Chronik/Österreich

Schein statt Sein: Gefälscht wird bis in den Tod

Rechtsanwalt Markus Grötschl hält das Corpus Delicti in der Hand: Ein mutmaßlich gefälschter Vergaser – das Gerichtsverfahren ist noch anhängig. Das Teil, es stammt aus China, wurde in Billig-Mopeds verbaut. Und diese wiederum werben mit dem angeblichen Marken-Vergaser. Selbst in Fachzeitschriften wird darüber berichtet. Allein: Das Teil hält laut Sachverständigen bei Weitem nicht, was man verspricht. Der Schaden geht in die Hunderttausende Euro.

Es sind nicht immer Luxus-Taschen und Nobel-Uhren, die kopiert werden. Produktpiraterie betrifft alle Branchen, wie Grötschl und Georg Schönherr aus langer Erfahrung wissen. Die beiden Anwälte aus Wien haben sich auf Markenschutz spezialisiert. Das Feld ist weit. Und ein breites Spektrum gibt es auch bei der Qualität der Fälschungen.

Der Zeiger wackelt

„Da ist wirklich alles dabei. Wir hatten schon gefälschte Uhren, in denen der Zeiger gewackelt hat. Genauso gibt es das Gegenteil. Da dauert es mehrere Wochen um festzustellen, ob es sich um ein Original handelt oder nicht“, schildert Schönherr.

Seine Kanzlei, die mehrere Modemarken vertritt, schickt regelmäßig Studenten zu Kontrollen. „Die marschieren für uns durch Wien und suchen gezielt nach Fälschungen.“ Fündig wird man in allen Bezirken – selbst im noblen Ersten. „Uns geht es nicht um Menschen, die sich eine gefälschte Tasche kaufen. Uns geht es um diejenigen, die diese Dinge verkaufen“, stellt Schönherr klar.

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Ein Mann (er will anonym bleiben), der bereits im Auftrag großer Firmen nach Plagiaten gesucht hat, schildert das Vorgehen gegenüber dem KURIER so: „Wir wissen schon genau, wo wir suchen müssen.“

Marktstände wie man sie beispielsweise am Brunnen- oder Naschmarkt in Wien findet, sind beliebte Ziele. Dort werden auch die meisten Fälschungen gefunden. Wer allerdings denkt, dass es nur dort zu Funden kommt, der irrt, sagt der Kenner: „Selbst in Geschäftslokalen, die anfangs einen seriöseren Eindruck vermitteln, springen einen gefälschte Markenwaren förmlich an.“

Der erste Indikator, um eine Fälschung zu enttarnen, ist der Preis. „Man weiß natürlich, was die Produkte im Handel kosten. Da wird man schnell stutzig, wenn man eine Handtasche findet, die regulär vielleicht 2000 Euro kostet und bei einem Marktstand oder Geschäft um 50 Euro oder weniger angeboten wird.“

Auf der Jagd

Nachdem die vermeintliche Fälschung gesichtet wurde, machen die Detektive Fotos von der Präsentation und der Lokalität. „Dann kaufen wir das besagte Stück.“ Die Ware lässt der Detektiv dann vom Urheber der Marke prüfen. „Erst das Unternehmen kann entscheiden, ob es sich um eine Fälschung handelt und ob die diversen Anwaltskanzleien dem Fall wegen eines Verstoßes gegen das Markenrecht nachgehen sollen.“

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Außergerichtliche Einigungen wie in einem aktuellen Fall (siehe unten re.) kommen dabei oft zustande. „Der Täter bezahlt einen Schadenersatz und die Ware wird vernichtet.“ Was allerdings nicht passiert, ist, dass das gesamte Sortiment automatisch kontrolliert wird. In Kooperation mit der Polizei werden die fraglichen Stücke sichergestellt. „Es geht dann aber nur um Produkte dieser einen Marke. Wenn der Ladenbesitzer vielleicht auch gefälschte Polo-Shirts oder Pullover einer anderen Marke besitzt, muss dagegen extra vorgegangen werden.“

Aber nicht alle Fälschungen findet man in Geschäften oder auf Märkten. Die Anwälte Schönherr und Grötschl erinnern sich an einen Fall, in dem ein ganzes Hotel mit gefälschten Möbeln ausgestattet wurde. „So etwas wird wirklich teuer. Da bezahlt man die Einrichtung doppelt“, sagt Schönherr.

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Grabstein-Design

Und selbst beim Sterben muss der Markenschutz gewahrt werden. Auf besonderen Wunsch fertigte ein heimischer Steinmetz einen besonderen Grabstein an. Der allerdings glich einem einer deutschen Firma anscheinend bis ins Detail. Doch dieses Design hatte der Betrieb schützen lassen. Die Sache wird aktuell vor Gericht ausgetragen.

Ein Dauerbrenner: Gefälschte Handy-Akkus. Aber selbst Kekse sind vor Nachahmern nicht gefeit – etwa wenn Supermärkte ähnliche Kekse in ähnlicher Verpackung verkaufen. „Ein juristisch spannender Grenzbereich“, sagt Schönherr.

300 Euro für gefälschte Taschen

Kaum eine Nobelmarke wird wohl so oft kopiert wie Louis Vuitton. Speziell die Ledertaschen, die mehrere tausend Euro kosten können, sind bei Fälschern begehrt  – und  auch bei Kunden, die sich das exklusive Original nicht leisten können.

Verkauft werden die gefälschten  Taschen nicht nur am Strand in Italien oder am Basar in der Türkei  – auch   in Wiener Geschäften wird man fündig. Wer entdeckt wird, muss allerdings mit Geldstrafen rechnen – denn bei billigen Imitaten kennen Luxusmarken kein Pardon. In der Vorwoche landete ein derartiger Fall im Landesgericht für Strafsachen in Wien.

Eine Türkin hatte in ihrem Shop in Favoriten gefälschte Louis-Vuitton-Taschen zum Verkauf angeboten. Bei einer Kontrolle im vergangenen Juni wurden die Taschen entdeckt.

Die Luxusmarke und die türkische Geschäftsinhaberin einigten sich vor Gericht  schließlich auf einen Vergleich.  Die Frau muss 3000 Euro Entschädigung plus die Kosten des Gerichtsverfahrens zahlen.  Die gefälschten Taschen werden vernichtet. Wird die Frau noch einmal dabei ertappt, gefälschte Markenware zu verkaufen, muss sie mit einer deutlich höheren Strafe rechnen.

Übrigens: Auf der eigenen Homepage warnt Louis Vuitton vor zu günstigen Angeboten und weist darauf hin, dass die Firma weder Rabattaktionen noch Sonderangebote gewährt. „Fälschungen sind Diebstahl am Kunsthandwerk, das für den Erfolg des Hauses verantwortlich ist“, heißt es.