Chronik/Österreich

Masern-Ausbruch: Ärzte für Impfpflicht

„Es wäre ein Glück, wenn das jetzt das Ende wäre“, sagt Ernst Eber, Vorstand der Kinderklinik Graz. „Aber wir müssen erwarten, dass es noch mehr Fälle geben wird. Die Anzahl ändert sich täglich.“

Ausgehend von nur einem Masernfall am 11. Jänner in Graz gibt es schon 14 bestätigte Erkrankungen und Dutzende Verdachtsfälle. Noch sprechen die Mediziner nicht von einer Epidemie, aber das könnte sich bald ändern, denn: Die für eine Immunisierung und den sogenannten Herdenschutz nötige Durchimpfungsrate von 95 Prozent ist bei Weitem nicht erreicht. In der Steiermark liegt diese Rate bei der ersten Masern-Impfung bei 89 Prozent, bei der Folgeimpfung nur noch bei 79 Prozent.

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Stärkere Mittel

Unter den Ärzten breitet sich Frust aus. Sie rufen laut nach einer Impfpflicht. „Ich bin ernsthaft dafür, eine Volksbefragung dazu zu erwägen“, fordert Herwig Lindner, Präsident der steirischen Ärztekammer. Zumindest das Kinderbetreuungsgeld sollte an die Impfungen gebunden sein. „Unsere Überzeugungsarbeit reicht offenbar nicht aus, um flächendeckenden Impfschutz zu sichern“, begründet Lindner. „Wir brauchen zusätzlich stärkere Mittel, um Vergessliche und Zögernde zu motivieren.“

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Professor Werner Zenz von der Kinderklinik Graz verweist auf die Handhabe in Australien: Wenn Kinder nicht gegen Masern geimpft sind, werden ihren Eltern finanzielle Unterstützungsleistungen gestrichen. Das könnte sich der Mediziner auch für Österreich vorstellen „Ich sehe die Impfung als Sozialleistung anderen Menschen gegenüber“, erklärt der Kinderarzt. „Das Überzeugen allein wird nicht funktionieren.“ In den USA seien die Masern durch Impfpflicht ausgerottet worden, erinnert Zenz.

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Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein, FPÖ, winkt aber bereits ab: Sie setze auf Aufklärung und „Selbstbestimmung“. Die Virologin Heidemarie Holzmann spricht sich für eine Impfpflicht für medizinisches Personal aus, aber nicht für die Bevölkerung: „Da wäre ein Belohnungssystem besser. Wer impft, bekommt zu Beispiel eine Prämie.“ In den Spitälern der steirischen Krankenanstaltengesellschaft gibt es eine solche Impfpflicht für 14.000 Mitarbeiter mit Patientenkontakt – nach langer rechtlicher Diskussion – seit dem Vorjahr.

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Die derzeitige Masernwelle wird indes immer heftiger. 50 Babys wurden bereits vorsorglich an der Grazer Kinderklinik behandelt, sie gelten als sogenannte Kontaktkinder: Sie waren zumindest im selben Raum mit einer erkrankten Person und aufgrund ihres Alters noch nicht geimpft. Zwei Babys sind tatsächlich erkrankt, fünf weitere Verdachtsfälle wurden am Mittwoch in das Spital beordert.

Schulverbot

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In Anger, Bezirk Weiz, sind die Masern ebenfalls bei einem Buben ausgebrochen, er hatte Kontakt zum 15-jährigen Erstpatienten in Graz, der erkrankt in der Ambulanz der Kinderklinik saß. Das hat weitreichende Konsequenzen: 26 seiner 134 Mitschüler der Volksschule Anger waren nicht geimpft die Bezirkshauptmannschaft verhängte für sie Schulverbot bis 10. Februar, das ist das Ende der Inkubationszeit. Auch die Direktorin sowie einige Lehrer unterrichten vorerst nicht, ihr Impfstatus wird erhoben .

 

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„Man kann davon ausgehen, dass die nicht geimpften Kinder mit großer Wahrscheinlichkeit angesteckt wurden“, bedauert Professor Zenz . Um sich mit Masern zu infizieren, reiche es, sich im selben Raum aufzuhalten und das auch noch nach Stunden. Zwei der erkrankten Kinder, die sich in der Ambulanz der Klinik angesteckt haben, kamen zwei Stunden nach dem 15-Jährigen ins Spital. Der Jugendliche selbst dürfte sich laut Spital beim Skifahren in Salzburg angesteckt haben .

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