Chronik/Österreich

Nach Jahren Verzögerung: Katastrophenalarm am Handy startet

Praktisch jeder Österreicher besitzt ein Smartphone. Unabhängig vom jeweils verwendeten Mobilfunkanbieter können die Behörden künftig bei Bedrohungslagen jeden im Land warnen, der sein Handy eingeschaltet hat. Die Nachrichten können dabei auch regional zielgerichtet verschickt werden.

Eine eigene App oder eine Anmeldung für dieses System ist nicht notwendig. Das federführend vom Innenministerium entwickelte Warnsystem namens AT-Alert nutzt das sogenannte Cell-Broadcast-System

Push-Nachricht auf jedes Handy

Mit diesem können Nachrichten direkt auf Handys geschickt werden, die im Umfeld von angesteuerten Mobilfunkmasten eines betroffenen Gebiets eingeloggt sind. Die Geräte müssen nur eingeschaltet sein. Das System schlägt sogar Alarm, wenn sich das Mobiltelefon im Flugmodus befindet oder auf lautlos geschalten ist.

Ein Terrorlage, wie 2020 in der Wiener Innenstadt. Ein Chemieunfall, der zur Gefahr für Anrainer werden kann. Oder eine drohende Naturkatastrophe. Die Szenarien, in denen Innenministerium oder die neun Landeswarnzentralen Alarmmeldungen versenden können, sind mannigfaltig.

Mit kommenden Montag, 9. September, beginnt der Testbetrieb in den Bundesländern. Das Land Tirol etwa, das bereits im Mai und Juni Probemeldungen verschickt hat und sich deshalb als "Vorreiter" sieht, wird zunächst auf Gemeindeebene und in weiterer Folge in Bezirken testen.

Bundesweite Nagelprobe

Am 5. Oktober soll AT-Alert schließlich im Zuge eines österreichweiten Zivilschutz-Probealarms, bei dem jedes Jahr die Sirenen im ganzen Land geprüft werden, im gesamten Bundesgebiet seine Nagelprobe bestehen. 

Besteht das System den Test, dürfte in weiterer Folge der Echtbetrieb erfolgen - aber in jedem Fall um Jahre zu spät. Das System müsste laut einer EU-Richtlinie nämlich bereits seit Ende Juni 2022 in Österreich aktiv sein.

Angekündigt hatte die Schaffung des Warnsystems bereits 2019 Norbert Hofer, damals in seiner Rolle als FPÖ-Verkehrsminister zuständig. Im selben Jahr wurde die türkis-blaue Koalition vom Ibiza-Skandal davongeschwemmt.

Novelle 2021

Im Herbst 2021 wurde im – inzwischen türkis-grünen – Ministerrat eine Novelle zum Telekomgesetz beschlossen, die das Bevölkerungswarnsystem auf Schiene bringen sollte. Die damals für Infrastruktur zuständige Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) kündigt eine Umsetzung 2022 an. Daraus wurde nichts.

2022 kündigte dann der frisch zum ÖVP-Staatssekretär für Digitalisierung gekürte Florian Tursky den Start des Warnsystems mit spätestens Frühjahr 2023 an. Im heurigen Frühjahr verkündete er dann vor seinem Abgang gemeinsam mit Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), die "digitale Sirene" werde "jedenfalls noch im Sommer" starten.

Der Sommer ist inzwischen vorbei, mit dem nun beginnenden Herbst startet aber zumindest endlich der Testbetrieb. In den Bundesländern will man sich die Zeitverzögerung jedenfalls nicht anhängen lassen. Die notwendige Durchführungsverordnung sei durch den Bund erst im April 2023 erlassen worden.

Langer Vorlauf

Anschließend habe man sich "auf die Reise begeben", heißt es aus einem der Bundesländer. Die Mobilfunkanbieter hätten in der Folge unterschiedliche Zeithorizonte von jeweils mehreren Monaten genannt, die als Vorbereitung notwendig seien.

Tirols Sicherheitslandesrätin Astrid Mair (ÖVP) preist nunmehr jedenfalls die Vorteile an. So könnten alle Menschen in einem bestimmten Gebiet - egal ob Einheimischen, Gästen oder Durchreisenden - innerhalb kürzester Zeit vor einer möglichen Gefahr gewarnt werden.

"Der Vorteil an diesem System ist es auch, dass allen voran die höchste Warnstufe 'Notfall' automatisch aktiviert ist und es kein Zutun der Nutzerinnen und Nutzer benötigt", sagt Mair. EU-Standards geben noch abgestuft geringere Gefahrenlagen vor. 

In Handy-Einstellungen aktivieren

Um über diese ebenfalls informiert zu werden, müssen Handynutzer eventuell den Erhalt derartiger Push-Nachrichten in ihren Geräteeinstellungen aktivieren. Die in der nächsten Zeit versandten Test-Warnungen sind jedenfalls klar als solche gekennzeichnet.

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"Teilweise werden wir den Versand solcher Meldungen an einzelne Gemeinden, aber auch ganze Bezirke testen", kündigt in Tirol Elmar Rizzoli an, der im Bundesland das Zentrum für Krisen- und Katastrophenmanagement leitet. 

Neben Gemeinden, Bezirken und dem ganzen Bundesland wurden aber auch Talschaften sowie Zonen um Betriebe, die mit Gefahrenstoffen arbeiten, als Empfangsgebiete für Alarmmeldungen festgelegt. Die gehen mit der Vorgabe des Zielgebiets zunächst an die Mobilfunknetzbetreiber und werden von diesen entsprechend verschickt.

Keine Vollkaskomentalität

Die Tiroler Behörden warnen aber vor einer überzogenen Erwartungshaltung bzw. Vollkaskomentalität. Man könne lediglich vor Gefahrenlagen warnen, die ersichtlich sind. Und gerade lokal begrenzte Unwetter, die Elementarereignisse auslösen, sind oft nicht vorhersehbar und führen innerhalb kürzester Zeit zu enormen Schäden.

Wenn etwa wie zuletzt in St. Anton am Arlberg Starkregenfälle am Berg einen Bach rasend schnell zur Sturzflut anschwellen lassen, wäre eine Warnung des Orts vor dem folgenden Murenschwall in der Kürze der Zeit nicht möglich. Aber Autofahrer könnten etwa gewarnt werden, eine bereits verlegte Straße nicht zu befahren.

In Tirol steht man zudem auf dem Standpunkt, AT-Alert nicht inflationär verwenden zu wollen. Manche drohenden Naturgefahren werden weiterhin über Aussendungen bzw. über Social-Media-Kanäle verbreitet, heißt es dazu.