Chronik/Österreich

Scheidungskinder: Ausnahme bei Besuchsrecht geplant

Scheidungskinder sollen auch in Coronazeiten weiterhin beide Elternteile sehen dürfen. Zuvor hatte es geheißen, dass Kinder den nicht betreuenden Elternteil weder besuchen noch von diesem besucht werden dürfen. Nun wird das Gesundheitsministerium in einem neuen Erlass eine "Ausnahme" schaffen.

"Die Besuchsregelungen für Kinder bei getrennt lebenden Eltern sollen jedenfalls durch die Maßnahmen nicht längerfristig unterbunden sein", betonte der Sprecher von Justizministerin Alma Zadic, Julian Ausserhofer. Der bis Montag geltende Erlass des Gesundheitsministeriums habe für diesen Fall bisher "nicht explizit eine Ausnahme festgeschrieben, aber gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium und dem Familienministerium wurde vereinbart, dass hier Klarheit geschaffen wird und diese Ausnahme aufgenommen wird", so Ausserhofer.

Ministeriumssprecherin Christina Ratz hatte der APA zuvor einen für die Corona-Frageseite des Ressorts bestimmten Text übermittelt, in dem es wörtlich hieß: "Aufgrund der aktuellen Maßnahmen der Bundesregierung darf das Kind den Haushalt des betreuenden Elternteils bis auf weiteres nicht verlassen. Auch ein Besuch dort ist nicht erlaubt. Der Kontakt soll stattdessen möglichst via Telefon, Videochat etc. aufrechterhalten werden."

FPÖ und NEOS übten umgehend Kritik und forderten Justizministerin Zadic zu einer Änderung der Regelung auf. Die Maßnahme "schießt über das Ziel hinaus und muss dringend geändert werden", schrieb FPÖ-Chef Norbert Hofer in einer Aussendung. Er argumentierte, dass einige Kinder immer noch in Schulen seien und dort mit Menschen in Kontakt seien. "Am Nachmittag darf das Kind zum Spielplatz gehen und trifft womöglich auch dort auf andere Kinder und Elternteile - aber wenn der Vater des Kindes sein Besuchsrecht wahrnehmen und das Kind sehen will, dann ist das aufgrund der Ansteckungsgefahr nicht mehr erlaubt."


Quasi-Besuchsverbot kann Familienkonflikte verschärfen

Ähnlich äußerte sich der stellvertretende oberösterreichische Landeshauptmann Manfred Haimbuchner (FPÖ). "In dieser Krisensituation müssen wir Familienstrukturen stärken, statt sie zu schwächen." Er brachte zudem das Beispiel einer alleinerziehenden Mutter, die in der Krise als Pflegerin, Ärztin oder Verkäuferin arbeite und ihre Kinder nicht zum getrennt lebenden Vater bringen dürfe, sondern zu fremden Personen in die Notfallbetreuung. Die Maßnahme sei "nicht zu Ende gedacht".

NEOS-Abgeordneter Michael Bernhard warnte, dass "ein Quasi-Besuchsverbot bestehende Familienkonflikte verschärfen kann". Es sei zwar gut, dass die Regierung bei der Einschränkung von sozialen Kontakten auch in der Familie konsequent sei, "allerdings appelliere ich, dass das mit Augenmaß passiert. Dass Kinder von geschiedenen Elternteilen einen Elternteil nicht mehr sehen dürfen, ist ein gravierender Eingriff in die Rechte von Kindern." Zudem würden sich in vielen Patchworkfamilien die Eltern die Verantwortung für die Kinderbetreuung aufteilen.

Der Wiener Rechtsanwalt Alexander Scheer wies in einem E-Mail an die APA darauf hin, dass die geltende Rechtslage weder das Verlassen der Wohnung verbiete noch das Zusammensein mit dem anderen Elternteil. Auch sei der Kontakt es Kindes zu beiden Eltern ein Menschenrecht, in das nicht einfach eingegriffen werden könne. Zudem decke der Kontakt mit dem Elternteil "sicherlich ein Grundbedürfnis" entsprechend der Verordnung ab, und Elternteile, die bisher ihre Kinder regelmäßig am Wochenende bei sich betreut hätten, seien als Personen anzusehen, die mit den Kindern (auch) in einem gemeinsamen Haushalt lebten.

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