Chronik/Österreich

Rinder-Export übers Meer: Katastrophale Zustände aufgedeckt

Von der spanischen Hafenstadt Cartagena aus werden jährlich tausende Rinder aus ganz Europa auf Schiffe verladen, die sie zur Schlachtung in den Libanon, nach Israel oder in die Türkei bringen. Die katastrophalen Zustände, die dort herrschen, bleiben normalerweise der Öffentlichkeit verborgen. Tierschützer internationaler Organisationen, darunter vom Verein gegen Tierfabriken (VGT), haben sie dokumentiert. Auch viele österreichische Kälber nehmen nach der Mast oft diesen Weg.

In einem aktuellen Video ist die erschreckende Situation im Verladehafen Cartagena festgehalten. Das Areal ist laut VGT für die Öffentlichkeit nicht zugänglich und so sind die dort herrschenden Zustände für Außenstehende nicht ersichtlich. In dem Clip ist dokumentiert und von einer Sprecherin erklärt: Tiertransporte kommen Tag und Nacht, die Tiere werden nicht sofort verladen und müssen in der Hitze und ohne Wasser, ohne Einstreu stundenlang in ihren Exkrementen ausharren.

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Die Tiere werden dann mit Stöcken und Elektroschocks über schmale, steile Rampen zu den Schiffen getrieben. Manche rutschen ab, andere scheuen vor der Dunkelheit im Schiffsinneren zurück. "Das Verladen der Tiere dauert mehrere Tage und in der Zeit müssen die ersten Tiere im Schiffsinneren ausharren. Das verlängert den ohnehin schon wochenlangen Transport noch weiter", so die Sprecherin im Video.

"Nebenprodukt der Milch-Überproduktion"

Die Kälber, die verschifft werden, sind laut VGT "das Nebenprodukt der europäischen Milch-Überproduktion": "Denn eine Kuh muss, um für den landwirtschaftlichen Betrieb wirtschaftlich zu sein, jedes Jahr ein Kalb zur Welt bringen. Die überzähligen männlichen Kälber werden in Länder wie Spanien oder Italien transportiert, wo die Mast am billigsten ist - Zehntausende davon jedes Jahr aus Österreich", hieß es auch in einer Aussendung dazu am Mittwoch.

Export-Verbot gefordert

Der VGT forderte die Verantwortlichen auf, weg vom Fokus auf "immer mehr Milch" zu kommen und den Export österreichischer Kälber zu verbieten. "Ich denke nicht, dass Menschen, die Produkte wie Milch, Käse und Joghurt kaufen, so empathielos sind, dass sie dieses immense Leid bewusst unterstützen. Viel mehr steckt jahrzehntelanges geschicktes Marketing sowie Desinformationskampagnen der Tierindustrie hinter diesem weltweiten Skandal. Wir vom Verein gegen Tierfabriken haben es uns zur Aufgabe gemacht, das leidvolle Dasein der sogenannten 'Nutztiere' zu dokumentieren und zu veröffentlichen, um Menschen dazu zu bewegen, Entscheidungen zu treffen, die im Einklang mit ihren eigenen moralischen Wertvorstellungen liegen", sagte Isabell Eckl vom VGT. Neben Tierschützerinnen und Tierschützern des VGT waren auch Mitglieder der Organisationen Animals International und Animal Welfare Foundation an der Video-Aktion beteiligt.

Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) versicherte als Reaktion auf die Bilder und die Tierschützer-Kritik: „Keine Bäuerin und kein Bauer in Österreich möchte, dass die von ihnen aufgezogenen Kälber durch lange Transporte oder schlechten Bedingungen in anderen Ländern leiden. Mit dem beschlossenen Tierwohl-Paket haben wir wichtige Weiterentwicklungen bei Tiertransporten erreicht - etwa durch strengere Bestimmungen, kürzere Transportzeiten und ein Verbot von Transporten in bestimmte Drittstaaten.“

Totschnig: Kälberexporte wurden reduziert

Als Beleg verwies der Minister in einer Stellungnahme auf Zahlen der Rinderzucht Austria, wonach nur ein geringer Teil an Kälbern exportiert wird. Rund 95 Prozent der Kälber würden in heimischen Milch- oder Mastbetrieben zur Produktion von Lebensmittel aufgezogen. Gleichzeitig seien die Kälberexporte in den vergangenen fünf Jahren um rund 35 Prozent reduziert worden.

Zudem sei in der Zusammenarbeit mit der Branche eine Kalbfleischstrategie erarbeitet worden. „Unser Ziel ist die inländische Kalbfleischproduktion mit Qualitätsprogrammen zu fördern und damit Kälbertransporte weiter zu reduzieren. Entscheidend dafür ist, dass die österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten unsere hochwertigen Produkte auch kaufen. Höhere Standards bestellen und dann importierte Billigprodukte kaufen, geht sich nicht aus. Daher appelliere ich einmal mehr: Auf regionale Produkte setzen statt Tierleid importieren.“

Als Reaktion auf die Bilder forderte der EU-Abgeordnete und Co-Vorsitzende der Europäischen Grünen Partei, Thomas Waitz, die EU-Kommission zum Handeln auf. „Es ist mittlerweile fast ein Jahr her, seit das Europäische Parlament seine Empfehlungen an die Kommission zur Überarbeitung der EU-Tiertransport Verordnung abgeschickt hat. Verzögert die Kommission die Überarbeitung absichtlich bis zum Ende der Legislatur?“, fragte er in einer Aussendung. Das Mindeste sei eine Umsetzung einer maximalen Transportzeit von acht Stunden, eines Verbotes kommerzieller Transporte nicht entwöhnter Tiere und eines Exportverbotes in Drittstaaten, in denen EU-Tierschutzstandards nicht eingehalten werden.