Nicht nur die Hetzer kriegen Tafeln
Schwarz-Blau in Graz hat seinen eigenen Weg, mit belasteten Straßennamen umzugehen. Davon gibt es nicht wenige, zwölf Prozent aller Benennungen sind historisch problematisch. Doch anstelle von Neubenenunngen treten Erklärtafeln und zwar gleich für alle Straßennamen, die personenbezogen sind. Das lässt sich die Stadt 1,3 Millionen Euro kosten.
Bürgermeister Siegfried Nagl, ÖVP, betrachtet das als „Wissensprojekt. Wir tun etwas für die Bildung von Schülern, Bewohnern und Gästen der Stadt.“ Sämtliche Zusatztafeln sollen bis 2028 angebracht und auch auf einem Online-Stadtplan zu finden sein.
Damit wird die seit 2014 laufende unangenehme Debatte um Namen von Nazi-Schergen, Austrofaschisten oder Kriegshetzern am Ende der Monarchie freilich auch gekonnt umschifft. Eine Historikerkommission untersuchte jene 707 personenbezogenen Bezeichnungen öffentlicher Plätze vier Jahre lang penibel, das kostete rund 170.000 Euro. 82 Namen stuften die 14 Experten als bedenklich ein, 20 von ihnen als sehr problematisch.
Rassistisch, antisemitisch
Darunter die Luigi-Kasimir-Gasse: Benannt nach einem Mann, der sich während des NS-Regimes bereicherte und nach dem Ende des Krieges dafür auch verurteilt wurde. Oder der Walter-Semetkowski-Weg: Sein Namenspate war als „Volksbildungsreferent“ oder „Gaukonservator“ für Enteignungen zuständig. Gemeinsam ist allen diesen Namensbezeichnungen: Die Personen dahinter waren rassistisch, antisemitisch oder nationalsozialistisch.
Die Erklärtafeln für diese belasteten Straßennamen sollen als erste angefertigt und angebracht werden, jeweils zu Beginn und Ende eines Straßenzuges. Heuer noch sei geplant, die ersten von ihnen anzubringen, hieß es am Freitag seitens der Stadtbaudirektion. Unter ihrer Leitung, speziell des Stadtvermessungsamtes, läuft das Projekt. Für die inhaltliche Aufarbeitung seien auch Kulturamt und Uni Graz kontaktiert worden. Der Plan muss vom Gemeinderat abgesegnet werden, schon in der nächsten Sitzung am 4. Juli soll der entsprechende Antrag eingebracht werden. Er wird durchgehen, ÖVP und FPÖ haben eine Mehrheit.
„Wir stellen uns unserer historischen Verantwortung, in dem wir belastete Straßennamen im Zusammenhang mit nationalsozialistischem Hintergrund klar aufzeigen“, versichert Stadtchef Nagl. Doch so breit aufgezogen habe das Projekt „doppelten Nutzen. Alle können durch die Zusatztafeln erkennen, welche historische Persönlichkeit geehrt wird“.
Andere Parteien skeptisch
Die Opposition wirkt weniger begeistert. Schon als Nagl vor einigen Monaten wissen ließ, dass die Straßen nicht neu benannt würden und es kein Bürgerbeteiligungsmodell gäbe, bezeichnete dies die SPÖ als „peinlichen Kniefall vor der FPÖ“. Die Grünen rügten, dass die ÖVP so das „ideologische Geschichtsbild“ der Blauen mittrage. Ob die Opposition dem Antrag der Koalitionsparteien zustimmt, war am Freitag noch offen.