen. Den habe ich nicht erfahren.“ Er sei in weiterer Folge zur Ausweisleistung aufgefordert worden, nachdem ein Beamter das Wort „Behinderte“ vernommen und das als gegen die Polizei gerichtet empfunden hatte. Der Mann habe bei sommerlichen Temperaturen eine Bomberjacke und eine Wollhaube getragen und sich „äußerst aggressiv“ verhalten, sagte der ursprünglich mit der Amtshandlung befasste 24 Jahre alte Polizist.

Der 19-Jährige bestätigte dem Gericht, dass er die Ausweisleistung verweigert habe. Das habe die Polizei offenbar „als Bedrohung“ empfunden, er sei mit einem Schulterwurf zu Boden befördert worden. In weiterer Folge hätten ihn sechs Polizisten - fünf Männer und eine Frau - zu fixieren versucht: „Ich wollte nicht. Ich habe meine Hände zusammengelegt.“

"Passiver Widerstand"

Der Angeklagte habe „versucht, mich leise zu stellen, zu verstummen“, erklärte der 19-Jährige, Sohn einer Ärztin und zumindest äußerlich dem Angeklagten körperlich unterlegen. Er habe nur auf seine Lage aufmerksam machen wollen: „Ich habe nur passiven Widerstand geleistet. Ich wollte nur Klarheit, warum ich zu Boden geworfen wurde, nur weil ich meinen Ausweis nicht herzeigen wollte.“ Auf die erlittenen Verletzungen angesprochen, meinte der 19-Jährige: „Meine Ader war offen und Blut ist raus gespritzt. Ich war selber aus der Fassung, dass das alles so eskaliert ist“. Er habe sieben bis zehn Tage Schmerzen gehabt.

Mehrere Kollegen des Angeklagten berichteten im Anschluss übereinstimmend, der 19-Jährige habe sich „heftig gewehrt“, sei „äußerst aggressiv“ gewesen und habe „unbedingt freikommen“ wollen. Man habe diesen zunächst auch mit dem Mord in Zusammenhang gebracht, aufgrund dessen es überhaupt eine Polizei-Absperrung gab, weil der Mann eine dicke Bomberjacke trug und man befürchtete, er habe darunter womöglich eine Waffe versteckt.

"Zu Boden gerissen"

Der 24-jährige Polizist, der den 19-Jährigen per Schulterwurf zu Boden beförderte, hat diesen sogar zivilrechtlich auf Schadenersatz verklagt, ein Verfahren ist auf bezirksgerichtlicher Ebene anhängig. Der junge Polizist macht den 19-Jährigen für einen dreiwöchigen Krankenstand verantwortlich, weil dieser ihn „zu Boden gerissen“ habe, wie der 24-Jährige als Zeuge im Grauen Haus sagte: „Ich habe fünf Tage ohne Schmerzmittel nicht schlafen können.“

Die Staatsanwältin betonte daraufhin, die Anklagebehörde habe ein Verfahren gegen den 19-Jährigen wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt sowie schwerer Körperverletzung eingestellt. Die Polizei habe diese Einstellung auch akzeptiert: „Es hat keinen Fortführungsantrag gegeben.“