Chronik/Österreich

Nach Nahtoderlebnis: Dieser Mann ist ein Gefühl

Er arbeitet vier Tage die Woche, ist aber seit sieben Jahren im Ruhestand. Er wusste nicht, was ein Masseur überhaupt macht und ist nach über einem halben Jahrhundert noch immer mit Leidenschaft in seinem Beruf tätig.

Er sieht kaum noch etwas und gestorben ist er auch schon – nicht nur in China, sondern auch beim Rasenmähen. Klingt nach einer „alles, außer gewöhnlichen“ Lebensgeschichte?

Ist sie auch, schließlich ist es jene von Hannes Steiger. 72 Jahre alt ist der Südburgenländer mit den goldenen Händen. Tausenden Menschen hat der bekannte Heilmasseur bei ihren Beschwerden geholfen, Schmerzen gelindert, Verspannungen gelöst.

Angeborener Sehdefekt

Gesehen hat sich Hannes Steiger in jungen Jahren allerdings wortwörtlich nicht in seinem Beruf. „Ich habe einen angeborenen Sehdefekt. Beim AMS meinte man damals, ich solle halt Masseur werden, dabei wusste ich nix über den Beruf. Sie rieten mir, zwei Bücher zu kaufen – eins über Anatomie und eins über Pathologie – und der Rest wird sich dann schon zeigen“, erinnert sich Hannes Steiger schmunzelnd.

China richtig „g’spürt“

Über 50 Jahre später hat Steiger selbst mehrere Bücher geschrieben, zig Kollegen ausgebildet und gilt als Koryphäe seines Fachs, dessen Gebiete auch die TCM , im speziellen die Akupressur, umfasst. Erlernt hat der Bad Tatzmannsdorfer die fernöstlichen Behandlungsmethoden ebendort – in China.

Wie es dazu kam? „1987 hatte ich Margarethe Ottillinger zur Massage da. Sie war maßgeblich an der Marshallplanhilfe für Österreich beteiligt. 30 Minuten nach dem Kennenlernen haben wir beschlossen, gemeinsam nach China zu reisen. Am Ende flog ich zwar alleine, weil Frau Ottillinger erkrankte, allerdings wurde ich am anderen Ende der Welt durch ihren Bekanntheitsgrad hofiert wie ein Präsident. Man sperrte den gesamten Tian’anmen-Platz für mich, und die Chinesen mussten zu Tausenden draußen warten. Das war schon ein sehr eigenartiges Gefühl.“

Hannes Steiger erlernte die TCM-Techniken am eigenen Leib – und er bekam sie zu spüren. „Für die Chinesen sind wir Weicheier, die nix aushalten. Bei einer Behandlung damals dachte ich, das war’s, jetzt sterbe ich. So weh hat das getan.“

Nahtoderlebnis

Gestorben ist der Mann, dessen Lebensgeschichte ganze Bücher füllen würde, tatsächlich auch schon einmal beinahe. „Beim Rasenmähen hab ich ein Wespennest erwischt und wurde zigmal gestochen. Ich bin erstickt, das Gefühl war weniger schön, aber was danach kam, das schon“, erzählt der Mann, der vor wenigen Tagen seinen 72. Geburtstag gefeiert hat, von seinem Nahtoderlebnis. Und wenn er etwas erzählt, dann immer mit einer Leichtigkeit, die das Leben ihm vom Start weg definitiv nicht auferlegt hat.

Aber Hannes Steiger folgt seinem Optimismus eben so beharrlich wie seine heilenden Hände verspannten Muskelsträngen.

Ganz persönliche Lebensphilosophie

„Wenn was Ungutes passiert, frag’ ich mich immer, wofür das jetzt wohl wieder einmal gut sein wird. Am Ende zeigt sich nämlich auch stets das Gute im Unguten. Hätte ich meine Sehbehinderung nicht, hätte ich nie gelernt, mit meinen Händen zu sehen, und wäre nie Masseur geworden. Und ich liebe meinen Beruf, ich liebe es, dass ich anderen aktiv helfen kann“, beschreibt der Südburgenländer vielleicht auch ein bisschen seine ganz persönliche Lebensphilosophie.

Wie weit seine Liebe zum Beruf reicht, kann man von Dienstag bis Freitag im Reduce Gesundheitsresort Bad Tatzmannsdorf am eigenen Leib erleben. Der Pensionist arbeitet nämlich noch immer und denkt nicht ans Aufhören. „Gott sei Dank“, sagt eine Klientin. Auf die Frage, wie sie sich nach der Massage des Profis fühlt, antwortet sie lachend: „Steiger!“