Chronik/Österreich

Mutter und Fünfjähriger tot: Lebenslang für 38-Jährige

Ein kleiner Roller ist es, der am Freitag links vor dem Richtertisch im Landesgericht Klagenfurt lehnt. Blaue Trittfläche, blaue Griffe.

Ein Fünfjährige, der am 29. Jänner 2022 in Villach im Stadtteil Völkendorf getötet wurde, fuhr zuletzt auf ihm. Kurz, bevor ein Auto auf ihn zuraste und ihn überfuhr.

Am Freitag stand jene Frau aus Rumänien vor Gericht, die hinter dem Lenkrad des Autos gesessen sein soll. Neben dem Buben starb auch seine Mutter. Der Vorwurf: Doppelmord.

Die 38-jährige Geschäftsfrau soll aus Rache, Hass und krankhafter Eifersucht in einer 30er-Zone, mit 55 bis 65 km/h auf die beiden zugerast sein.

Rache und Hass

Die 43-jährige getötete Mutter hatte mit dem Ex-Mann der Angeklagten, einem Kreuzfahrtschiff-Offizier, gemeinsam den fünfjährigen Sohn. Dem die Angeklagte offenbar die Hauptschuld am Scheitern der eigenen Beziehung gegeben haben dürfte.

Die Staatsanwaltschaft beantragte am Freitag die Höchststrafe: eine lebenslange Haftstrafe. Sowie die Einweisung in eine forensische Einrichtung. Das Geschworenen-Gericht zog sich gegen 16 Uhr zur Beratung zurück.

Wenig später stand fest: Dem wurde vom Geschworenengericht einstimmig stattgegeben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Angeklagte legte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ein.

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"Die Angeklagte hat auf perfide Weise einen Mord geplant", hielt Staatsanwältin Ines Küttler in ihren Eröffnungsworten des Geschworenenprozesses fest. Die Verteidigung wies die konkrete Tatplanung zurück.

Internetsuche nach Tötungsarten: In Säure auflösen

Was für die Tatvorbereitung spricht: Tötungsarten, nach denen die 38-jährige Business-Frau vor der Tat gesucht haben soll.

Stichworte bei der Online-Recherche: In Säure auflösen, Unzurechnungsfähigkeit vortäuschen, Brand legen. Die Rechtfertigung der Angeklagten: Reine Neugierde.

"Die Suchverläufe zwei Wochen vor der Tat haben gezeigt, dass sich die Angeklagte nur mit ganz wenigen Themen in dieser Zeit beschäftigt hat: Dem Tod und töten", sagte ein Polizist aus. Allerdings sei auch ein Punkt der Suche Strafmilderung gewesen. "Wie man diese erhält, wenn man verdächtig ist", erklärte der Ermittlungsleiter der Gruppe Leib und Leben.

Laut Staatsanwaltschaft habe sie sich sogar ein neues Auto gekauft und die Wohnumgebung ihrer Opfer in Villach ausspioniert. Für die Tat selbst nahm sie sich dann eine Woche Urlaub. "Sie hat die Stelle auf ihrem Handy genau markiert, wo sie ihr Auto parken kann am Tat der Tag", schildert die Staatsanwältin.

Und weiter: "Sie hat ein Zimmer gebucht, falls ihre Tat nicht am ersten Tag klappt." Für die Dauer von vier Nächten.

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Fotos vom Tatort

Doch dieses Zimmer brauchte sie nicht. Nach fünf Minuten Wartezeit traten Mutter und Sohn im Winter vor eineinhalb Jahren vor die Tür. Die Angeklagte gab daraufhin Gas.

Die Folgen werden den Geschworenen am Freitag als Tatortfotos gezeigt. Eine Straße, viel Schnee, die Opfer und die Erkenntnis: Die beiden hatten keine Fluchtmöglichkeit. Sie starben an Ort und Stelle. 

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Die Angeklagte war laut Gutachten zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig, wies aber eine kombinierte Persönlichkeitsstörung auf. Gutachter, Peter Hofmann, bescheinigte der Angeklagten am Freitag völlige Gefühllosigkeit gegenüber den Opfern. "Das Gesamtverhalten ist mit einer normalen Charakterbildung nicht in Einklang zu bringen", erklärte Hofmann. "Es geht die Gefahr aus, dass es zu neuerlichen Taten kommen könnte."

"Ich bin ganz wütend geworden"

Was passierte, als sie mit dem Pkw nach Villach fuhr, wollte Richter Manfred Herrnhofer wissen. "Ich wollte mit ihr (dem Opfer, Anm.) reden. Aber sie nicht mit mir. Während ich im Auto die Strecke gefahren bin, bin ich ganz wütend geworden und dann ist es passiert." 

Was ist genau passiert

Doch was war genau passiert? "Ich bin wütend geworden und das war der Augenblick, in dem ich sie überfahren habe."

Herrnhofer fragt nochmals nach.

Was ist genau passiert? Wieder weicht die Angeklagte aus. Betont nur, dass sie sich bis auf 300 Meter dem Tatort näherte, sich danach schuldig fühlte und im Krankenhaus aufwachte.

Der Richter fragt zum vierten Mal nach, wie der konkrete Tatablauf war.

"Ich habe die Frau gesehen und das Fahrzeug gestartet. Die Entfernung war relativ groß. Da war noch eine Familie am Tatort. Ich habe Gas gegeben."

Kind erkannt und gesehen

"Stopp", ruft der Richter. "Da fehlt etwas", wird Herrnhofer lauter und zeigt auf den Scooter beim Richtertisch. Mit der blauen Trittfläche und den blauen Griffen.

Angeklagte: "Das Kind." Herrnhofer: "Ja, das Kind fehlt." Angeklagte: "Ich habe sie beide gesehen." Haben sie das Kind erkannt? "Ja."

Laut Gutachter hatte die 38-Jährige die beiden für ganze zehn Sekunden im Blickfeld, bevor es zur Kollision kam. 

Richter: "Wollten sie beide töten?" Angeklagte: "Ja, weil das Kind auf ihrer Linie war. Hätte ich das Kind verpasst, hätte ich auch sie verpasst. Aber es tut mir leid, hauptsächlich wegen dem Kind." Nachsatz: "Aber wenn du wütend bist, denkst du nicht mehr daran, wer Schuld ist."

Beklemmende Textnachrichten

Ein Kind, für das die Angeklagte in Textnachrichten zuvor nur einen Namen hatte: "Bastard". Konkret ist dort zu lesen: "Der Bastard muss sterben."

Die Textnachrichten offenbaren aber auch, dass sie der Mutter des Buben den Tod wünschte. Nachdem die 38-Jährige bei einem Autounfall einen Hund angefahren hat, schreibt sie an ihren Ex-Mann, dass sie hofft, dass es auch der Mutter des Fünfjährigen "wie dem Hund ergeht".

Vater des Sechsjährigen als Zeuge

Eben jener Ex-Mann nahm um kurz vor 13 Uhr im Gerichtssaal Platz. "Sie hat Drohungen gegen meine Ex-Frau, meinen Sohn und meine Mutter ausgestoßen", sagte der Offizier.

Gewaltbeziehung

Während des Prozesses wurden auch Details über die Beziehung der Angeklagten und des Kreuzfahrtschiff-Offiziers bekannt. Die beiden lernten sich auf einem Schiff kennen. Es begann eine Liebschaft.

Doch als der Auftrag auf hoher See vorbei war, folgte die Angeklagte offenbar ihrem Liebsten, stand eines Tages vor der Tür des  noch liierten Mannes. Seine Frau, das spätere Mordopfer, zog daraufhin mit dem Fünfjährigen aus.

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Porno-Videos als Drohung

Laut Staatsanwältin Küttler begann eine Gewaltbeziehung, in der die Angeklagte ihren Lebenspartner immer wieder angegriffen haben soll.

Dies bestätigt auch der Pflichtverteidiger der Angeklagten, Michael Hirm: "Es war eine Hochschaubahn an Gefühlen. Mit gegenseitigen Wegweisungen."

Eskaliert sei die Situation, als es um die Erbschaft ging. Die Angeklagte soll den Offizier sogar mit Porno-Videos erpresst haben, um als Alleinerbin im Testament eingesetzt zu werden. Belegt ist dies durch Textnachrichten.

Der Offizier und die Angeklagte heiraten dennoch.

Stalking

Doch mit dem Ja-Wort spitzt sich die Beziehung weiter zu. Die Angeklagte soll nicht nur ihren Mann gestalkt (95 Anrufe in zwei Minuten), sondern auch das spätere Opfer. Im November 2021 wird die Ehe des Offiziers und der Angeklagten schließlich annulliert.