Chronik/Österreich

Pistenrowdy rammt Ernst Strasser: Begleiterin als einzige Zeugin

Es ist windig im Skigebiet Dachstein-West in Rußbach/Gosau (Tennengau). Die Höhbühel-Abfahrt wird im Schneegestöber zum Blindflug. Könner stürzen sich die rote Piste hinunter, Anfänger tasten sich im Pflug voran. Wie sich Ex-Innenminister Ernst Strasser hier am Samstag angestellt hat, ist nicht überliefert. Ins Tal kam der 57-Jährige jedenfalls nicht auf zwei Brettern, sondern verletzt in einem Akja der Pistenrettung. Der glücklose Ex-Lobbyist wurde Opfer eines Pistenrowdys.

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Gegen 13.45 Uhr hat ihn ein Unbekannter frontal gerammt und verletzt liegen gelassen. Seine Begleiterin dürfte die einzige Zeugin sein. „Sie hat den Verursacher aber nur mehr von hinten gesehen, weil er gleich weitergefahren ist“, sagt Polizeisprecher Anton Schentz. Die Personenbeschreibung ist entsprechend vage: Roter Anorak, gelber Skihelm. „Das macht die Fahndung nicht unbedingt leichter“, sagt Schentz. „Wir wären froh über weitere Zeugen.“

Strasser hatte einen Bruch am linken Unterschenkel erlitten, wurde erst ins Spital nach Bad Ischl und anschließend nach Wien gebracht. In Rußbach ergab die Fahndung eine Stunde später den ersten Treffer: „Bei der Talstation wurde ein möglicher Verdächtiger aufgehalten. Es stellte sich aber heraus, dass er nichts damit zu tun hat“, sagt Schentz. Der „Promifaktor“ spiele bei den Ermittlungen keine Rolle, betont er: „Wir gehen wie bei einem normalen Skiunfall mit Fahrerflucht vor.“

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Und auch bei den Pistenrettern ist das Interesse am prominenten Unfallopfer enden wollend: „Wir haben ihn abtransportiert, Ende der Geschichte.“ Ein Liftwart wird noch deutlicher: „Strasser hin oder her – wenn man jemanden niederfährt und ihn einfach liegen lässt, ist das eine Sauerei.“

Bis zu drei Jahre Haft

Strasser ist kein Einzelfall. Jährlich verzeichnet die Polizei in Österreich etwa 3500 Skiunfälle mit Fremdverschulden. Wer einen Verletzten im Stich lässt (und wenn dieser stirbt), muss mit bis zu drei Jahren Gefängnis rechnen. Fahrlässige Körperverletzung wird je nach Schweregrad mit bis zu drei Monaten Haft geahndet, unter besonders gefährlichen Umständen drohen bis zu zwei Jahre. Eine Alkoholisierung wirkt sich bei Skiunfällen übrigens wie im Straßenverkehr strafverschärfend aus. Geringfügige Verletzungen, die binnen zwei Wochen ausheilen, sind hingegen straffrei. „In Tirol gibt es jedes Jahr eine Vielzahl von Verhandlungen. Meist kommt es zu einer Diversion mit Geldstrafe“, erklärt Florian Oberhofer von der Staatsanwaltschaft Innsbruck.

Jener Brite, der den EU-Politiker Othmar Karas im Februar 2011 auf einer Skipiste bei Zell am See rammte, musste zum Beispiel 1000 Euro Buße zahlen.

Ab 4. März sitzt der frühere ÖVP-Innenminister und Europaabgeordnete Ernst Strasser erneut auf der Anklagebank im Wiener Landesgericht. Nachdem der Oberste Gerichtshof die Verurteilung zu vier Jahren Haft wegen eines Formalfehlers aufgehoben hatte, wird der Prozess um Bestechlichkeit wiederholt. Strassers Skiunfall wird kein Hindernis sein, wie Verteidiger Thomas Kralik dem KURIER gegenüber erklärte: „Der Prozesstermin bleibt aufrecht, es ist alles halb so schlimm.“

Die neue Richterin Helene Gnida will Othmar Karas, den damaligen Konkurrenten Strassers und nunmehrigen ÖVP-Delegationsleiter in Brüssel, sowie jene beiden britischen Enthüllungsjournalisten als Zeugen hören, denen Strasser seinerzeit auf den Leim gegangen war. Sie hatten sich als Lobbyisten getarnt und den Parlamentarier auf seine Bestechlichkeit hin getestet. Strasser erklärte sich zur Einflussnahme auf die EU-Gesetze gegen Schmiergeld bereit. Für 12. März ist das Urteil geplant.