Chronik/Österreich

Es wird noch länger dauern

Die Prognose zeigt einen deutlichen Trend nach oben. Nicht nur die Infektionskurve, sondern auch jene mit den Temperaturen. Heute 17 Grad, nächste Woche zwar etwas kühler, aber sonnig. In der Osterwoche werden derzeit 20 Grad bei strahlendem Sonnenschein vorhergesagt.

Oft haben sich die Prognosen schon geirrt. Wir haben einen Ausflug wegen Schlechtwetters storniert und dann gesehen, dass es eigentlich eh schön war. Oder umgekehrt. Diesmal ist es ziemlich egal, wir sitzen so oder so zu Hause fest. Denn im Gegensatz zum Wetterbericht irrt die Corona-Prognose derzeit leider nicht: Die Zahl der Neuerkrankungen kann ziemlich genau vorhergesagt werden, auch jene der Intensivpatienten, leider auch jene der Toten.

Wer immer bis zuletzt noch darauf gehofft hatte, dass die Einschränkungen bereits für Ostern gelockert werden könnten, irrte gewaltig. Manche hielten es sogar für eine taktische Maßnahme der Regierung, um am Gründonnerstag das Osterfest per PR-Coup „frei zu geben“. Doch die Verantwortungsträger geben derzeit keine Entwarnung, im Gegenteil: „Zu Ostern auf Besuch zu einem anderen Teil der Familie zu fahren, ist das Schlechteste, was man machen kann“, lauten die Warnungen. „Der direkte Kontakt zu anderen Personen ist die häufigste Form der Übertragung.“

Die Zeit steht still

Auch die Statistik gibt zwei Wochen vor dem Osterfest keinen Grund zur Entspannung. Noch immer verdoppelt sich die Zahl der Erkrankten alle vier Tage. 7.400 waren es am Freitag, 15.000 am Mittwoch, 30.000 am kommenden Sonntag – außer wir schaffen nächste Woche einen Turnaround. Sicher ist sich dabei aber niemand.

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Die langen Tage zu Hause belasten die Psyche der Menschen. Kinder springen im wahrsten Sinne des Wortes in der Wohnung im Quadrat und freuen sich erstmals wieder auf die Schule. Netflix und ORF boomen, Bücher vielleicht auch. Manche Streitigkeiten aus Beziehungen werden im Freundeskreis berichtet (natürlich nur telefonisch). Auch gut funktionierende Partnerschaften sind die ständige Nähe nicht gewohnt. Die Dauer der gefühlten Quarantäne (eine richtige ist sie natürlich nicht) wirkt schon viel länger, als sie tatsächlich ist.

Der erste Corona-Tote in Österreich wurde vor zwei Wochen gemeldet. Der erste bestätigte Fall vor vier Wochen. Sie erinnern sich: zwei Menschen in Innsbruck, die aus Italien zurückkamen, eine davon Rezeptionistin in einem Innsbrucker Hotel. Es waren die ersten Bilder von Sperren in Österreich. Die Olympischen Spiele wurden vor 4 Tagen abgesagt, die Fußball-EURO erst vor zehn.

Ein Streifzug durch das geschlossene Wien

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Jeder Tag zählt

Zur wirksamen Bekämpfung der Krise zählt jeder Tag. Derzeit kommen täglich mehr als 1.000 Infizierte und 10 Tote dazu. Die Zahl der notwendigen Intensivbetten steigt jedoch nicht in dieser Größenordnung mit. Auch hier ein Beispiel: In Italien gab es den ersten Corona-Fall am 30. Jänner, erst am 5. März wurden die Schulen geschlossen, also 35 Tage später. Nach 40 Tagen erklärte Ministerpräsident Giuseppe Conte Italien zur Sperrzone.

Österreich hatte den ersten Fall am 26. Februar, bereits 13 Tage später wurden Lokale eingeschränkt, nach 19 Tagen waren die Schulen zu. Fast doppelt so schnell wie in Italien. Übrigens: Per 10. März hat Österreich die Grenzen de facto geschlossen, genau zwei Wochen nach dem ersten Corona-Fall. Nicht auszudenken, wie es bei uns aussehen würde, wenn wir ähnlich lange gebraucht hätten wie die Italiener. Der Vorteil war, dass wir die Probleme schon direkt vor unseren Augen hatten. Nicht immer ist es gut, der Erste zu sein.

Der Ausblick

Der Blick in die jüngere Vergangenheit gibt uns auch eine Einschätzung für die nahe Zukunft und die Frage, wie es nach Ostern weitergehen könnte. Gehen die Zahlen nicht sehr rasch zurück, wird es auch in österreichischen Spitälern unvermeidlich zu Engpässen kommen. Selbst wenn es mit hoher Disziplin und Kraftanstrengung gelingt, das bestmöglich zu verhindern, bleibt der Zahl der Infizierten vorerst konstant hoch.

Experten warnen dringend vor einer Lockerung der Verbote: „Sobald Maßnahmen gemildert werden, gehen die Erkrankungen auf die ursprüngliche Fallzahl zurück“ sagt Mirjam Kretzschmar von der Universitätsklinik Utrecht. Und sie würden natürlich wieder steigen. Spitäler wären überlastet. Menschen würden sterben, weil sie nicht behandelt werden können. Und kein Politiker kann dieses Szenario wollen, noch dazu, wenn er es mit einer Lockerung von Maßnahmen selbst herbeigeführt hat.

Kein Hammer und Tanz

Was jedoch geht, wäre ein Austausch von Maßnahmen. Also eine lockern, eine andere einführen oder verschärfen. Geschäfte aufsperren zum Beispiel, aber die Hygienevorschriften verordnen. Solche oder ähnliche Tauschgeschäfte könnten funktionieren, wobei die Politik im Fall einer Fehleinschätzung auch nicht allzu oft die Strategie ändern kann, denn dann würde sie an Glaubwürdigkeit verlieren, und die Disziplin der Menschen würde augenblicklich sinken. Die ursprünglich gedachte Strategie „Hammer und Tanz“ – also zuerst das Virus erschlagen, dann wieder zu feiern beginnen – geht nur vorsichtig.

„Handel vor Schule“

Bei einer möglichen Lockerung hört man aus ÖVP-geführten Ländern aber eine klare Priorität: „Aus Gründen der Volkswirtschaft geht eine Öffnung des Handels klar vor einer Öffnung der Schulen. Dort verlieren wir nicht Milliarden Euro und zigtausende Jobs“, so ein schwarzer Landeshauptmann zum KURIER.

Zusammengefasst heißt das: Bis Ostern ist alles so wie bisher. Danach sollte man sich ebenfalls nicht auf große Änderungen einstellen, eher erst Ende April oder Anfang Mai. Eine „neue Normalität“, wie es Bundeskanzler Kurz Mitte der Woche bei einer Pressekonferenz gesagt hat. Eine Realität, die weit von dem entfernt ist, was vor Corona war. Keine guten Nachrichten, aber leider Realität.

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