Chronik/Österreich

Neuer S-Bahntunnel in Wien: Niederösterreich drängt, ÖBB bremst

Während die Führung des Verkehrsverbunds Ost-Region (VOR) in der Vorwoche gemeinsam mit Niederösterreichs Verkehrslandesrat Ludwig Schleritzko in München weilte, um sich die Bauarbeiten zu einer zweiten S-Bahnstammstrecke anzusehen, warben die ÖBB in Wien für die gegenteilige Stoßrichtung. Man würde den Erfolg der S-Bahn auch so ausbauen, war dort zu lesen. Aber ohne die von Niederösterreich geforderte zweite S-Bahnstammstrecke, ohne eine zusätzliche Tunnelstrecke durch die Bundeshauptstadt.

Wörtlich heißt es im ÖBB-Papier: „Die S-Bahn wird von den ÖBB sukzessive ausgebaut, um den künftigen Anforderungen der Pendlerinnen und Pendler an einen modernen öffentlichen Verkehr gerecht zu werden. In der Ostregion liegt der Fokus dabei aktuell im Süden von Wien.“ Zu den aktuellen Maßnahmen zählen der Ausbau der Strecke von Wien nach Bratislava, der Pottendorfer Linie sowie der S-Bahn von Hütteldorf nach Meidling. In Planung sind unter anderem der Ausbau der S-Bahn zwischen Meidling und Mödling sowie die Flughafenspange (siehe Grafik).

900 Züge am Tag

Allein mit der Modernisierung der derzeitigen S-Bahn-Stammstrecke zwischen Meidling und Floridsdorf sollen künftig 900 statt bisher 700 Züge durch Wien geführt werden. In den nächsten Jahren würden – laut ÖBB – rund 2,16 Milliarden Euro in S-Bahn-Projekte investiert.

Der VOR – dort sind Wien, NÖ und das Burgenland vertreten – will aber über diese Maßnahmen hinaus den zusätzlichen S-Bahntunnel, um den öffentlichen Verkehr noch weiter ausbauen zu können. Schleritzkos Reaktion auf die ÖBB-Ansage: „Wollen wir langfristig die bestmöglichen Angebote in der Ost-Region umsetzen, müssen wir jetzt die Planungen starten. Die Maßnahmen, welche von den ÖBB aufgezählt wurden und teilweise ja bereits in Umsetzung sind, und der Bau der neuen Stammstrecke stehen nicht in Konkurrenz zueinander.“ Deswegen werde Niederösterreich weiter dafür werben, dass die neue Strecke durch Wien geplant wird.

Bei den kurzfristigen Maßnahmen hätte sich Schleritzko auch die Verlängerung der Bahnsteige in den Stationen Handelskai, Traisengasse, Rennweg und Matzleinsdorfer Platz auf 230 Meter gewünscht. Schleritzko: „Dann könnten in den REX-Zügen pro Tag 40.000 Sitzplätze mehr angeboten werden.“ Die ÖBB werden aber lediglich den Bahnsteig am Matzleinsdorfer Platz im Zuge des U2-Ausbaus verlängern.

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Wien überzeugen

Um eine neue S-Bahnstammstrecke in Angriff nehmen zu können, müssen alle drei Bundesländer an einem Strang ziehen. Nur so kann der Bund zum Milliardenprojekt bewegt werden. In Wien hat sich Verkehrsstadträtin Birgit Hebein (Grüne) bisher aber noch nicht klar geäußert. Die Wiener Neos wiederum begrüßten zwar die Pläne „zu einem S-Bahnausbau in der Ostregion“. Niederösterreichs Vision eines zweiten Stammstreckentunnels halten sie aber „derzeit für unrealistisch“.

Zwischen den Landeshauptleuten Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Michael Ludwig (SPÖ) gab es zur neuen Stammstrecke bisher nur lose Gespräche. Im ersten Quartal 2020 soll es dazu zu einem Verkehrsgipfel auf höchster Ebene kommen, der letztendlich entscheidend sein wird.