Chronik/Österreich

Milch in Kindergärten und Schulen von Behörden nicht überprüft

Genau zwei Wochen ist der Umwelt- und Behördenskandal um das mit Hexachlorbenzol belastete Kärntner Görtschitztal bekannt. Ebenso lange stellen sich Betroffene die Frage nach möglichen gesundheitlichen Folgen. Ob Schul- und Kindergartenkinder in den Bezirken Klagenfurt und St. Veit HCB-verseuchte Milchprodukte konsumiert haben, bleibt unklar: Die Behörde zog vor Ort keine Proben.

Fakten werden erst Blutuntersuchungen liefern. Ursprünglich hieß es, dass in den betroffenen Gemeinden am Donnerstag damit begonnen werde. Landessanitätsdirektorin Elisabeth Oberleitner sagte jedoch im KURIER-Gespräch, dass nur Beratungsgespräche stattfinden würden. "Wir wollen am Donnerstag Personen herausfiltern, die zur Risikogruppe zählen", betont sie. Erst in der Folge würden Blutabnahmen erfolgen. Binnen vier Stunden müsse das Plasma abzentrifugiert werden, das in einem Wiener Labor untersucht werde.

Beim Land melden sich unterdessen besorgte Eltern, die das Blut ihrer Kindergarten- und Schulkinder untersuchen lassen wollen. Immerhin hat die Firma Sonnenalm 120 Betreuungseinrichtungen in den Bezirken Klagenfurt und St. Veit beliefert.

Proben in den Betreuungseinrichtungen wurden nie gezogen. "Das hielten wir nicht für erforderlich. Beprobt wurde ja der Betrieb selbst", sagt Alfred Dutzler, Leiter der Lebensmittelaufsicht des Landes.

Zur Erinnerung: Von Greenpeace in Auftrag gegebene Untersuchungen haben in einer Milchprobe in einem Geschäft in Friesach einen HCB-Wert von 0,021 mg/kg ergeben (Der Grenzwert liegt bei 0,01 mg/kg) – obwohl bei der fraglichen Firma Sonnenalm stets beprobt und nichts Auffälliges gefunden wurde. "Unser Sicherheitsnetz war offensichtlich nicht dicht genug", sagt nun Geschäftsführer Hannes Zechner. Schulen und Kindergärten haben seine Produkte spätestens mit 3. Dezember storniert.

Belastungsdauer

Ob es durch HCB-Grenzwertüberschreitungen ein erhöhtes Gesundheitsrisiko gibt, ist unter Experten umstritten. "Ich sehe derzeit keine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung", sagt Mediziner Michael Kundi vom Institut für Umwelthygiene der MedUni Wien: Ein Kind mit zehn Kilogramm könne fünf bis sechs Liter Milch trinken, die mit dem Vierfachen des Grenzwertes belastet ist, um die von der Weltgesundheitsorganisation festgelegte akzeptable Aufnahmemenge nicht zu überschreiten: "Eine derartige Menge schließe ich aus." Anders Greenpeace-Chemiker Herwig Schuster: "Die Unbekannte ist, wie lange die HCB-Werte schon erhöht sind. Selbst eine längerfristige Aufnahme über Nahrungsmittel, deren Belastung unterhalb des Grenzwertes liegt, ist für Kinder und Schwangere kritisch."

Bisher wurde betont, dass Blaukalk aus dem Depot der Donau Chemie in Brückl nur im Wietersdorfer Zementwerk in Kärnten verbrannt wurde. Doch wie die Wopfinger Baustoffindustrie GmbH im nö. Wopfing dem KURIER gegenüber bestätigte, wurden von der Donau Chemie im Jahr 2013 2800 Tonnen und im Jahr 2014 1280 Tonnen Blaukalk bezogen und verwertet. Zum Vergleich: Seit 2012 wurden in Kärnten 90.000 Tonnen verbrannt.

Die Anlage sei am neuesten Stand der Technik und reinige das Abgas bei 900 Grad von allfälligen Inhaltsstoffen wie HCB, betont die Wopfinger-Pressestelle. Man habe als einziges Zementwerk weltweit eine thermische Nachverbrennung. Der Einsatz des Stoffstromes sei behördlich genehmigt, HCB-Messungen aber nicht vorgeschrieben. "Aufgrund der Einmaligkeit unserer thermischen Nachverbrennung werden solche Verbindungen zur Gänze beseitigt", heißt es.

Josef Muttenthaler vom Amt der nö. Landesregierung: "Die Anlage der Wopfinger wird etwa alle drei bis vier Monate kontrolliert. Die letzte Überprüfung liegt vier Wochen zurück, Beanstandungen hat es noch nie gegeben." Bei den Überprüfungen werden die Aufzeichnungen kontrolliert. Man kann sich das – stark vereinfacht - wie eine Tachoscheibe vorstellen, deren Daten man nicht manipulieren kann. Wenn die Anlage reibungslos funktioniert und immer die entsprechenden Temperaturen eingehalten werden, können die Schadstoffe auch nicht in die Umwelt gelangen.