Keine Angst vor dem Weihnachtskarpfen - eine Anleitung für Feinschmecker
Von Kid Möchel
Wir Angler gelten als etwas verrückt, verbringen wir doch bei jeder Witterung in Tarnkleidung und ausgerüstet mit sündteuren Carbon-Ruten und Magnesium-Rollen unsere Freizeit am Teich oder See. Aber bei Fisch kennen wir uns aus – selbst wenn wir ihn mangels Beute beim Händler kaufen müssen. Einen frischen Fisch erkennen Sie an herzhaftroten Kiemen, glänzenden Augen und festem Fleisch. Daher kaufe ich Fisch im Ganzen; so kann man die Zubereitung variieren. Fangfrischen Fisch sollten Sie aber über Nacht in den Kühlschrank legen, ansonsten rollen sich die Filets beim Braten auf. Weihnachten ist eindeutig Karpfenzeit. In meiner Kindheit schwamm der Cyprinus Carpio, wie der Lateiner sagt, eine Woche vor dem D-Day in der Badewanne – Auswassern nannte man das. Er schmeckte trotzdem nach Moorpackung.
Die Qualität der Omega-Drei-Fettsäuren-Kaiser unter den Süßwasserfischen ist heute ausgezeichnet – dank der Öko- Teichwirtschaften im Waldviertel und in der Steiermark. In der Regel kommen K3-Karpfen in den Handel – dreijährig und 1,7 bis 3 Kilo schwer. Ein Bio-Karpfen braucht etwa vier Jahre, um zwei bis drei Kilo Lebendgewicht zu erreichen. Ich behaupte, den Unterschied schmeckt man deutlich. Ich bevorzuge Karpfen aus Schotterteichen, insbesondere flachrückige Schuppenkarpfen, die auf die Urform, den Wildkarpfen, zurückgehen. Gewicht: Pi mal Daumen um die zwei Kilo. Andere ziehen „glatzerte“ Spiegelkarpfen vor, die nur rudimentär Schuppen haben. Wichtig ist, dass der Karpfen bei der Schlachtung ausblutet – durch einen gezielten Stich oder Schnitt hinter dem Kopf.
In der Küche kommt es beim Fischvor allem auf eine feine Klinge an. Ich nehme ein Filetiermesser (weiche, lange Klinge) mache einen Schnitt zwei Fingerbreit über der Schwanzwurzel des ausgenommenen Karpfens und schiebe die Klinge zwischen Schuppenkleid und Karpfenhaut noch oben. So lassen sich die Schuppen in einem Stück ablösen – ohne unappetitlichen Schuppen-Regen in der Küche. Dann mache ich hinter dem Kopf einen Querschnitt. Nun ziehe ich die Klinge entlang der Rückenflossen vom Kopf bis zum Schwanz und löse das Fleisch vom Grätengerüst. Dazu muss man kein Chirurg sein. Im Internet finden Sie die „Broschüre Karpfenzerlegung“ der Landwirtschaftskammer NÖ, in der jeder Schnitt gezeigt wird.
Mit den Karpfenköpfen (ohne Kiemen) und Gemüse lässt sich eine feine Suppe zaubern. Die beiden Filets werden breitseits alle zwei Millimeter eingeschnitten, man nennt das schröpfen, um die lästigen Gräten zu zerkleinern. Jetzt kommt noch der Superkniff meines Freundes Peter Zein, wahrscheinlich der beste Angler der Welt. Das geschröpfte Filet wird ordentlich mit Zitrone beträufelt. Die Säure weicht die Gräten auf und beim Braten in der Pfanne lösen sie sich dann auf. Panierte, zweifingerbreite Karpfen- Fischstäbchen sind selbst bei Kindern ein Renner.
Mein weltbester Anglerfreund Zein mag Karpfen „serbisch“. Er tupft die Filets trocken, drückt fest Knoblauch darauf und wälzt sie in Mehl vermischt mit roten Paprikapulver. Meine Frau Andrea, die beste Köchin der Welt, mag Karpfen natur kross in Olivenöl gebraten – mit Knoblauch, Ingwer, Chili oder mit dem sensationellen Fischgewürz von Alfons Schuhbeck.
Auch Schleien, Hecht, Welsund Zander zählen zu meinen Lieblingen. Wels hat keine, Zander so gut wie keine Gräten. Ein tolles Angebot hat die steirische Bio-Teichwirtschaft Gut Hornegg in Preding.
Was wären aber die Festtage ohne edle Salmoniden: Forellen, Bachsaiblinge, Seesaiblinge und Huchen. Ich ziehe den Seesaibling vor. Bio-Salmoniden gibt es nicht nur bei regionalen Anbieten, sondern auch im Lebensmittelhandel. Zuletzt zur Lachsforelle: Sie ist keine eigene Fischart, sondern eine dicke Regenbogenforelle, deren Fleisch durch Beta-Carotin im Futter das markante Rot erhält. Lachsforellen haben mehr (gesundes) Fett als ihre mageren Artgenossen. Eine grätenfreie Weihnacht!Kid Möchel